Konzerte sind Ihr Safe Space

Die Sängerin Stefanie Heinzmann braucht in kreativen Prozessen Freude und eine spielerische Haltung. © Luise Blumstengel
Interview mit Singer-/Songwriterin
Stefanie Heinzmann
Aus dem Gasthaus der Eltern ging es für Stefanie Heinzmann auf die großen Bühnen. Geprägt von Gastfreundschaft und Teamgeist sucht die Schweizer Sängerin auch in der Musik das Verbindende – und ist überzeugt, dass das Leben Zeichen schickt.
Ihre frisch operierten Füße drosseln das Tempo, aber nicht ihre Energie. Zum souligen Soundtrack, der während des Shootings läuft, tanzt Stefanie Heinzmann einfach in Slow Motion. Als musikalische Begleitung hat sie nicht, wie heute üblich, eine Playlist zusammengestellt, sondern hört das Album „Tetra“ des französischen DJ-Kollektivs C2C. „Da bin ich alte Schule“, sagt sie. „Ich mag die Ideen und das Konzept hinter einem Album.“ Klar, dass wir dann von ihr wissen wollten, welche Gedanken hinter ihrem kürzlich erschienenen Album „Circles“ (deutsch: Kreise) stehen.
alverde: Wann hatten Sie zuletzt das GefĂĽhl, dass sich ein Kreis geschlossen hat?
Stefanie Heinzmann: Ich erlebe im Alltag sehr oft, dass etwas ungeplant zusammenpasst – vermeintliche Zufälle, nur dass ich nicht an Zufälle glaube. Mein Lieblingsbeispiel aus diesem Jahr sind die Veröffentlichungsdaten meiner Singles und meines Albums. Es waren alles Schnapszahlen. Und der 10.10., an dem das Album erschien, ist auch noch der Welttag der mentalen Gesundheit – das Thema, um das sich das Album dreht. Ich liebe es, wenn das Leben so auf einen aufpasst.
alverde: Welche Jobs im Hintergrund würden Sie gern einmal ins Rampenlicht stellen, weil sie das gemeinschaftliche Musikmachen überhaupt erst möglich machen?
Stefanie Heinzmann: Fast alle. Der Teamgedanke ist für mich groß. Das fängt bei den Songwritern an, mit denen ich im Team schreibe, und hört beim Management auf, das eigentlich meinen kompletten Alltag regelt. Aber diese Menschen suchen ja gerade nicht die Bühne, sondern wollen im Hintergrund bleiben (lacht und schaut zur Managerin).
alverde: Sie arbeiten sehr lange mit denselben Menschen. Woran zeigt sich für Sie eine tragfähige musikalische Partnerschaft?
Stefanie Heinzmann: Früher habe ich manchmal zu lange an Beziehungen festgehalten – aus Angst, jemanden zu verletzen. Heute ist mir wichtiger, ob die Qualität stimmt. Eine gute Partnerschaft erkennt man daran, dass man offen über alles sprechen kann und gemeinsam Leichtigkeit spürt. Gerade in kreativen Prozessen braucht es Freude, eine spielerische Haltung. Wenn man sich gegenseitig nährt, ist das für mich eine tragfähige Basis – egal ob in der Musik oder im Leben.
alverde: Wie leben Sie den Teamgedanken während der Tour?
Stefanie Heinzmann: Auf Tour sind wir wochenlang wie eine kleine Familie unterwegs. Natürlich gibt es Rituale: Vor der Show stehen wir immer noch mal im Kreis zusammen. Aber vor allem ist mir wichtig, dass jeder so sein darf, wie er gerade ist. Wer Ruhe braucht, darf die haben, wer feiern will, findet dafür auch Raum. Wenn sich jeder wohlfühlt, stärkt das die Gemeinschaft und schafft genau den Vibe, der sich dann auch auf die Bühne überträgt.

Hund Yuma lag lange entspannt im Körbchen, wollte dann doch mit aufs Bild. © Luise Blumstengel
alverde: Zu Konzerten kommen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen. Wie erleben Sie diese Verbindung während eines Abends?
Stefanie Heinzmann: Ich musste 30 werden, um diesen Punkt bewusst wahrzunehmen. In einem Saal singen wildfremde Menschen im selben Moment dieselben Zeilen. Das macht für mich die wahre Magie dieser Abende aus. Konzerte sind ein Safe Space: ein Ort, an dem wir alles, was draußen schwierig ist, kurz loslassen können.
alverde: Als Schweizerin mit viel Deutschland-Erfahrung: In welchen Momenten nehmen Sie unterschiedliche Gemeinschaftskulturen wahr?
