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Interview mit Elif – Bereit für Herzensarbeit

Fernsehkoch Nelson Müller über bewussten Genuss

„Getroffen haben wir ELIF in ihrer Heimatstadt. Sie mag, dass es in Berlin sicher und gleichzeitig wild ist.“ © David Maupilé

Die Sängerin ELIF hat ihren Musikstil schon öfter verändert – und die Fans sind ihr gefolgt. Kaum jemand schreibt so poetisch-persönliche Texte und trägt sie so eindrücklich-zurückhaltend vor. 

Seine Garderobe auf eine Farbe zu beschränken bedeutet nicht automatisch, dass die Auswahl einfacher wird. Beim Shooting fürs alverde-Interview verwendet ELIF viel Sorgfalt darauf, ihre schwarzen Outfits zusammenzustellen, und probiert immer wieder neue Kombinationen aus. „Ich möchte die Farbe Schwarz gern anders in Deutschland etablieren und zeigen, wie vielfältig und ausdrucksvoll sie ist“, sagt die Sängerin. Hinter dem All-Black-Dresscode steht allerdings nicht nur eine ästhetische Entscheidung des Modefans. „Die Farbe gibt mir Halt und Sicherheit“, erklärt ELIF. Sie bedeutet ein wenig Schutz für eine Frau, die keine Scheu hat, in ihrer Musik ihr Innerstes nach außen zu kehren. 

alverde: Wenn man sich Ihre Karriere und Ihr Auftreten ansieht, wirken Sie angstbefreit. Woraus speisen sich der Mut und die Selbstsicherheit, Ihr Ding zu machen? 
ELIF: Es ist schön, wenn es so rüberkommt, denn ich zeige mich ja auch verletzlich und ängstlich. Aber trotzdem mache ich weiter. Ich habe mich auch manchmal gefragt: „Warum?“ Meine Antwort: Der Traum ist zu groß. In anderen Lebensbereichen habe ich mich durchaus mal entschieden, einen Weg nicht weiterzugehen. Aber bei der Musik weiß ich, dass ich den Weg bis zu Ende gehen muss – und da bin ich nicht. 

Was meinen Sie mit „Ende“ – gibt es für Sie ein definiertes Ziel? 
Das Ende kann vieles bedeuten. Wenn mein Leben zu Ende ist oder in mir kein Feuer mehr brennt. Im Moment kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Aber ich werde es bestimmt wissen, wenn ich an dem Punkt bin. 

Was erforderte mehr Mut: am Beginn Ihrer Laufbahn Klinken zu putzen und Leute von sich zu überzeugen? Oder als schon erfolgreiche Künstlerin neue Wege einzuschlagen? 
Der Anfang, als ich mich entschieden habe, Künstlerin zu werden, war am herausforderndsten. Ich hatte einen starken Wunsch und wusste auch, dass ich Talent habe. Aber die Richtung, in die ich gehen wollte, konnte ich nur ungefähr bestimmen: Popmusik, aber noch deeper als zu der damaligen Zeit. Das Wissen über Songwriting und das ganze Business musste ich mir erst aneignen. Ich habe vieles ausprobiert und viele Fehler gemacht. Auch wenn ich jetzt immer noch lernen muss, habe ich ein Know-how und Menschen, die an mich glauben. Insofern ist es leichter, Neues zu wagen. 

Portraits von Elif

„Deutsch ist die Sprache, in der ich träume und in der ich jedem Wort eine besondere Bedeutung verleihen kann.“ © David Maupilé

Ihr aktuelles Album bewegt sich zwischen Deutschpop und -rap. Haben Sie eine Nische gefunden oder kann Ihr nächstes Album stilistisch ganz anders ausfallen? 
Es wird definitiv anders klingen. Ich bin gerade in meiner Findungsphase. Äußerlich sieht man das vielleicht daran, dass ich meine Haare gerade wieder wachsen lasse. In den vergangenen zwei, drei Jahren war mein Auftreten taffer und härter. Im Augenblick macht es mir Spaß, mich in meiner Weiblichkeit wiederzufinden. Ich bin stark, ich habe Kraft, aber ich lasse wieder mehr Verletzlichkeit zu.  

Was ist für Sie aktuell die größte Herausforderung beim Songschreiben? 
Meine Mauern wieder abzubauen. In den letzten Jahren habe ich sehr viel gearbeitet. Es waren tolle Projekte, aber ich musste auch bestimmte Emotionen zur Seite schieben und sagen: „Passt gerade nicht, ich kümmere mich später drum.“ Und jetzt ist die Zeit, in der ich Herzensarbeit leisten muss. Wenn ich an meinen Kern gekommen bin, dann schreiben sich die Songs fast von selbst. 

