Der Neue hat Feuer

Edin Hasanovic ist ein deutscher Schauspieler und Moderator. © Luise Blumstengel
Interview mit Schauspieler Edin Hasanovic
Sein Energielevel ist hoch, seine Gedanken sind tief: Im Interview spricht Schauspieler Edin Hasanovic über Cold Cases, Harmonie als Kraftquelle und darüber, wie es sich anfühlt, am Frankfurter Bahnhof als neuer „Tatort“-Kommissar aufzutauchen.
Die Playlist, die Edin Hasanovic zum alverde-Shooting mitbringt, ist ein Mix aus deutschem Rap, südeuropäischem Pop, arabischen Klängen, Rockklassikern und Schlagern. Genauso vielseitig wie sein Musikgeschmack ist die Liste seiner Rollen und Filmgenres. Als das Angebot für einen „Tatort“-Kommissar kam, überlegte Edin Hasanovic daher nicht zwei-, „sondern fünfmal“, bevor er zusagte. Denn kaum eine Rolle ist im öffentlichen Bewusstsein so prägend wie die der Ermittler im ARD-Sonntagskrimi. Dass er es trotzdem gewagt hat, hat mit Haltung, Neugier und Energie zu tun.
alverde: Was gab den Ausschlag, dass Sie die Rolle des Frankfurter Tatort-Kommissars angenommen haben?
Edin Hasanovic: Ich wurde beim Ort – Frankfurt – und beim Namen meiner Schauspiel-Partnerin – Melika Foroutan – hellhörig. In Frankfurt habe ich schon sehr viel gedreht und finde die Stadt spannend. Melika war meine erste Kollegin, mit ihr habe ich als Teenager „KDD – Kriminaldauerdienst“ gedreht. Der Produzent, Redakteur, Melika und ich haben uns unverbindlich getroffen. Ich habe mich vor allem mit Melika unterhalten. Irgendwann habe ich gemerkt: „Oh, hier klickt es“ und habe noch während des Meetings zugesagt. Die Argumente für den „Tatort“ waren am Ende stärker als meine Angst, auf die Rolle festgelegt zu werden.
alverde: Es ist das erste Tatort-Team, das sich mit Cold Cases beschäftigt. Ungeklärte Verbrechen aus der Vergangenheit sind seit Längerem Gegenstand von TV und Podcasts. Wie erklären Sie sich die Faszination dafür?
Edin Hasanovic: Eine psychologisch ausgefeilte Erklärung kann ich nicht anbieten. Ich höre selbst mehrere True-Crime-Podcasts und schlafe fast jede Nacht mit einer Folge ein. Glücklicherweise hat mich noch nie eine Geschichte in den Schlaf verfolgt. Vielleicht ist es dieser sachliche Ton, in dem über etwas hochgradig Emotionales und Beunruhigendes berichtet wird, der die Faszination von True Crime und Cold Cases ausmacht.
alverde: Und diesen nĂĽchternen Blick hat auch der neue Tatort?
Edin Hasanovic: Ja, insofern, als Melika und ich nicht total aufgeregt reagieren, wenn wir zum Beispiel eine Leiche finden. Das sieht man manchmal in Krimis und das ist einfach unglaubwürdig, schließlich sind Verbrechen der Alltag von Polizisten. Gleichzeitig ist der Tatort empathisch gegenüber den Opfern und Angehörigen. Sie stehen im Fokus – wir wollen nicht die Faszination für die Täter befeuern.
alverde: Was bedeutet es Ihnen, dass Ihr Kommissar wie Sie aus Bosnien stammt?
Edin Hasanovic: Es war mir wichtig, dass beide Ermittler Migrationshintergrund haben, weil das einfach eine Realität im Land und vor allem in Frankfurt widerspiegelt. Und dass meine Figur, Hamza Kulina, Bosnier sein darf, ist ein Geschenk, vor allem, weil wir die Szenen mit meiner Film-Mutter auf Bosnisch spielen. Meine Stimme und mein Gang verändern sich minimal, als würde ich mich körperlich an einer anderen Stelle verorten.
alverde: In einer Szene erzählt Hamza Kulina, wie sein Bruder in Srebrenica verschleppt wurde und seitdem verschollen ist. Soll das daran erinnern, dass es im Krieg auch viele ungeklärte Verbrechen gibt, wir ihnen aber kaum Aufmerksamkeit schenken?
Edin Hasanovic: Ja, vieles wird in die Schublade gesteckt: „Schrecklich, aber so etwas passiert halt im Krieg.“ Doch hinter jedem Gefallenen stehen eine Biografie und Angehörige. Es würde mich freuen, wenn es gelingt, eine dieser Geschichten greifbarer zu machen.
alverde: Sie sind intensiv in Ihrem Spiel und sprĂĽhen bei Ihren Moderationen vor Energie. Kostet Sie das Ăśberwindung oder ist das Ihr natĂĽrlicher Aggregatzustand?
