So macht lernen Spaß
In einer entspannten Atmosphäre lässt es sich leicht lernen. ¹⁾
Inspirationsthema mit der Psychologin Dr. Myriam Schlag
Lernen bedeutet nicht nur Schule und Ausbildung. Sich neue Fähigkeiten anzueignen begleitet uns ein Leben lang, etwa wenn wir in der Freizeit eine neue Sprache oder das Gitarrespielen erlernen. Das Schöne ist: Das kann richtig Spaß machen.
Ständig dazuzulernen ist sogar überlebensnotwendig: „Stellen Dir vor, Du gehst zur Bushaltestelle und da steht auf einmal ein neuer Fahrkartenautomat“, sagt Dr. Myriam Schlag. „Du musst Dich neu einfuchsen und herausfinden, wie Du ihm eine Fahrkarte entlockst. Wenn Dir das gelingt, hast Du wieder etwas gelernt“, weiß die Psychologin, die sich mit lebenslangem Lernen beschäftigt. „Das hört nie auf, auch wenn Du die Schule schon längst abgeschlossen haben.“ Vor allem: Lernen beginnt bereits vor der Geburt. Schon im Bauch der Mutter lernt das Ungeborene, ihre Stimme von anderen zu unterscheiden. Erst mal auf der Welt, bewältigt ein Kind rasante Lernprozesse, bis es laufen und sprechen kann. Das Leben selbst gibt die Aufgaben vor.
Lernen, wie es passt
Früher sagte man: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Dieser Spruch ist natürlich längst überholt. Heute weiß man: Auch im hohen Alter können wir uns noch Wissen aneignen. Das haben Forscher in verschiedenen Studien in renommierten Gehirnforschungszentren weltweit bestätigt – und diese Erkenntnis wird immer öfter umgesetzt. Volkshochschul-, Onlinekurse und Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit und vermitteln auf eine neue Art Wissen. Erwachsene belegen in ihrer Freizeit Sprach-, Mal-, Handwerks- und Sportkurse; manche machen eine berufliche Fortbildung oder besuchen noch mal die Uni.
„Wie erfolgreich das im privaten Bereich betrieben wird, hängt sehr von unserer Motivation ab“, sagt die Psychologin. Wer sich auf Reisen einen Vorteil durch das Erlernen der Landessprache erhofft, merkt sich vielleicht sogar besser Vokabeln als ein Schüler in der Pubertät, der keinen Sinn darin sieht, für Französisch früh aufzustehen. Der Sportmuffel geht plötzlich mit Freude zum Training, weil der Kurs in Gemeinschaft eindeutig attraktiver ist als ein Abend allein vor dem Fernseher. Die Großmutter setzt sich mit dem Smartphone auseinander, weil sie so per Videocall mit ihren weit entfernt lebenden Enkeln kommunizieren kann. „Was beim Lernen hilft, sind eine gewisse Offenheit, Neugier und Interesse am Thema. Und man kann sich bewusst machen: Was hat das mit meinem Leben zu tun? Warum finde ich gerade dieses Thema spannend? Was gibt es mir?“, sagt Dr. Myriam Schlag.
Einige haben in der Rushhour des Lebens weder Zeit noch Ressourcen, sich mit Kunstgeschichte oder dem Malen von Aquarellen auseinanderzusetzen. Doch sind die Kinder aus dem Haus oder ist die Karriere abgeschlossen, ist dann plötzlich der Freiraum dafür da. Wer aber Lust aufs Lernen selbst in stressigen Lebensabschnitten hat, um seinen Horizont zu erweitern, für den hat unsere Expertin Tipps, wie es gelingen kann: „Feste Verabredungen dafür mit sich selbst helfen sehr. Blockiere auch ganz konkret Termine im eigenen Kalender. Hier ist Routine das Zauberwort. Und: Stecke Dir realistische Ziele, die Dich auch erreichen können.“
Hinderlich: Perfektionismus
Ebenso wichtig: „Finde heraus, wann für Dich die beste Zeit ist, um zu lernen. Wann bist Du besonders aufnahmebereit?“ Für die einen ist es morgens noch vor der Arbeit, andere sind Nachteulen, die sich noch spätabends konzentrieren können. „Es braucht eine Art Selbstlernkompetenz für das lebenslange Lernen“, erklärt Dr. Myriam Schlag. „Ich sollte in der Lage sein, mir selbst Ziele stecken zu können, mich zu motivieren und verschiedene Strategie und Lösungen auszuprobieren.“
