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Wissen, das ankommt

Mirko Drotschmann im Potrait

Für Mirko ist es wichtig, bei seinen Themen so viele Perspektiven wie möglich einzubeziehen. © Stephie Braun

Interview mit Journalist Mirko Drotschmann

Als Journalist und YouTuber ordnet Mirko Drotschmann alias MrWissen2go in seinen Videos Aktuelles aus Weltgeschehen und Politik ein. Die größte Herausforderung dabei: so kompakt und verständlich wie möglich zu berichten. 

Die Sonne strahlt, als wir uns vormittags zum alverde-Titelinterview mit Mirko Drotschmann in Mainz treffen. Er kommt gerade von einem Termin bei einer Schulklasse – wie so oft ist er unterwegs und geht ins Gespräch mit Kindern und Jugendlichen. „Mir ist es wichtig, dass wir die Lebensrealität der jungen Menschen kennen und Interesse zeigen. Nur so können wir Aufklärungsarbeit leisten, die auch wirklich ankommt,“ sagt der 39-Jährige. Seit 13 Jahren ist er als MrWissen2go auf YouTube zu sehen, mehr als 2,3 Millionen Menschen folgen ihm dort. Was ist sein Erfolgsrezept? 

alverde: Sie sind seit über einem Jahrzehnt auf YouTube aktiv. Wie haben Sie den digitalen Wandel der Plattform erlebt? 

Mirko Drotschmann: Als ich 2012 mit meinen Videos begonnen habe, war YouTube vor allem eine Plattform für ,Amateure'. Meine Frau hat mir damals gezeigt, dass man dort auch selbst Inhalte veröffentlichen kann. Zur selben Zeit habe ich mit meinem Schwager für sein Geschichtsabitur gelernt und versucht, ihm einige Themen zu erklären. So kam der Gedanke auf, auch selbst erklärende Inhalte auf YouTube zu veröffentlichen. Inzwischen ist die Plattform deutlich professioneller geworden. Viele Kanäle mit großer Reichweite stammen von großen Medienhäusern. Was ich auch bemerke: Der Umgangston in der Kommentarspalte ist deutlich rauer geworden in den letzten Jahren. 

„Man kann als Mensch selbst nie komplett objektiv und neutral sein. Deshalb ist es wichtig, immer wieder neue Perspektiven einzunehmen.“

alverde: Wie handhaben Sie negative Kommentare und Desinformation unter Ihren Videos? 

Mirko Drotschmann: Meinungsfreiheit ist für mich sehr wichtig. Als Person, die in der Öffentlichkeit steht, muss ich auch extremere Rückmeldungen aushalten können. Wobei es natürlich auch gesetzliche Grenzen gibt. Desinformation kann uns alle treffen, denn unsere Welt wird immer komplexer und wir sind auf der Suche nach einfachen Antworten. Falschinformationen wirke ich mit Fakten und überprüfbaren Quellen in den Kommentaren entgegen. Aber auch hier geht die Meinungsfreiheit sehr weit. Für mich ist dann eine Grenze erreicht, wenn Menschen andere beleidigen oder wenn sie generell Straftaten begehen. 

alverde: Und wie erklären Sie Ihrer Community die Welt? 

Mirko Drotschmann: Bei der Themenwahl lege ich Wert auf klassische, journalistische Kriterien: auf Nachrichten- und Neuigkeitswert sowie Aktualität. Wichtig ist für mich auch, ob das Thema die Community betrifft, sie bewegt oder sogar von ihr vorgeschlagen wurde. Die Herausforderung ist, das Thema so kompakt wie möglich darzustellen, ohne dass die wesentlichen Aspekte fehlen. Außerdem würde ich nie ein Thema ausschließen, weil es zu komplex oder zu kontrovers ist. Jedes Thema lässt sich erklären – für manche Beiträge muss ich aber selbst erst mal sehr tief einsteigen, bevor ich über das Thema berichten kann. 

alverde: Gibt es Themen, bei denen es Ihnen nicht gelingt, Neutralität zu wahren? 

Mirko Drotschmann: Es gibt Themen, da kann man gar nicht neutral berichten – zum Beispiel, wenn es um den Holocaust geht. Da darf man die grausamen Taten nicht relativieren und da gibt es auch keine zweite Perspektive. Bei anderen Themen finde ich es aber wichtig, so viele Perspektiven wie möglich in der Recherche und in meinen Videos einzubeziehen. Man kann als Mensch selbst nie komplett objektiv und neutral sein. Aber man kann es zumindest versuchen. 

Mirko Drotschmann im Potrait

Medienkompetenz sollte ein Schulfach sein, findet Mirko Drotschmann. © Stephie Braun

alverde: Welches Ihrer Videos ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben – sei es aufgrund der Reichweite, der Kommentare oder Reaktionen? 

Mirko Drotschmann: Es gibt immer wieder Themen, bei denen mich die Diskussionen im Nachgang überraschen. Bei einem Video hätte ich nicht gedacht, dass es auf so viel Resonanz stößt – es ging um Genitalverstümmelung bei Frauen. Ich hatte bis zu unserer Recherche noch nicht viel von diesem Thema mitbekommen. Das Video hat innerhalb kürzester Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten. Das hat mich sehr gefreut, da es sich hier um einen großen Missstand handelt, über den in den Medien kaum berichtet wird. 

alverde: Sie sind oft zu Gast bei Schulklassen und geben Einblicke in Ihre Arbeit. Welche Rahmenbedingungen benötigt es, um Medienkompetenz optimal an Kinder und Jugendliche zu vermitteln? 

