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Wie wir zuversichtlich und optimistisch sein können

Eine Person mit langen Haaren und Hut steht in einer sonnigen Landschaft, ihr Gesicht ist unscharf, während die Sonne hinter ihr scheint, auf der rechten Seite des Bildes steht in einem lila Feld der Text Zuversichtlich sein.

Wenn wir neue Perspektiven finden und mit Zuversicht in die Zukunft schauen, erweitern wir unseren Horizont. ¹⁾

Inspirationsthema über Zuversicht mit den Expertinnen Dr. Katharina Roos und Vera Starker

In einer Welt voller Herausforderungen und Unsicherheiten ist Zuversicht ein wertvolles Gut. Warum gelingt es einigen Menschen, positiv in die Zukunft zu blicken, während andere zweifeln und pessimistisch sind?

Wohnraum wird immer teurer, einige Lebensmittel kosten fast doppelt so viel wie vor ein paar Jahren. Das sind reale Probleme, die uns begegnen – und die ein Gegenmittel erfordern, damit wir vor lauter Sorge nicht zugrunde gehen. Optimismus? Der reicht leider oft nicht aus, denn wenn wir optimistisch sind, hoffen wir zwar auf das Beste, wir tun aber nicht viel dafür – wird schon, irgendwie. Hier kommt die Zuversicht ins Spiel. Sind wir zuversichtlich, dann finden wir Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven, wir packen unsere Zukunft selbst an und überlassen sie nicht dem Zufall. „Zuversicht wohnt eine gestalterische Kraft inne“, beschreibt Wirtschaftspsychologin Vera Starker, „man könnte auch sagen: Wir haben ein Problem, und wir haben einen Plan.“

Von chronischen Nörglern

Um überhaupt einen Plan entwickeln zu können, müssen wir uns bewusst machen, welchen Einfluss bestimmte Umstände auf uns nehmen. Ist es eine Freundschaft, die uns mehr Energie raubt, als sie uns gibt? Oder sind es die zahlreichen Pushmitteilungen der Nachrichten-Apps, die eine Tragödie nach der nächsten verkünden? Fühlen Sie mal in sich hinein: Was macht das mit Ihrer Stimmung, mit Ihrem Körper? Begegnen Sie einer negativen Aussage, können Sie sich Folgendes vor Augen führen: Es handelt sich zunächst einmal nur um reine Information, eine Aneinander-
reihung von Wörtern. Wie Sie Aussagen diese bewerten, können Sie entscheiden. Das sorgt dafür, dass Sie innerlich deeskalieren. „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Handlungsspielraum. Wir können dann innehalten und entscheiden, wie wir auf den Reiz reagieren“, so Vera Starker. Das will gelernt sein und erfordert Übung. „Wir möchten, dass alles sofort umsetzbar ist und gelingt, was wir uns vornehmen. Aber Reflexion erfordert Zeit“, ergänzt Pädagogin Katharina Roos.

Eine Frage der Einstellung

Nun gibt es aber Menschen, die von Grund auf zuversichtlicher sind als andere. Woran das liegt?

„Unser Gehirn blickt bei Krisen in den Rückspiegel“, sagt Vera Starker. „Hier kommt es dann auf die Antifragilität an.“ Antifragilität – dieser Begriff beschreibt den Zustand, nach einer Krise mit neuen Stärken weiterzumachen. Wenn wir also wissen, dass wir in der Vergangenheit schon drei große Herausforderungen überwunden haben, dann können wir der vierten auch noch entgegentreten. Manchen Menschen gelingt das besser als anderen. „Der zweite Aspekt sind Gruppen- und Beziehungsdynamiken. Wie schnell lassen Sie sich beispielsweise zu negativen Gedanken durch andere Personen verleiten?“, fragt Vera Starker. Da wären wir wieder bei der Freundschaft, die uns Energie raubt und uns negativ stimmt.

Wie aber gelingt es uns, unsere Aufmerksamkeit vom Negativen auf die Punkte zu lenken, die wir verändern können?

„Wenn wir zuversichtlich sind, erleben wir unsere Zeit viel schöner, es ergeben sich mehr Perspektiven.“

Erleuchtet: das Prinzip der Taschenlampe

Unseren Fokus können wir mit dem Lichtkegel einer Taschenlampe vergleichen. Wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken – welche Stellen wir also mit unserer inneren Taschenlampe anleuchten –, entscheidet darüber, wie wir uns fühlen und wie wir physiologisch reagieren. Schenken wir nur den Aspekten Aufmerksamkeit, die uns ärgern, befinden wir uns in einer Abwärtsspirale.
„Leuchten wir dagegen ganz gezielt das Positive aus, entstehen automatisch mehr Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten“, sagt Katharina Roos. Der Freundin kann man Optionen aufzeigen, andere Blickwinkel, die sie in ihrer eigenen Abwärtsspirale gar nicht mehr wahrnimmt. Das macht Zuversicht zu einer Eigenschaft, die heutzutage unverzichtbar ist – insbesondere, wenn wir an die Flut aktueller Geschehnisse denken.

War früher alles besser?

