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So wichtig sind Freunde

Zwei Frauen stehen nebeneinander vor einem rosa Hintergrund, die linke Frau hat lockiges dunkles Haar und trägt ein schwarzes ärmelloses Oberteil, die rechte Frau hat kurzes blondes Haar und trägt ebenfalls ein schwarzes ärmelloses Oberteil, beide haben ihre Gesichter verschwommen, oben rechts steht in einem lila Bereich der Text Wie gut Freunde tun und daneben ist das dm LIVE Logo mit einem kleinen Regenbogenrahmen sichtbar

© Christian Hesselmann

Inspirationsthema mit Psychologin Ulrike Scheuermann

Es ist höchste Zeit, denkt sich alverde-Redakteurin Julia Heuberger, während sie diesen Artikel schreibt. Ihr letztes Freundinnentreffen liegt schon viel zu lange zurück.

Das wichtigste im Leben ist Lieben, mein Kind.“ Als mir meine Großmutter das kurz vor ihrem Tod sagte, war ich 17 – zu jung, um zu verstehen. Seit ich auf der Welt war, lebte sie allein. Doch sie hatte einen Nachbarn, mit dem sie täglich über den Gartenzaun hinweg scherzte, ihre jüngste Tochter schaute jede Woche vorbei, mein Bruder und ich in den Sommerferien und ihre Freundinnen hielten sie am Telefon stundenlang auf dem Laufenden. Heute, als Partnerin, Mutter, Seelenverwandte und Katzenbesitzerin verstehe ich: Das Wichtigste im Leben sind unsere Beziehungen. Oder wie Ulrike Scheuermann in ihrem Buch „Freunde machen gesund“ schreibt: „Beziehungen sind DER Schlüssel zu einem gesunden, langen und zufriedenen Leben. Weder eine gesunde Ernährung noch Nichtrauchen oder Sport haben so viel Einfluss auf unsere Gesundheit wie tiefgehende Beziehungen und soziale Integration.“ Wenn Sie also diesen Monat keine Zeit für Sport fanden, sich aber mit einem guten Freund getroffen haben, dann haben Sie alles richtig gemacht. 

Gemeinsam = heilsam

Ein gutes Leben besteht aus guten Beziehungen. Das ist seit 1977 sogar wissenschaftlich erwiesen. Erste Ergebnisse der „Grant-Studie“ der Harvard-Universität (USA) zeigten schon damals: Die gesündesten und glücklichsten Teilnehmer im Alter von 80 und 90 Jahren sind diejenigen, die mit 50 gut eingebunden in Familie, Freundschaften und anderen Gemeinschaften waren. Weiter zugespitzt hat das die amerikanische Psychologin und  
Neurowissenschaftlerin Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young Universität, USA, in ihrer Metastudie über Freundschaft, 2010. Dafür hat sie 148 Studien ausgewertet und kam zu folgendem Ergebnis: Menschen mit guten sozialen Bindungen haben eine 50 Prozent größere Wahrscheinlichkeit auf ein langes Leben.

Eine Handvoll reicht

Fragen Sie sich jetzt auch: Habe ich genug Freunde? Und gibt es das überhaupt, die perfekte Zahl? Die Obergrenze an Personen, von denen wir den Namen kennen und die wesentlichen Beziehungen untereinander, liegt dem britischen Anthropologen Robin Dunbar zufolge bei 150. Dazu zählen Arbeitskollegen, Eltern aus der Schule, Nachbarn und Sportkollegen. Diese 150 liegen wie die Schichten einer Zwiebel um uns herum. Interessant ist die Obergrenze von fünf im engsten Kreis, zu dem auch Partner, Mutter, Kinder und Haustiere zählen. „Bei mehr steigt das Stresslevel und die Zufriedenheit nimmt ab“, so Ulrike Scheuermann. „Freundschaften brauchen nun mal Pflege. Je mehr Zeit wir miteinander verbringen, desto emotional verbundener fühlen wir uns.“ Für viele ein Dilemma – mir geht es da nicht anders. So sehr ich Mann, Kinder und Kater auch liebe, all meine Bedürfnisse decken die fünf nicht ab.  

