Besser ein- und durchschlafen

„Wie man sich bettet, ist für guten Schlaf meist sekundär.“
Inspirationsthema mit Experte Dr. Hans-Günter Weeß
Herrlich: Entspannt auf dem Sofa sitzen, fernsehen ... und schon mal ein bisschen dösen. Doch später im Bett will der Schlaf dann nicht kommen. Dr. Hans-Günter Weeß erklärt, warum das so ist und wie wir wirklich in die Welt der Träume finden.
Wie wichtig ist Schlafen für Körper und Geist?
Kein anderer Zustand unseres Körpers ist so umfassend und wichtig wie der Schlaf. Er verlängert das Leben, macht gesund, klug und schön, heißt es. Denn in der Nacht regenerieren sich die Zellen, das Gehirn verarbeitet Erlebtes in Träumen, das Immunsystem erholt sich. Tief, fest und ausreichend lange sollte er sein, der Schlaf. Gut, wer versucht, sich so viel Nachtruhe zu gönnen, wie er benötigt. Denn wer dauerhaft zu wenig schläft, bekommt den Mangel zu spüren. „Zu wenig Schlaf führt zu Konzentrationsproblemen und kann Herz-Kreislauf-Störungen nach sich ziehen“, erklärt Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß. „Zu viel ist aber auch ungesund, kann beispielsweise Übergewicht und Depressionen fördern.“
Was ist nun zu viel, was zu wenig? Das ist individuell und genetisch festgelegt: Wenn wir uns wach und ausgeschlafen fühlen und ohne Wecker aufwachen, dann haben wir genug Schlaf bekommen, schreibt der Forscher in seinem Buch „Schlaf wirkt Wunder“. Den meisten genügen sechs bis acht Stunden. Diesen individuellen Biorhythmus können wir nicht beeinflussen – der Körper holt sich den Schlaf, den er braucht. Weniger gut also, wenn uns unter der Woche der Wecker aus dem Schlaf holt – wie bei rund 80 Prozent der Bevölkerung hierzulande, die zumindest leicht chronischübermüdet sind, so Dr. Hans-Günter Weeß. „Wir nehmen in Kauf, dass deshalb die Produktivität leidet, Unfälle passieren, Schüler sich nicht konzentrieren können.“ Der Schweizer Ökonom Marco Hafner schätzt, dass rund 60 Milliarden des Bruttosozialprodukts von Deutschland deshalb verloren gehen, weil übermüdete Menschen ineffizient arbeiten und Fehler machen. Beim Autofahren ist der Schlafmangel gefährlich: Nach einer Studie des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums ist fast jeder fünfte Unfall durch die Müdigkeit bedingt. Wichtig zur Einschätzung des Schlafmangels: Solange es am nächsten Tag nicht zu Beeinträchtigungen kommt – bei Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnisleistung – ist das Defizit unbedenklich. Wirkt ausgleichend: Wecker am Wochenende abschalten und schlafen, bis man von alleine aufwacht.
Was tun bei Schlafstörungen?
Rund fünf Millionen Menschen in der Republik haben Schlafstörungen, wie Studien zeigen. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) spricht sogar von 20 Prozent. Von Schlafwandeln oder Alpträumen einmal abgesehen, sind es vor allem Schwierigkeiten, in den Schlaf zu finden und dann auch durchzuschlafen. Dabei sind Ein- und Durchschlafprobleme gut zu behandeln – vorausgesetzt natürlich, es bestehen keine organischen Erkrankungen, die einer (anderen) Therapie bedürfen. „Hier geht es vor allem darum, das Verhalten und die innere Einstellung im Zusammenhang mit dem Schlaf zu überprüfen und zu verändern“, erklärt Dr. Hans-Günter Weeß. „Es braucht Geduld, aber es ist möglich, wieder zu einem guten Schlaf zu finden.“ Es nütze nichts, nur die äußeren Bedingungen anzupassen und zum Beispiel das Schlafzimmer dunkel und ruhig zu halten, wenn man dazu neigt, nachts im Bett zu grübeln. Das Drumherum ist nur eine kleine Stellschraube, wie das Beispiel der „Fernsehschläfer“ veranschaulicht: Obwohl es auf der Couch vor dem Fernseher laut und ungemütlich ist, schlafen manche ein. Paradox, denn später im Bett – wo es kuschelig und warm, dunkel und ruhig ist – will der Schlaf nicht kommen. „Das zeigt, dass auch der Kopf eine Rolle spielt“, erklärt der Psychologe. „Die äußeren Umstände sind meist nicht ausschlaggebend. Grund fürs Einschlafen vor dem Fernseher: Man ist dabei entspannt, der Körper ruht, der Geist wird durch den Film abgelenkt. Gedanken, die einen sonst beschäftigen, treten in den Hintergrund. Da ist kein Grübeln möglich.“ Wer im Wohnzimmer vor sich hindöst, baut Schlafdruck ab. Allerdings signalisieren das Aufstehen danach und der Gang ins Bett dem Körper Aktivität. Wer frühabends müde wird, dem rät er: Lieber aufstehen, Kniebeugen machen oder Treppen gehen anstatt „vorzuschlafen“.