Wenn Sie „Arbeit“ sagen, ist das etwas, das Sie mit sich selbst ausmachen? Oder suchen Sie professionelle Unterstützung? Sie haben ja auch öffentlich über Ihre Therapie-Erfahrungen gesprochen. 
Es gibt bestimmte Methoden, die ich in der Therapie gelernt habe und anwenden kann. Aber wenn Dinge tiefer gehen, ist es wichtig, sich in professionelle Hände zu begeben. Ich habe vor eineinhalb Jahren meine erste Panikattacke überhaupt bekommen und danach kamen weitere. Das ist zum Beispiel eine Sache, für die ich Therapie brauche. Dahinter stecken ungelöste Konflikte und unterdrückte Emotionen – um denen auf die Spur zu kommen, brauche ich Hilfe. Ich kann andere Menschen, egal ob in der Showbranche oder nicht, nur Mut machen, das ebenfalls in solchen Situationen zu tun. 

Spüren Sie besondere Erwartungen, die die deutsch-türkische Community an Sie als Künstlerin hat? 
Die einzige Erwartung, die viele haben, ist, dass ich türkisch singe. Aber ich möchte das nicht, genauso wenig, wie ich auf Englisch singe. Mein Türkisch ist gut, aber nicht so gut wie mein Deutsch. Ich habe schon immer für deutschsprachige Musik gebrannt. Deutsch ist die Sprache, in der ich träume und in der ich jedem Wort eine besondere Bedeutung verleihen kann. 

In einer Runde auf dem Podium der dm-Zukunftswoche sagten Sie, dass Sie „aus der Unterschicht kommen und raus wollten“. Was bedeutet Ihnen Wohlstand heute?
Ich liebe schöne Dinge. Hinter Designerkleidung beispielsweise stecken oft ein Gedanke und hochwertige Verarbeitung. In meiner intensiven Rap-Phase war es mir wichtig, mit einer Designer-Tasche und einer Luxus-Uhr ins Studio zu kommen. Inzwischen besteht mein Umfeld wieder aus ganz normalen Leuten – da ist es mir fast unangenehm, eine teure Uhr zu tragen. Heute bin ich weniger konsumorientiert. Aber es war gut für mich, dass ich diese oberflächlich materielle Phase kurz ausleben konnte. 

Haben Sie sich abgestempelt gefühlt als „türkisches Arbeiterkind“ oder hatten Sie das Gefühl: „Wenn ich will, kann ich aus eigener Kraft etwas erreichen“?
Ich habe eher gedacht, dass die Welt mir offensteht. Zuschreibungen wie „Arbeiterkind“ oder „türkischstämmig“ kommen von außen. Als Kind und Jugendliche bist Du einfach Du selbst. Und ich war anders als die Kinder in meinem Umfeld: Statt mit Barbiepuppen zu spielen, bin ich in den Skaterpark gegangen und habe Rockmusik gehört. Auch dass ich angefangen habe, Gitarre zu spielen, fanden andere ungewöhnlich. Heute freue ich mich total, wenn Fans mir schreiben: Durch Dich habe ich den Mut gefunden, meinen Eltern die Meinung zu sagen, Liebeskummer zu überwinden oder einfach meine Träume zu verfolgen. 

  1. Sie hat viele Kochbücher, liebt die Aufmachung und probiert auch Rezepte aus.

  2. Im Frühjahr möchte sie sich mehr um ihren kleinen Garten kümmern.

  3. Ein Kollege, dem sie mehr Aufmerksamkeit wünscht, ist der Rapper Fayan.

Ende der Auflistung

Elif

Sie wuchs mit drei Geschwistern in Berlin auf, wo die 31-Jährige noch heute lebt. Mit 16 nahm sie an der Castingshow „Popstars“ teil und belegte zusammen mit einem Gesangpartner den zweiten Platz. Ein Jahr später erhielt sie ihren ersten Plattenvertrag, den noch ihre Eltern für sie unterschreiben mussten. 2013 erschien ihr Debütalbum „Unter meiner Haut“. Neben ihren bisher vier Soloalben feierte ELIF auch große Erfolge durch Kooperationen mit anderen Künstlern: Mit Samra nahm sie „Zu Ende“, mit Katja Krasavice „Highway“ auf.