Lebenswichtig: Freunde 

71 von 100 wollen häufiger ihre Freunde sehen, so das Ergebnis der Studienreihe „Freizeitmonitor“ 2020. Ein erster Schritt kann sein, Freundschaften als das zu sehen, was sie sind: lebenswichtig. Das hilft, die Prioritäten neu zu sortieren. Was auch hilft: zu wissen, dass in den eigenen Beziehungskreisen das ganze Leben lang ein Kommen und Gehen herrscht. „Verabschieden Sie sich vom Anspruch, dass Ihre Sandkastenfreundschaft immer so innig bleibt“, rät Ulrike Scheuermann. „Wenn jetzt die Familie an erster Stelle kommt, ist das okay. Freundschaften kann man auch später wieder aktivieren, wenn sie eine gute Basis haben.“ 

Manch eine Freundschaft zerbricht auch im Laufe des Lebens – weil das Bedürfnis nach Nähe einseitig bleibt, man sich nicht mehr guttut oder weil die Meinungen zu wichtigen, gesellschaftlichen Themen auseinandergehen. Einer YouGov-Studie von 2022 zufolge ist jede fünfte Freundschaft aufgrund unterschiedlicher Meinungen zu den Corona-Maßnahmen zerbrochen. Was sagt das über uns aus, wenn wir noch nicht einmal unter Freunden imstande sind, unterschiedliche Meinungen zu respektieren? „Wenn die Positionen zu gegensätzlich sind, die Beziehung aber auf anderen Ebenen guttut, kann man auch verabreden, das Thema bewusst auszusparen und in ein, zwei Jahren noch einmal zu schauen, ob man wieder zusammenkommt“, sagt Ulrike Scheuermann. „Das gelingt aber nur, wenn etwas anderes in der Beziehung so wertvoll ist, dass man bereit dazu ist.“ 

Meine Wahlfamilie 

Knapp zwei von drei Deutschen haben derzeit einen besten Freund laut YouGov. Jeder Dritte hat somit keinen. "Helfen ist immer ein guter Schlüssel und Freundschaftsbooster. Es hat enorm viele positive Effekte, auch auf unser Selbstwertgefühl", so Ulrike Scheuermann. "Der erste Schritt kann daher sein, der Nachbarin anzubieten, ihr etwas vom Einkaufen mitzubringen." Innerhalb der Familie ist Geben meist selbstverständlich, auch nach Jahren der Funkstille – ganz ohne aufzurechnen. "Bei Freunden ist man oft nicht so selbstlos und nachsichtig wie bei Verwandten", sagt die Psychologin. "Aber das kann man ändern – mit einem Pakt, der Freunde zur Wahlfamilie erklärt." Das habe ich – Oma sei dank – bereits vor Jahren getan mit meinen drei Seelenfreundinnen. Seitdem irritieren und enttäuschen wir einander zwar nicht weniger, aber in einer Sache sind wir uns mehr als sicher: Wir lieben einander.

Die 6 Beziehungsprinzipien nach Ulrike Scheuermann:

1. Helfen hilft
Gegenseitige Unterstützung stärkt die Beziehung. Auch leben Menschen, die soziale Unterstützung erfahren, nicht nur länger, sie sind auch glücklicher.

2. Empathie
Durch sie fühlen wir uns verstanden und wertgeschätzt. Sie ist die Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen.

3. Rein in die Emotionen
Liebe ist eine tiefe Emotion, die uns mit Kraft zueinander hinzieht und uns vieles tun lässt, was Verbindungen stärkt, vertieft und uns zum Erblühen bringt.

4. Voneinander lernen
Indem wir uns einem anderen gegenüber öffnen, setzen wir uns mit uns selbst auseinander, erkennen und reflektieren uns, wodurch wir uns als Mensch weiterentwickeln.

5. Entspannte Zeit
Einfach zusammen sein des Zusammenseins wegen – ohne eine bestimmte Absicht oder einen Plan zu verfolgen.

6. Nähe
Kein Emoji kann eine Umarmung ersetzen. Es ist wissenschaftlich belegt: Berührungen machen gesund und glücklich.

Hier können Sie die 6 Beziehungsprinzipien downloaden.

Das macht einen guten Freund aus*

Für 63%
... dass er für einen da ist, wenn man ihn braucht

Für 62%
... dass man ehrlich zueinander ist

Für 48%
... dass man sich gegenseitig Geheimnisse anvertrauen kann

*Online-Umfrage von YouGov in Kooperation mit dem SINUS-Institut, 2022

Ulrike Scheuermann, Diplom-Psychologin 

Frau Ulrike Scheuermann im Portrait

Seit über 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, verbunden mit sich selbst und anderen zu leben und damit gesünder, zufriedener und emotional ausgeglichener zu sein. In ihrem neuesten Buch "Freunde machen gesund" gibt die Diplom-Psychologin und Emotionscoachin viele praktische Tipps: Dank Übungen, Arbeitsmaterialien, Videos und Audiodateien, die Du auch unter freunde-machen-gesund.de findest, lassen sich all die gewonnenen Erkenntnisse gleich umsetzen.

Buch-Tipp
„Warum wir Freunde brauchen“ Ulrike Scheuermann: „Freunde machen gesund“, Knaur Balance, 288 Seiten, 20 Euro

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