Doch was ist, wenn Probleme auftauchen, es nicht so schnell vorangeht, wie gedacht? Wie gehe ich mit Misserfolgen um? Bleibe ich dann trotzdem bei der Stange oder werfe ich alles hin? „Durchhaltevermögen, Mut oder ein humorvoller Umgang mit den eigenen Fehlern sind da hilfreich. Perfektionismus eher nicht“, so die Psychologin. Übrigens klappt es immer besser mit dem Sprechen einer neuen Fremdsprache oder dem Töpfern einer Keramik, je mehr Übung und Wissen wir in einer Technik oder Disziplin haben. Selbst im Rentenalter geht es dann schnell, sich etwas Neues anzueignen. „Talent ist dagegen weniger entscheidend. Wichtiger ist, sich für etwas wirklich zu interessieren. Ohne Talent dauert der Lernweg vielleicht etwas länger, kann aber genauso viel Spaß machen.“
Das Glück zu lernen
Was passiert eigentlich beim Lernen? Neurowissenschaftler sagen: Es ist in erster Linie ein biochemischer Vorgang, bei dem sich Nervenzellen mithilfe von Synapsen zu regelrechten Datenautobahnen im Gehirn verdichten. Wird eine neue Fertigkeit immer wieder eingeübt, verbreitert sich die „Schnellstraße“ – bildlich gesehen – von ein oder zwei auf sechs oder acht Spuren. Es sind Spuren der Erfahrung. Wenn Du emotionaler Art bist, werden die Rillen besonders tief – dafür sorgen bestimmte Systeme, die bei positiven wie negativen Gefühlen anspringen.
Lernen mit Spaß ist also die Zauberformel. Und die wirkt wie ein Beschleuniger. „Glück und Lernen hängen ganz eng zusammen“, sagt der bekannte Hirnforscher und Autor Prof. Manfred Spitzer.
Und zwar in beide Richtungen: Verantwortlich für die positiven Emotionen ist das sogenannte Glückszentrum im Gehirn. Ist es aktiviert, werden unterschiedliche Stoffe wie zum Beispiel der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet. Dadurch fällt das Lernen leichter. Auf der anderen Seite macht es stolz, sich eine neue Fähigkeit angeeignet zu haben. Es lässt uns persönlich wachsen, bringt uns soziale Anerkennung. Das wiederum beschleunigt das Lernen. Tief in unserem Gehirn sind Glück und Lernen aufs Engste miteinander verknüpft.
Dr. Myriam Schlag
Dr. Myriam Schlag ist Dipl.-Psychologin, Autorin und Fachjournalistin © Myriam Schlag/privat
Schon früh hat sich die promovierte Diplom-Psychologin auf das Thema Lernen spezialisiert. In ihrer Zeit an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz begleitete sie Studierende bei ihren Lernprozessen. Seit 2018 arbeitet sie freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation, ist Sachbuchautorin („Wege durch den Informationsdschungel“, Springer Verlag) und schreibt Kreativbücher. Dr. Myriam Schlag hält Vorträge und veranstaltet Workshops zum Thema Selbstlernkompetenz.
Sie betreibt zudem den Instagramkanal zum Thema Lernen & Psychologie: @dr_lernpsychologie
Lernen – Tipps von der Expertin
Schaffe Dir eine optimale Lernatmosphäre: Das kann das Sofa zu Hause sein, ein aufgeräumter Esstisch oder die Bibliothek am Ort.
Nehme Dir regelmäßig Zeit und denke darüber nach, wie weit Du auf Deinem Lernweg schon vorangekommen sind. Das unterstützt auch die Motivation.
Lege den Fokus auf kurze, produktive Lerneinheiten. Ablenkung vermeiden.
Lernpausen einplanen: nach einer halben Stunde für fünf Minuten, nach zwei Stunden 15 bis 20 Minuten.
Setze Dir sich machbare Ziele. Strukturiertes Lernen durch Etappen- oder Tagesziele wirkt positiv und motivierend.
Neues Lernen – Hier gibt es was auf die Ohren
Die Auswahl an Podcasts zu allen möglichen Wissensrichtungen hat sich in den letzten Jahren enorm vergrößert. Es gibt spezielle Online-Kurse zu verschiedenen Themenbereichen und Lern-Apps, mit denen sich Chinesisch oder sogar Gitarrespielen lernen lässt. Auch auf YouTube finden sich Videos, die komplizierte Strickanleitungen erklären oder vermitteln, wie man PC-Programme erstellt
