Konzentriert den Fokus behalten
Wir haben 4 Tipps, wie man konzentriert arbeiten + den Fokus behalten kann. © Plainpicture; Willing Holtz
Inspirationsthema mit Coach Lena Wittneben
Die Welt ist voller Eindrücke. Unser Gehirn hat in unserer Entwicklungsgeschichte einigermaßen gelernt, das wirklich Wichtige herauszufiltern. Der Info-Overload heute stellt es vor neue Herausforderungen. Wie wir auch im digitalen Dauerrauschen unseren Fokus behalten.
Es klingt vernünftig und so einfach: Eine Sache machen, sich mit einer kurzen – am besten aktiven – Pause belohnen und dann weiter im Text. Wäre da nicht das „Pling“, mit dem sich eine Nachricht auf dem Messenger ankündigt, die Mails, in denen über das Geburtstagsgeschenk für den Kollegen beraten wird, ein Telefonanruf, und die Bahnverbindung für die nächste Dienstreise wollten wir ja auch noch kurz buchen ...
Die US-Psychologin Gloria Mark (Buch: Attention Span by Gloria Mark – HarperCollins Publishers UK) fand heraus, dass Menschen am Computer oder Smartphone alle 47 Sekunden die App oder Website wechseln. Dabei reagieren wir nicht einmal immer auf äußere Einflüsse: Selbst wer eigentlich ungestört arbeiten könnte, unterbricht seine Aufgabe nach kürzester Zeit, um etwa seine E-Mails zu checken. Und die Anfälligkeit für Ablenkung endet nicht nach Feierabend: Oder wann haben Sie zuletzt einen Film geschaut, bei dem Sie nicht noch nebenbei gechattet oder kurz durch den Social Media Feed gescrollt sind?
Die Geschäftigkeit, mit der wir alles abarbeiten, was reinkommt, mag sich im Moment gut anfühlen. Doch das, was wir eigentlich machen wollten, ist im Klein-Klein liegengeblieben. Den nächsten Tag starten wir mit einer noch längeren To-do-Liste. Dem begegnet Lena Wittneben als systemische Coachin. Sie berät Menschen, die sich überfordert, fremdbestimmt und dadurch gestresst fühlen. Auch wenn die Gedächtnistrainerin viele Tipps und Methoden im Koffer hat, bietet sie diese nicht als alleinige Lösung an. „Zeitmanagement-Methoden und Produktivitäts-Tools sind wie Diätvorschriften – sie wirken kurzfristig, aber bald verfallen wir in alte Muster. Nachhaltige Veränderungen erreichen wir nur, wenn wir unser Verhalten verstehen und bewusst ändern wollen.“
Mit dem Impuls, der uns in bestimmten Situationen zur Chipstüte greifen lässt, oder dem Bauchgefühl, das sich nach einer warmen Mahlzeit einstellt, haben sich viele schon beschäftigt. Verglichen mit dem Mega-Thema Ernährung sind Aufmerksamkeit und Konzentration unterbelichtet. Dabei ist Aufmerksamkeit eine unserer wichtigsten Ressourcen.
Konzentriert sein, aufmerksam sein – das ist endlich
Das Englische klebt der Aufmerksamkeit mit der Formulierung „to pay attention“ ein Preisschild an und das „Schenken“ der Aufmerksamkeit im Deutschen verdeutlicht, wie kostbar sie ist und dass es auch unsere Entscheidung sein sollte, welcher Sache wir sie zuteilwerden lassen. Denn Aufmerksamkeit ist endlich. Nach einer Klausur in der Schule, einem zweistündigen Video-Meeting oder dem Verfassen heikler E-Mails fühlen wir uns zurecht erschöpft.
Besonders anstrengend fürs Gehirn ist Multitasking
„Unser Gehirn liebt Mono-Fokus, übrigens auch das von Frauen“, sagt Lena Wittneben. „Zwei Dinge gleichzeitig zu machen, das geht nur, wenn sie unterschiedliche Sinne beanspruchen, etwa bügeln und einen Podcast hören.“ Wer aber beispielsweise während einer Videokonferenz nebenbei noch Mails beantwortet, switcht immer wieder zwischen zwei Aufgaben hin und her. Auch sonst ist die Arbeit heutiger Büromenschen aufgeteilt in viele Häppchen. Die Psychologin Gloria Mark fand in ihren Studien heraus, dass sich an eine Unterbrechung weitere anschließen und im Durchschnitt Minuten vergehen, bis man zum ursprünglichen Projekt zurückkehrt. Beim ständigen Wechsel muss das Gehirn die jeweilige Aufgabe immer wieder neu abrufen. Die Psychologin vergleicht es mit einer Tafel, auf der wir etwas abwischen, neu schreiben, wieder abwischen – irgendwann ist die Tafel dann schlierig und die Schrift schwer zu lesen.
Zeit zum Eintauchen
Ein Job, in dem einen nichts und niemand unterbricht – heute völlig illusorisch. Umso wichtiger ist es, sich mindestens eine „Deep-Work-Insel“ einzurichten. Lena Wittneben rät: „Widmen Sie sich 90 bis 120 Minuten einer Gehirnschmalz-Aufgabe. Legen Sie diese möglichst auf die Zeit, in der Sie natürlicherweise ein Leistungshoch haben – bei vielen ist das am Vormittag. Bei sogenannten Eulen kann es aber auch der späte Nachmittag sein.“ Das E-Mail-Programm zu schließen, das Smartphone stumm zu schalten und am besten aus dem Blickfeld zu legen kann die Konzentration fördern. Aber wahrscheinlich werden Sie trotzdem den Wunsch verspüren, mal kurz auf Social Media vorbeizuschauen oder Mails zu checken …
Lena Wittneben empfiehlt achtsame Selbstbeobachtung: „Oft hilft es, kurz innezuhalten und sich zu fragen: Bin ich gerade gelangweilt oder überfordert? Wer oder was kann mir helfen, bei der Aufgabe weiterzukommen?“ Klingt zu vernünftig? Instagram oder Candy Crush haben auch für die systemische Coachin ihre Berechtigung – als eine Art Kaffeepause fürs Gehirn. Um ihrem Suchtpotenzial zu entgehen, braucht es nur eine gute Exit-Strategie: Am besten legt man die Just-for-fun-Internet-Einheiten zehn Minuten vor einen Videocall oder die Mittagspause mit Kollegen.