Blickt man 20 Jahre zurück, so war die Welt doch eigentlich ganz in Ordnung. Natürlich, Kriege und Krisen gab es schon immer. „Aktuell treten aber sogenannte Stapelkrisen auf, also viele Krisen gleichzeitig und nicht ab und zu hintereinander. Dazu bedingen sich die Krisen gegenseitig und stehen in Wechselwirkung zueinander“, sagt Vera Starker. Beschreiben lässt sich das mit dem VUCA-Akronym, das Merkmale beschreibt, die für Unsicherheit sorgen: Volatilität, also das Schwankungsverhalten (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity) und Ambiguität, die Mehrdeutigkeit (ambiguity). Besonders Unplanbarkeit und Unsicherheit belasten uns. „Unser Gehirn möchte immer vorhersehen, was als Nächstes passiert. Wenn das nicht geht, greift es auf Stereotypen und Altbekanntes zurück“, sagt Vera Starker. Ein Grund dafür, warum wir anfällig für sogenannte Retrodynamiken sind. Der Gedanke an einen ursprünglichen Zustand und ein nostalgisches Lebensgefühl gibt unserem Gehirn vermeintliche Sicherheit. „Doch es geht um Lebenswelten, die bereits vergangen sind. Es ist viel hilfreicher, in die Zukunft zu blicken und sich mit den bestehenden Problemen auseinanderzusetzen“, so Vera Starker. „Wir können die Ärmel hochkrempeln und lernen, damit umzugehen.“

Zu zuversichtlich – geht das überhaupt?

Nun mögen einige denken: Bei aller Zuversicht muss man doch auch realistisch bleiben. Mit rosaroter Brille und falscher Hoffnung ist uns auch nicht geholfen. Aber geht das überhaupt, zu viel Zuversicht? Nein, findet Katharina Roos: „Zuversicht ist nicht steigerbar, es ist ein klarer Blick, der sich mit den bestehenden Gegebenheiten auseinandersetzt. Alles andere ist Illusion. Dann leben Menschen in einer bestimmten Blase und machen sich etwas vor.“ Zuversicht ist also die bestmögliche Version unserer Voraussicht. Doch bewirkt das eigene Handeln überhaupt etwas, wenn alle anderen sowieso nicht daran glauben und pessimistisch gestimmt sind? Was bringt es, wenn ich meinen eigenen Vorgarten umgrabe und Blumen für die Bienen pflanze, aber keiner aus der Nachbarschaft mitmacht? Vera Starker findet klare Worte: „Jede Biene im Vorgarten zählt. Und das allein wirkt sich schon auf mein persönliches Wohlbefinden und positiv auf mein Gehirn aus. Wir lassen uns so schnell verunsichern und desillusionieren. Am Ende haben wir nichts davon, wenn wir einer Krise mit Resignation oder Trotzhaltung begegnen.“

Eine Prise Egoismus

Wenn unser Gehirn Gefahr wahrnimmt, verengt sich unsere Wahrnehmung und wir sehen dann keine Handlungsmöglichkeiten mehr. Sind wir aber zuversichtlich, werden wir kreativer, wir finden Lösungsmöglichkeiten und nehmen Haltungen ein, die zuvor nicht möglich gewesen wären. Außerdem gehen wir achtsamer mit uns selbst um. „Es gehört dazu, Dinge auszuhalten, aber wir müssen nicht zwingend mitleiden“, sagt Katharina Roos. „Das hat nichts mit unempathischem Handeln zu tun. Ab einem gewissen Punkt müssen wir uns selbst schützen, sonst resultieren daraus irgendwann psychische Erkrankungen.“

Der Selbstschutz bringt Vorteile: Wir erarbeiten uns dadurch eine Situation, in der wir offen sind für Veränderungen. Genau diesen Gestaltungsspielraum braucht unsere Gesellschaft. Vera Starker findet:
„Wenn ich mir selbst nicht zuerst helfe, kann ich auch keinem anderen mehr helfen. Denn dann befinde ich mich in meiner eigenen Abwärtsspirale und kann mich nicht mit den Sorgen und Perspektiven anderer befassen. Habe ich den Fokus auf mir, dann kann ich gestalten. Das ist wichtig, denn wenn das nicht gelingt, werde ich gestaltet.“

„Wir können uns auf den Aspekt fokussieren, der den größten Einflussbereich bietet.“

Dr. Katharina Roos

Buchcover von XY

Pädagogin und systemischer Coach © Esther Neuman

Die promovierte Pädagogin ist führende Expertin für kollaborative Mitarbeiterbefragungen und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Netzwert Partner GmbH. Als Bürgerrätin für Bildung und Lernen setzt sie sich öffentlich für eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft ein.

Vera Starker

Buchcover von XY

Wirtschaftspsychologin, Senior Coach und Rechtsanwältin © Rainer Störmann

Sie hat den Berliner Think Tank Next Work Innovation mitgegründet, der zu Themen rund um New Work forscht und berät. Als Coach begleitet sie Führungskräfte namhafter Unternehmen, als Autorin befasst sie sich mit Entwicklungschancen von Arbeit.

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