HauptnavigationKategorienavigationHauptinhalt

In neuen Gewässern

Benno Fürmann im Potrait

Auf in neue Gewässer: Benno Fürmann ist Schauspieler und hat jetzt auch ein Hörspiel gemacht. © David Maupilé

Interview mit Benno Fürmann

Keine Lust auf Nummer sicher: Benno Fürmann ist ans Eingemachte gegangen. Dadurch haben sich für ihn auch beruflich neue Türen geöffnet. 

Die Bräune in seinem Gesicht stammt von einem spätsommerlichen Segeltörn auf der Ostsee. Benno Fürmann hat dort eine Umwelt-Reportage gedreht und erzählt begeistert von seinen Gesprächen mit der Meeresbiologin Antje Boetius und der Transformationsforscherin Maja Göpel. Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit treiben den Schauspieler um. Auch optisch passt der 52-Jährige gut auf ein Boot – mit blauer Wollmütze und Jeans. Beide sind aus seinem privaten Fundus. Ein so unabhängiger Mann wie Benno Fürmann verlässt sich nicht vollständig auf die Auswahl des Stylisten. 

alverde: Sie haben vor eineinhalb Jahren das Buch „Unter Bäumen“ veröffentlicht, in dem Sie sehr offen über das geschrieben haben, was Sie geprägt hat und was Sie bewegt. Merken Sie, dass Sie seitdem anders wahrgenommen werden? 

Benno Fürmann: Ich führe andere Gespräche, ich bekomme Briefe, in denen Menschen, angeregt durch mein Buch, Fragen stellen – an mich und an die Welt. Als ich das Manuskript meiner Agentin gab, meinte sie: „Jetzt teilst Du der Öffentlichkeit alles mit, was wir 20 Jahre erfolgreich rausgehalten haben.“ Aber mit 50 hat mich dieses „Bis hierher und nicht weiter!“ gelangweilt. Schließlich sind wir alle miteinander verbunden, beispielsweise durch die Herausforderungen des Klimawandels, Krieg oder Inflation. Ich habe Lust, mich darüber mit anderen Menschen auszutauschen. Unsere Gesellschaft krankt daran, dass sich zu viele Menschen ins Privatleben zurückziehen und von der Politik erwarten, dass sie die Dinge richtet. 

alverde: Sie zeigen sich in Ihrem Buch als Suchender. Haben sich in der Zwischenzeit mehr Fragen aufgetan oder sind auch ein paar Antworten hinzugekommen? 

Benno Fürmann: Beides – das zeigte sich auch bei meiner Dokumentation über die Zukunft der Ostsee. Dass wir nicht so weitermachen können wie bisher, ist wohl allen klar, denn dann liegt der jetzt schon geringe Fischbestand bald bei null. Die Antworten, wie die Lösungen aussehen können, fallen anders aus, je nachdem, ob ich mit Naturschützern, Meeresbiologinnen oder Fischern gesprochen habe. Aber was ich ermutigend fand, ist, dass die Menschen Ideen haben und Zuversicht. Das macht mir wieder Hoffnung, dass wir es doch noch gemeinsam hinkriegen, unsere Umwelt zu bewahren – ob im Meer oder an Land. Das erfordert allerdings ein fundamentales Umdenken von uns allen. 

Benno Fürmann im Potrait

Die Zeiten seien vorbei, dass jeder ohne Problembewusstsein alles tun kann. © David Maupilé

alverde: Stichwort Umdenken: In Ihrem Buch thematisieren Sie den Beitrag Ihres eigenen Lebensstils zur Umweltbelastung, aber stehen zu Ihrer Freude an Fernreisen. Ist das für Sie ein unauflösbares Dilemma? 

Benno Fürmann: Für den Planeten wäre es am allerbesten, wenn ich überhaupt nicht mehr fliege, kein Fleisch esse und eine einzige Hose trage, bis sie bis auf den letzten Faden zerschlissen ist. An diesem Punkt bin ich nicht, aber ich habe mich in sämtlichen Bereichen verbessert. Ich wäge ganz anders ab als mit 20, bevor ich eine Reise antrete. Ich frage mich: Was bedeutet die Reise für mich, was für andere Menschen, was für die Umwelt? Mit dem Flugzeug kommt man schnell überall hin. Aber ich finde, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man das ohne Problembewusstsein jederzeit tun sollte. Viele Sachen sind erlaubt, aber trotzdem nicht okay. 

alverde: Sie setzen auf Einsicht und Lernprozesse statt (Selbst-)Verbote? 

Benno Fürmann: Auf beides. Aber letztendlich macht es mir Spaß zu versuchen, ein zukunftsfähiger Mann zu sein, der um die Zeichen der Zeit weiß und seinen individuellen Weg finden will. Das hat für mich einen größeren Reiz als mir zu sagen: Ich darf dieses nicht mehr und jenes erst recht nicht. Und ich glaube, auch für uns als Gesellschaft wäre es stimulierend, auf positive Nachrichten hinzuarbeiten: Wie toll wäre es denn, zu lesen, dass die Meere sauberer sind, als sie vor fünf Jahren noch waren? Oder dass CO₂ in einem relevanten Ausmaß gebunden ist? Das motiviert doch mehr als zu sagen: „Alle Zeichen stehen auf Absturz.“ 

alverde: Im Audible-Hörspiel „Als das Böse kam“ spielen Sie einen Mann, der mit seiner Familie isoliert im Wald lebt. Konnten Sie für die Rolle an Ihre Erfahrungen mit Reisen in entlegene Gebiete anknüpfen? 

