Ein starkes Team für Minis und Mamas

Mit HALLOHEBAMME wollten wir eine Anlaufstelle schaffen für alle, die keine Hebamme gefunden haben", sagt Hebamme Marie Kuon (rechts, mit Anja Stern). © Boris Breuer
Interview mit den Hebammen Anja Stern und Marie Kuon
Eine beliebte Webseite, eine Produktlinie und jede Menge Follower auf Social Media … Als Anja Stern und Marie Kuon den Hebammenberuf wählten, haben sie mit all dem nicht gerechnet. alverde hat sich mit dem Hebammenduo HalloHebamme unterhalten – übers Hebammesein in der digitalen Welt, echte Kreißsäle und Mutterschaft.
alverde: Warum sind Sie Hebammen geworden?
Marie: Nach dem Abi habe ich gesagt, ich werde Geheimagentin oder Hebamme. Die Geheimagentin war dann doch mit der Familie nicht so gut vereinbar … lacht Mein Wunsch, Hebamme zu werden, ist aber noch viel älter. Im Poesiealbum meiner Schwester, das meine Mutter mit mir zusammen ausgefüllt hat, stand als Berufswunsch schon Hebamme – da war ich zweieinhalb. Auch die ersten Schulpraktika habe ich im Kreißsaal gemacht.
Anja: Ich hatte den Beruf erst gar nicht auf dem Schirm und wollte Medizin studieren. Auf Anraten meiner Eltern habe ich zunächst eine Ausbildung in einer chirurgischen Praxis gemacht, um zu gucken, ob das Medizinstudium was für mich ist – war es nicht. Ich wollte aber im medizinischen Bereich bleiben und eigenverantwortlich arbeiten. So stieß ich auf das Berufsbild Hebamme.
alverde: Wie kam es zu Ihrem digitalen Projekt HalloHebamme?
Marie: Es gab einen Schlüsselmoment auf einer Fortbildung 2019. Bei uns allen klingelte ständig das Handy, weil wir von werdenden Müttern wegen Wochenbettbetreuungen angefragt wurden. Keiner hatte Kapazitäten, und wir haben am laufenden Band Absagen erteilt. Da waren wir frustriert, weil uns klar war, dass diese Familien vielleicht gar keine Hebamme finden. Dabei hat man doch vor allem beim ersten Kind so viele Fragen. Im Internet musste man sich damals Informationen mühselig zusammensuchen und korrekt waren sie auch nicht immer. Mit HalloHebamme wollten wir eine Anlaufstelle schaffen für alle, die keine Hebamme gefunden haben – eine Anlaufstelle mit wichtigen und richtigen Informationen, um gut durchs Wochenbett zu kommen.
alverde: In der Wochenbettbetreuung sind Sie den Familien sehr nah. Entsteht Nähe auch in der digitalen Welt?
Marie: Ja, schon, wenn auch auf eine ganz andere Art als bei der Wochenbettbetreuung, wo wir als Hebammen sozusagen in der Bettritze sitzen. Ich glaube, dass wir den Müttern, die bei Instagram unsere Tage verfolgen, schon recht vertraut sind. Ich merke das an den Reaktionen, wenn Frauen mich etwa beim Einkaufen ganz unbefangen ansprechen. Dann heißt es: „Du bist doch Marie von HalloHebamme. Ich habe das Gefühl, Ihr begleitet mich so durch den Tag.“ Ich mag es, bei diesen zufälligen Treffen mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, wer das ist, der uns folgt.
Anja: Ich denke, Sicherheit und Halt vermittelt HalloHebamme durchaus: Manchmal schreiben Frauen uns, dass sie sich durch die Informationen, die wir zur Verfügung stellen, gut aufgehoben fühlen. Es ist sowieso bemerkenswert, wie sehr sich manche Menschen öffnen, wenn sie uns über die sozialen Medien oder per Mail kontaktieren. Für den einen oder anderen ist Distanz vielleicht auch hilfreich.
alverde: Werden Sie im Kreißsaal erkannt und sprechen Frauen Sie gezielt auf die Wochenbettbetreuung an, weil sie Sie von HalloHebamme kennen?
Anja: Es kommt häufiger vor, dass Mütter oder Väter mich nach der Geburt fragen, ob sie mich etwa von TikTok kennen. Ein Running Gag ist: Die Tür geht auf und dann sagt jemand „Hallo Hebamme!“ Und Anfragen für die Wochenbettbetreuung kommen wegen unserer digitalen Präsenz auch viele.
alverde: Ein Baby stellt das Leben auf den Kopf. Viele Mütter fühlen sich unvorbereitet trotz Beratung, Kursen und Lektüre. Sie sind beide Mütter. Wie hat es sich für Sie als Hebammen angefühlt, Mutter zu werden?