Stefanie Heinzmann: Der Unterschied besteht für mich eher zwischen Stadt und Land. Die Schweiz ist noch viel ländlicher geprägt. Die Verbindung in der Familie, aber auch in der Nachbarschaft ist noch stärker. Da ruft einen der Nachbar, wenn ich unterwegs bin, auch mal an und sagt: „Bei dir im Badezimmer brennt noch Licht.“ Manche Städter finden so etwas einengend. Ich mag es, wenn man aufeinander aufpasst. Ich kann ja immer noch entscheiden, wie ich mit dem angeschalteten Licht umgehe.
alverde: Sie sind im Restaurant Ihrer Eltern groß geworden: Wie prägt Sie diese Schule der Gastfreundschaft heute?
Stefanie Heinzmann: Es ging im Gasthaus meiner Eltern darum, Menschen willkommen zu heißen, sie zu sehen. Es ist total in mir drin, zu gucken, dass es allen gut geht, oder den Backstage-Bereich aufgeräumt zu verlassen. Dass ich überall schlafen kann und überhaupt sehr flexibel bin, verdanke ich auch dem Beruf, aber vor allem den offenen Persönlichkeiten meiner Eltern. Was ich quasi verlernen musste, war mein Bemühen, nicht aufzufallen und mich überall einzufügen. Das war in mir als Gastro-Kind drin, denn der Gast ist König und hat immer recht. Ich habe mir klargemacht, dass ich das nicht mehr brauche.
alverde: Sie sind Botschafterin der Deutschen Kinderhospizstiftung. Warum haben Sie sich fĂĽr dieses Engagement entschieden?
Stefanie Heinzmann: Weil es nicht einfach ist, aber sehr wichtig. Als die Stiftung auf mich zukam, wollte ich das Thema am liebsten wegschieben. Es fiel mir schwer, darüber nachzudenken, dass Kinder lebensverkürzend erkrankt sind und irgendwann sterben. Aber im Hospiz geht es darum, das Leben der Kinder so schön wie möglich zu gestalten. Es ist ein Ort, in dem Eltern auftanken und auch Geschwister, die sonst oft zurückstecken müssen.
alverde: Weihnachten im Wallis – ist das so idyllisch, wie es klingt?
Stefanie Heinzmann: Ja, es ist zauberhaft. Es fällt zwar weniger Schnee, aber über den freuen wir uns dann umso mehr – dazu die Weihnachtsbeleuchtung im Tal. Ich liebe die Adventszeit und habe die meisten Geschenke schon im September besorgt. Dann kann ich den Dezember richtig genießen.
alverde: Mit welchem Mindset möchten Sie ins neue Jahr starten?
Stefanie Heinzmann: Ich strebe einen Zustand zwischen Neutralität und Zuversicht an. Vorsätze fasse ich nicht, das baut nur Druck auf. Ich nutze die Zeit zwischen den Jahren lieber, um Träume zu visualisieren. Seit zwei Jahren führe ich auch das Raunächte-Ritual durch: Ich schreibe 13 Wünsche auf kleine Zettel, verbrenne sie ungelesen – bis auf einen, und der ist dann meine Aufgabe im neuen Jahr.
Steckbrief:
Zum Dahinschmelzen – Stefanie Heinzmann
Sie wuchs im Schweizer Wallis auf und sang als Jugendliche bereits auf Schweizerdeutsch in einer Band. 2008 belegte sie in einer Castingshow von Stefan Raab den ersten Platz. Seitdem ist Stefanie Heinzmann als Solokünstlerin im Pop- und Soul-Genre eine feste musikalische Größe. Im Herbst 2026 startet die Tour zum Album „Circles“ (Infos und Tickets unter stefanieheinzmann.de). Die 36-Jährige lebt in der Schweiz.
Prinzessin Leia aus „Star Wars“ ist ihre liebste Filmfigur, „weil sie die Galaxie gerettet und stark und mutig ist“.
Hund Yuma begleitet sie seit knapp einem Jahr. Sie hat sich fĂĽr den Maltipoo auch deshalb entschieden, weil er ein Leichtgewicht ist und mit ins Flugzeug darf.
Raclette ist ihr Leibgericht. Als echte Walliserin isst sie es vor allem im Sommer. Und der Käse wird direkt im Ofen geschmolzen, nicht im Pfännchen.