Wollen wir im Bett (ein-)schlafen, müssen wir den Alltag aus dem Kopf verbannen, die Sorgen im Wohnzimmer lassen. „Wenn einem das gelingt, wenn man wegkommt von belastenden Gedanken, ist der Schlaf nicht weit“, sagt Dr. Hans-Günter Weeß. „Man muss tiefenentspannt sein und nicht verzweifelt versuchen, einzuschlafen. Denn je mehr man sich anstrengt, umso mehr arbeitet der Kopf, umso wacher wird man.“
Wer nachts wach wird, kann beruhigt sein: Zum einen ist der Neandertaler in uns dafür verantwortlich. Damals war es wichtig, nachts zu bemerken, wenn sich ein gefährliches Tier näherte. Zum anderen würden wir wundliegen, wenn wir uns nicht im halbwachen Zustand umbetten würden. „Zwischen zehn- und 25-mal wachen wir in der Nacht auf“, so Dr. Hans-Günter Weeß. Erst wenn wir wenigstens eine Minute wach sind oder anfangen zu denken, wird das Gehirn aktiv und wir erinnern uns am Morgen daran.
Entspannung und Abschalten ist das A und O
Die meisten Menschen mit Schlafstörungen finden mehr Nachtruhe, als sie glauben, weiß der Experte aus seiner Praxiserfahrung. Wer nachts bewusst aufwacht, schläft am besten wieder ein, wenn er sich einfach umdreht – an nichts denkt und keinesfalls das Licht anschaltet. Bei Durchschlafschwierigkeiten rät Dr. Hans-Günter Weeß: „Verbannen Sie die Nachttisch-Uhr, damit Sie nicht dauernd draufschauen und vielleicht denken: ‚Oh, jetzt habe ich wieder nur eine Stunde geschlafen‘. Das führt zu innerer Anspannung. Setzen Sie sich nicht unter Druck.“ Besser sei, darauf zu vertrauen, dass der Schlaf von alleine kommt. Wenn Gedanken am Einschlafen hindern: Überlegen Sie, ob das Problem nicht bis morgen warten kann. In fast allen Fällen werden Sie feststellen, dass es so ist. Dann heißt es: Haken dran. Alternative dazu: Die Grübeleien stoppen. Dabei können Sie auf Fantasiereise gehen, etwa mit einem Hörstück, oder sich selbst etwas ausdenken. Das Gehirn darf beschäftigt werden – bitte nur mit Bildern, die schön und entspannend sind. So können Sie in Ihrem Schlafzimmer in Urlaub gehen.
Snoozen – gut oder schlecht?
Morgens klingelt der Wecker, aber viele schaffen es nicht gleich aus dem Bett. Also drücken sie die Snooze-Taste des Weckers und dösen mitunter noch eine halbe Stunde vor sich hin, bevor sie aufstehen. Gut ist das nicht, denn eigentlich bräuchten sie diese Minuten, um ihr Schlafbedürfnis zu befriedigen. In dieser Zeit „schläft“ man nicht wirklich. Besser wäre, den Wecker später zu stellen und dann flugs aufzustehen. So hat man noch ein paar Minuten Schlaf gewonnen.
Dr. Hans-Günter Weeß, Diplom-Psychologe

„Länger schlafen am Wochenende kann das Schlafdefizit der Woche ausgleichen.“ © Dr. Hans-Günter Weeß
Der psychologische Psychotherapeut und Schlafforscher beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit dem Schlaf und seinen Störungen. Er ist Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster und hilft neben seiner Forschungstätigkeit Patienten beim Einschlafen. Seine Devise: Schlaf ist lebenswichtig und jeder kann lernen zu schlafen. Mithilfe seiner Bücher und seines Schlaf-Programms (schlafensiebesser.de) will er Menschen mit Schlafproblemen helfen, „ihre eigene Schlaftablette“ zu werden.
Buch-Tipp
„Schlaf wirkt Wunder“
von Schlaf-Experte Dr. Hans-Günter Weeß