Mirko Drotschmann: Medienkompetenz sollte ein Schulfach sein, das man spätestens ab der fünften Klasse in allen Schulen einführen sollte. Inhaltlich kann es um den Umgang mit den eigenen Daten gehen, aber auch um das Bewerten von Quellen bis hin zu Kommunikation und Umgang miteinander im Netz. Ich finde es auch wichtig, dass man immer wieder externe Fachleute an Schulen schickt, um einen Blick über den Tellerrand zu ermöglichen. 

alverde: Welche Tipps würden Sie Eltern, Lehrerinnen und Lehrern geben, um Medienkompetenz an junge Menschen weiterzugeben? 

Mirko Drotschmann: Man sollte sich immer dafür interessieren, was Schülerinnen und Schüler machen. Es ist wichtig, die Lebensrealität zu kennen und zu wissen, welche Inhalte sie konsumieren, wem sie folgen und wessen Videos sie ansehen. Damit meine ich nicht, das selbst zu kontrollieren. Aber man sollte im Gespräch bleiben und Interesse daran zeigen. Meist ergibt sich ein Austausch dann von allein, man schaut sich gemeinsam Videos an und kann dabei helfen, die Inhalte einzuordnen. 

alverde: Wenn Sie die Möglichkeiten hätten, das Bildungssystem zu reformieren – was würden Sie umsetzen? 

Mirko Drotschmann: Ich würde viel früher auf Talente und Interessen von Kindern und Jugendlichen setzen. Als ich in der Oberstufe Fächer abwählen konnte, in denen ich nicht gut war, und dafür Fächer stärker gewichten konnte, die mir lagen, hat sich mein Notenschnitt um fast eine Note verbessert. Dieses Setzen von Schwerpunkten sollte an allen Schularten schon viel früher möglich sein. Außerdem würde ich mehr Begabungen im kreativen und künstlerischen Bereich fördern. Und ich wünsche mir, dass es deutlich mehr Talentförderungen für Kinder aus einkommensschwachen Familien gibt. 

alverde: Formate wie MrWissen2go könnten hier ansetzen und zur Bildungsgleichheit beitragen, denn die meisten Menschen haben kostenfreien Zugang zu Social Media.  

Mirko Drotschmann: Social Media bietet eine tolle Chance, Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft nicht so gut aufgestellt sind wie andere, Zugang zu Bildungsangeboten zu verschaffen. Dann muss man es den Menschen aber auch leicht machen, den Zugang dazu zu finden. Außerdem müssen ausreichend niedrigschwellige Angebote vorhanden sein, insbesondere für Menschen, die noch kein großes Vorwissen haben. 

alverde: Was erwarten Sie von der Zukunft der digitalen Bildung – wird YouTube das Klassenzimmer ablösen? 

Mirko Drotschmann: Das denke ich nicht. Die Corona-Zeit hat uns gezeigt, wie wichtig Präsenzunterricht und Lehrkräfte vor Ort sind, die für Fragen zur Verfügung stehen und auch den Blick auf Schwächere in der Klassengemeinschaft haben. Was sich jetzt schon verändert, ist die Art und Weise, wie wir lernen. Es ist nicht mehr zwingend notwendig, alle Inhalte auswendig zu kennen, denn wir können sie jederzeit und schnell nachschlagen. Künstliche Intelligenz wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Ich denke, dass es künftig viel um die Methodik und den damit verbundenen Umgang mit KI gehen wird. 

„Desinformation kann uns alle treffen, denn unsere Welt wird immer komplexer und wir sind auf der Suche nach einfachen Antworten.“

Mirko Drotschmann

Er ist bekannt als MrWissen2go, ist deutscher Journalist, YouTuber und Wissensvermittler. Seit 2012 begeistert er seine Zuschauerinnen und Zuschauer mit verständlich aufbereiteten Erklärvideos zu aktuellen und historischen Themen. Nach seinem Studium der Geschichte und Kulturwissenschaft war Mirko Drotschmann als Reporter und Moderator bei diversen Rundfunkanstalten tätig. Seit 2020 gehört der 39-Jährige zum Moderatoren-Team der Sendung Terra X im ZDF. 2023 wurde ihm für seine Leistungen das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Drei Dinge über Mirko Drotschmann

  1. Er würde gerne mit Napoleon Bonaparte zu Abend essen – und herausfinden, was dieser für ein Mensch war.

  2. Der perfekte freie Tag: ausschlafen (wenn die Kinder es zulassen), ausgiebig brunchen, danach Familienzeit im Freien bei gutem Wetter und abends ins Stadion zum Fußballspiel des Karlsruher SC.

  3. Ein Buch, das ihn sehr bewegt hat: „Der SS-Staat – Das System der deutschen Konzentrationslager“ von Eugen Kogon. Jede Seite ließ ihn fassungslos zurück – danach wollte er noch mehr wissen und begreifen.

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