Edin Hasanovic: Aggregatzustand ist ein gutes Wort. Ich glaube schon, dass ich grundsätzlich viel Energie mitbringe – aber das heißt nicht, dass ich ständig den Entertainer gebe und die Stimmung „alles super“ versprühe.
alverde: Sie haben einmal erzählt, dass Sie zu Beginn Ihrer Show „Edins Neo Night“ mehr Energie ausgestrahlt haben, als zurückkam. War die Moderation für Sie auch ein persönliches Lernfeld im Umgang mit Energie?
Edin Hasanovic: Die Show war in jeder Hinsicht ein Lernfeld. Einfach, weil ich dort zu hundert Prozent Edin war und mich nicht hinter einer Rolle verstecken konnte. Als ich mir mit einigem Abstand die erste Staffel angesehen habe, dachte ich: „Hoppla, wie viele Pferde sind mir da durchgegangen?“ Ich habe diese Energie, dieses Feuer – habe es aber vielleicht zu sehr rausgelassen. In Staffel zwei konnte ich es besser dosieren.
Edin Hasanovic hat viel Energie. Mit uns sprach er über seine neue Rolle als "Tatort"-Kommissar. © Luise Blumstengel
alverde: Manche Menschen tanken Energie im RĂĽckzug, andere in Begegnung. Wie ist das bei Ihnen?
Edin Hasanovic: Ich tanke Energie aus harmonischen Begegnungen mit Menschen. Disharmonie lähmt mich wahnsinnig. Ich werde sehr schläfrig, wenn ich Konflikte spüre. Ein Problem mit einem Menschen zu klären, ist für mich wie aufzutauchen, nachdem mein Kopf unter Wasser gedrückt war. Ich merke: Boah, jetzt hab ich wieder Kraft und jetzt geht es mir gut.
alverde: Was sind für Sie „Energieräuber“? Und wie gehen Sie mit ihnen um?
Edin Hasanovic: Ob mir jemand Energie gibt oder raubt – beides passiert meistens in meinem eigenen Kopf. Oft hat das gar nicht so viel mit dem anderen zu tun, sondern mit Dingen, die mich schon lange begleiten. Es sind meine Trigger, Glaubenssätze und Prägungen. Also ist es auch meine Verantwortung, mit dem umzugehen, was auf mich einprasselt. Ich merke mittlerweile, wenn ich überreagiere, auch wenn ich es in dem Moment noch nicht stoppen kann. Das auszuhalten ist schwierig, aber der erste Schritt, um irgendwann souveräner reagieren zu können.
alverde: Haben Sie schon eine Strategie, wie Sie vermeiden, auf den „Tatort“-Kommissar festgelegt zu werden?
Edin Hasanovic: Ich werde weiterhin zwischen den Genres wechseln und vertraue darauf, dass die Menschen in mir mehr als nur einen „Tatort“-Kommissar sehen werden. Ich habe in einem Film mitgespielt, der vier Oscars gewonnen hat, habe eine eigene Show und hier und da einen Preis gewonnen – aber das größte und positivste Feedback bekam ich darauf, dass ich „Tatort“-Kommissar bin. Am Frankfurter Bahnhof hatte ich das Gefühl, alle drehen sich um und sagen: „Das ist der Neue.“ So war es natürlich nicht, aber ich fühle mich schon ein wenig als Botschafter dieser Stadt.
alverde: Ist nach Frankfurt zu ziehen eine Option?
Edin Hasanovic: Ich bin ein Nestmensch. Ich kenne hier in Berlin jede Straße, ich kenne die Mentalität in jedem Bezirk – das gibt mir Sicherheit.
Steckbrief: Underdog und Hundefan – Edin Hasanovic
Er wurde 1992 im Bosnienkrieg geboren und kam als Baby mit seiner Mutter nach Berlin. Er spielte schon als Jugendlicher im Theater und in TV-Produktionen. Für seine Rolle im Kinofilm „Schuld sind immer die anderen“ (2012) erhielt er mehrere Nachwuchspreise. Internationale Beachtung fand seine Rolle im oscarprämierten Film „Im Westen nichts Neues“ (2022). Die erste Folge mit dem neuen Frankfurter „Tatort“-Team wird am 5. Oktober ausgestrahlt, die zweite am 30. November.
Hunde-Coach
Er liebt die Spaziergänge mit Hund Kuno. Besonders stolz macht es ihn, wenn Freunde ihn nach Tipps für die Hundeerziehung fragen.
„König der Löwen“
Der Film hat ihn als Kind zum Weinen gebracht und bis heute fasziniert ihn die emotionale Kraft des Animationsfilms.
Spielstark
Er trifft sich mit Freundinnen und Freunden regelmäßig zu Spieleabenden. Sein Favorit: „Die Werwölfe von Düsterwald“