Anja: Ich konnte vieles, was mich erwartet, schon realistisch einschätzen. Ich kannte mich natürlich aus mit Rückbildung und Milcheinschuss. Anders war es mit den Emotionen, die da reinspielen. Ich glaube, aufs Mutterwerden kann einen keine Ausbildung der Welt vorbereiten. Und wie anstrengend schlaflose Nächte sein können!
Marie: Ich bin sehr dankbar, Mama zu sein. Meine Tochter aufwachsen zu sehen, erfüllt mich mit Stolz und Liebe. Das Reinschlüpfen in die Mutterrolle kann aber auch für Hebammen eine Herausforderung sein. Zumal alle Kinder unterschiedlich sind, und so wie mein Kind ist, ist kein anderes.

Anja Stern wird in der Klinik gerne mal mit „Hallo Hebamme!“ begrüßt. © Boris Breuer
alverde: Gibt es Ratschläge, die Sie aus Ihrer eigenen Mutterschaft mitgenommen haben, die Sie jetzt auch den Familien an die Hand geben, die Sie betreuen?
Anja: Natürlich geben wir mal Tipps, die uns auch geholfen haben. Allerdings muss man sich klarmachen, dass wir die Familien nur begleiten. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen, wie das laufen soll. Unsere eigene Meinung oder was für uns gut war, muss nicht für die Familien passen. Da muss man sich auch zurückhalten.
alverde: Frauen haben viele Möglichkeiten, sich rund ums Kinderkriegen zu informieren. Gibt es Themen oder Bereiche, die dennoch nicht ausreichend im Fokus stehen?
Anja: Ich habe den Eindruck, dass viele nur bis zum Zeitpunkt der Geburt denken, aber sich kaum mit der Zeit danach beschäftigen und dann teilweise sehr überrascht sind. Wie oft haben wir die Situation, dass eine frischgebackene Mama erschrickt, wenn der Wochenfluss einsetzt, und wir sie dann zum Glück beruhigen können, dass das ganz normal ist. Es gibt schon noch Tabuthemen rund ums Wochenbett und Themen, über die nicht alle Frauen gut aufgeklärt sind.
alverde: Kann man als werdende Eltern überinformiert sein? Machen zu viele Informationen unentspannt?
Marie: Grundsätzlich sind fundierte Informationen eine gute Sache: Wenn ich informiert bin, kann ich mich vorbereiten und vorher überlegen, wie ich mit Herausforderungen, die auf mich zukommen, umgehen möchte. Das gibt ja auch Sicherheit. Manche Familien, die sehr gut informiert sind, schmieden aber so unverrückbare Pläne, dass es ihnen schwerfällt, davon abzuweichen. Dass ein Plan nicht aufgeht wie gedacht, kann einfach vorkommen. Ich sehe darin unsere Aufgabe als Hebammen, schon in den Vorgesprächen während der Schwangerschaft zu besprechen: Wie kann ein Plan aussehen? Und was machen wir, wenn es anders kommt?
alverde: Wir spielen jetzt mal Wunschkonzert: Welche Betreuung von Frauen durch ihre Hebammen wäre optimal?
Anja: Das Wichtigste ist, dass eine 1:1-Betreuung bei der Geburt möglich ist. Damit wir die Frauen in dieser so prägenden Situation gut begleiten und unterstützen können. Die derzeitigen Strukturen in der klinischen Geburtshilfe lassen dies jedoch häufig nicht zu. Das muss sich dringend ändern.
Marie: Vor, während und nach der Geburt haben Familien gesetzlich Anspruch auf Hebammenhilfe: Es sollte selbstverständlich sein, dass sie die bekommen und auch Wahlmöglichkeiten haben. Es geht ja nicht nur darum, eine Hebamme zu finden, sondern auch eine, die gut zu einem passt.
Marie Kuon findet es bei der Wochenbettbetreuung spannend, wie Familien allmählich zusammenwachsen. © Boris Breuer
Hebammenduo: HalloHebamme
Seit elf beziehungsweise acht Jahren arbeiten Anja Stern und Marie Kuon als Hebammen im Kreißsaal und in der Wochenbettbetreuung: „Der Beruf ist toll. Traurig nur, dass wir so vielen werdenden Müttern absagen müssen, weil es so viele Anfragen gibt und wir so wenige Hebammen sind“, sagt Marie Kuon.
Um den Hebammenmangel abzufedern, teilen sie seit 2019 digital ihre Tipps auf hallohebamme.de und den sozialen Medien. Im dm-Familienprogramm gestalten sie den Podcast Geburtskanal. Außerdem gibt es seit September die Produkte von HalloHebamme mit und bei dm. Übrigens: Beide kennen das Muttersein aus erster Hand und haben je eine Tochter.
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