Benno Fürmann: Bei meiner längsten Solo-Reise war ich sieben Wochen unterwegs. Jahrelang in der Abgeschiedenheit zu verbringen – ich weiß nicht, wie ich damit umgehen würde. Ich kann gut allein sein, aber das liegt vielleicht auch daran, dass ich immer wusste, dass ich meine Leute in ein paar Wochen wiedersehe. Das Spannende an dem Hörspiel ist, dass die Hauptfigur, die Teenager-Tochter, ihre Wahrnehmung nicht mit Freunden abgleichen kann. Ihre Eltern haben ihr erzählt, dass die Welt böse ist und sie sich verstecken müssen. Jetzt bekommt sie Zweifel, aber sie kann eben nicht ihre Freunde fragen: „Vertraut Ihr Eurer Mutter? Glaubt Ihr alles, was Eure Eltern Euch erzählen?“ Das kenne ich auch von meinen Reisen: Wenn ich mit einem Freund unterwegs bin, gleiche ich die ganze Zeit unsere Wahrnehmungen ab. Dieser Realitätscheck fehlt, wenn man allein reist – das kann in zwielichtigen Situationen gruselig sein. 

alverde: Sie sind ein sehr körperlicher Schauspieler und mögen physische Herausforderungen. Wie war es für Sie, nur mit der Stimme zu arbeiten? 

Benno Fürmann: Ich finde es sehr reizvoll, eine Welt nur über Stimmen und Klänge zu erzählen, und der Rest findet in der Imagination des Hörers statt. Das Potenzial unserer Vorstellungskraft ist krasser, als es der extremste Film sein könnte. Wir haben uns schon Geschichten am Lagerfeuer erzählt, als noch kein Mensch an eine Theatervorstellung, geschweige denn an eine Filmleinwand, gedacht hat. Deshalb liebe ich es, mit meiner Stimme zu arbeiten. 

alverde: Ab Dezember sind Sie in der ZDF-Serie „Der Palast“ zu sehen, die in der Nachwendezeit spielt. Wie haben Sie als junger West-Berliner diese Zeit erlebt? 

Benno Fürmann: Ich erinnere mich an ein fulminantes Nachtleben. Auf einmal war meine Stadt doppelt so groß und wir feierten Partys in den Kellerräumen von irgendwelchen Gebäuden, die wir am nächsten Tag nie wiedergefunden hätten. Du konntest Dich durch ein Party-Eldorado treiben lassen. Und es war faszinierend, die Menschen von der anderen Seite kennenzulernen. Ich fand die Menschen aus dem Ostteil der Stadt wahnsinnig zugewandt, neugierig, offen und unkompliziert. Das ist meine erste Assoziation zur Nach-Wendezeit. Aber ich erinnere mich auch, dass kurze Zeit später die große Ernüchterung kam: Ja, wir sind eine Familie, aber bei komplett anderen Eltern aufgewachsen. 

alverde: Ihr Filmcharakter in „Der Palast“ klingt nach einem typischen „Besserwessi“. Wie differenziert ist die Figur angelegt? 

Benno Fürmann: Ich spiele einen Manager, der gut managen kann, aber den die Feinheiten des künstlerischen Organismus Friedrichstadt-Palast (Anm. d. Red.: berühmtes Showtheater in Ostberlin) überhaupt nicht interessieren. Und diese Konstellation gab es damals oft. Wenn ich es schlecht gemacht habe, denkt der Zuschauer: „Das Arschloch aus dem Westen.“ Wenn ich es gut gemacht habe, dann spürt man, dass auch dieser Mann in seinem System gefangen ist und Zwängen unterliegt. 

alverde: Obgleich Sie als Schauspieler immer gut beschäftigt waren, erleben Sie auch die Ungewissheit der Freiberuflichkeit. Ist die Angst, die Angebote könnten ausbleiben, über die Jahre kleiner geworden? 

Benno Fürmann: Im Gegenteil, es nervt mich viel mehr als früher, nicht zu wissen, wie das nächste Jahr aussieht. Vielleicht hat der Wunsch nach Verbindlichkeit auch in jüngeren Jahren in mir geschlummert, nur war mein Leben so schnell getaktet, dass ich mir kaum Gedanken übers Morgen gemacht habe. Größere Serienrollen habe ich bisher immer abgelehnt, weil ich die Projekte nicht interessant genug fand, um mich lange an sie zu binden. Vielleicht kommt irgendwann mal das Angebot in Form einer Figur, die ich interessant genug finde, meine Unabhängigkeit aufzugeben. 

Benno Fürmann

Nach der Mittleren Reife und einigen Jobs besuchte er 1992 die Schauspielschule in New York. Seit Mitte der 90er-Jahre ist er eine feste Größe in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft („Die Bubi-Scholz-Story“, „Nordwand“, „Babylon Berlin“). Seine aktuellen Projekte sind das Hörspiel „Als das Böse kam“ (exklusiv auf Audible), die ZDF-Serie „Der Palast“ (Mitte Dezember in der Mediathek und ab 6. Januar im regulären Fernsehprogramm). Seine Umwelt-Doku wird im Feiertagsprogramm der ARD (25. Dezember, 19.15 Uhr) ausgestrahlt.

Drei Dinge über Benno Fürmann

  1. Sein schönstes Weihnachtsgeschenk war ein Fahrrad (nachdem ihm zuvor das Rad seiner Stiefmutter gestohlen wurde).

  2. Er ist Fan des Schriftstellers Richard Ford. Als er vergangenes Jahr mit ihm eine Lesung veranstaltete, ging ein Traum in Erfüllung.

  3. Unverzichtbar im Morgenritual: die Tasse Tee.

Ende der Auflistung