Prio- statt To-do-Listen
Mit der Ressource Aufmerksamkeit geschickt umzugehen bedeutet zum einen, sie nicht zu verschwenden, und beispielsweise eine Phase, in der man frisch und energiegeladen ist, auf Newsletter und (nicht dringliche) Mails zu vergeuden. Zum anderen heißt es aber auch, seine Konzentrationsfähigkeit nicht zu überschätzen und die Erwartung zu haben, mit genug Selbstdisziplin acht Stunden durchzupowern. Das geht vor einer Deadline oder dem letzten Tag vor dem Urlaub, bedeutet langfristig aber Stress, der wiederum unsere Leistungsfähigkeit mindert. Deep-Work-Inseln, maximal zwei am Tag, dürfen umspült sein von weniger fordernden Routine-Tätigkeiten und echten Pausen. „Lange To-do-Listen sind zwar ideal als Gedächtnisstütze, aber viel wichtiger ist, jeden Tag mit einer Top-3-Liste zu starten“, empfiehlt Lena Wittneben. „Schreiben Sie am Vorabend die drei Aufgaben auf, die Sie auf jeden Fall erledigen wollen. Das hilft, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und am Ende des Arbeitstages mit gutem Gewissen ins Privatleben gehen zu können.“
Tipps und Tricks von Lena Wittneben:
Pomodorotechnik
Eine Methode, Deep-Work-Phasen durchzuhalten, hat der Italiener Francesco Cirillo entwickelt: Er stellte einen Küchenwecker in Form einer Tomate (daher der Name) auf 25 Minuten, um sich für diese Zeit störungsfrei einer Sache zu widmen. Dann folgen fünf Minuten Pause – das hilft auch, dem Impuls in der restlichen Zeit zu widerstehen. Mit viermal 25 Konzentrations-Minuten plus Pausen kommen Sie dann auf eine lange Fokus-Zeit.
Rechtzeitig Pause machen
Eine etwa viertelstündige Pause sollte einen Kontrast zur Bildschirmarbeit schaffen: Am besten ist, einen Mini-Spaziergang zu machen oder zumindest aufzustehen, sich zu recken und ein paar Lockerungsübungen zu machen. Aber auch Lieblingssongs zu hören und aus dem Fenster zu blicken oder ein paar Seiten im Krimi weiterzulesen, hilft, sich geistig zu erfrischen.
Konzentration statt Kopfkino auf dem Weg zu einem wichtigen Termin?
Synchronisieren Sie Ihre Atmung mit Ihren Schritten, um mehr im Moment zu sein:
Atmen Sie viermal und vier Schritte durch die Nase ein, atmen Sie viermal und vier Schritte durch die Nase aus.
In einer zu lauten Umgebung lässt sich schwer arbeiten, aber auch absolute Stille ist für viele nicht ideal. Die perfekte akustische Kulisse für konzentriertes Arbeiten liegt bei 70 Dezibel – die bieten ruhige Musik, Naturklänge oder Café-Ambiente. Letztere gibt es auch als App oder Playlist.
Hand aufs Herz
Fragen, die Lena Wittneben zur Reflexion über Aufmerksamkeit und Arbeit empfiehlt:
Wo unterstützen mich digitale Angebote und wo stressen sie mich? Von welchen „Zeitfresser-Apps“ ohne Mehrwert will ich mich trennen? Wo und wie kann ich Offline-Räume für mich schaffen?
Wobei vergeude ich Zeit und wo kann ich Zeiteinheiten bewusst verknappen, um Aufgaben zügiger zu erledigen?
Was muss passieren, damit Pausen dieselbe Priorität bekommen wie Termine?
Warum glaube ich, jede E-Mail sofort beantworten zu müssen? Warum denke ich, dass ich immer erreichbar sein muss?
Lena Wittneben: systemische Coachin und Gedächtnistrainerin
© Mike Schäfer
Dank zahlreicher Ausbildungen und verschiedener Jobs – in Festanstellung und Freiberuflichkeit, im Konzern, Mittelstand, Start-up und als Gründerin – kennt Lena Wittneben in der Arbeitswelt die unterschiedlichsten Herausforderungen. Aus gesundheitlichen Gründen entschied sich die Hamburgerin 2009/2010, aus dem Angestellten-Leben als Medienfachwirtin in die Freiberuflichkeit zu starten. Heute arbeitet sie als systemische Coachin und Prozessbegleiterin, Gedächtnistrainerin, psychische Ersthelferin (MHFA), freie Autorin und Moderatorin. Das übergeordnete „Wozu“, das die 47-Jährige bei ihren verschiedenen Tätigkeiten leitet: echte Begegnungen und Verbindungen zu erschaffen und Menschen auf motivierende Art und Weise dabei zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Info: lena-wittneben.de
* Für die Teilnahme ist die dm-App sowie ein dm-Kundenkonto erforderlich.
