HauptnavigationKategorienavigationHauptinhalt

Sie findet Kraft in der Entschleunigung

Potrait von Sanam Afrashteh

Die Schauspielerin Sanam Afrashteh hat sich ans Eisbaden herangewagt - auch wenn sie eigentlich leicht friert. © David Maupilé

Interview mit Sanam Afrashteh

Als Serien-Schauspielerin und alleinerziehende Mutter ist der Alltag von Sanam Afrashteh durchgetaktet. Für den Stressabbau hat sie eine ungewöhnliche Methode entdeckt. 

Sie spielt seit fast 20 Jahren in der beliebten Kinderserie Löwenzahn und feiert mit In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte das zehnjährige Jubiläum. Sanam Afrashteh liebt Beständigkeit, aber genauso die Herausforderung, Neues zu lernen und sich selbst zu testen. Ob als angehende Ernährungsberaterin oder beim Eisbaden: „Ich nähere mich vielem autodidaktisch, aber irgendwann will ich es genau wissen“, sagt sie. Diese Neugier und ihr Mut, eigene Gedanken zu verfolgen, machen das Gespräch mit der Schauspielerin spannend. 

alverde: Sie gehen Eisbaden und meditieren täglich – das klingt, als hätte der innere Schweinehund bei Ihnen wenig zu melden. Wie leicht fällt es Ihnen, Disziplin im Alltag zu halten? 

Sanam Afrashteh: Es gibt auch bei mir Tage, in denen ich abends im Bett liege und mir einfällt, dass ich noch nicht meditiert habe. Heute bin ich so weit, dass ich keine 45-minütige Meditation vorm Schlafengehen reinquetsche, nur um ein Häkchen an einer To-do-Liste zu machen. Mir genügen dann fünf Minuten, in denen ich mich mit mir verbinde und den Tag abschließe. Das war aber ein Lernprozess. 

alverde: Also ist Ihr Thema eher das Loslassen als das Disziplinhalten?

Sanam Afrashteh: Ja, der Tag hat nur 24 Stunden, ich habe eine Tochter, einen Hund, drehe in einer anderen Stadt. Meditation, Breathwork, Kälte sind alles Sachen, die mir guttun, aber nicht dann, wenn ich wie ein gehetztes Kaninchen durch den Tag renne. 

alverde: Wie sind Sie überhaupt zum Eisbaden gekommen?

Sanam Afrashteh: Ich habe einiges über Wim Hof (Anm. d. Red.: Extremsportler und Kälte-Guru) gelesen. Er hat mich fasziniert, weil er ein Grenzensprenger ist und mich Abenteuer und Herausforderungen anziehen. Eisbaden hat mich sehr weit raus aus meiner Komfortzone geführt. Denn ich bin eine absolute Frostbeule. Bei Außendrehs hatte ich immer die dickste Daunenjacke an, dazu Wärmflasche und kleine Handwärmer – und trotzdem habe ich gezittert. 

alverde: Dann haben Sie sich ans Eisbaden wahrscheinlich langsam rangetastet? 

Sanam Afrashteh: Ich habe erst immer länger kalt geduscht, mir dann eine Wanne mit kaltem Wasser eingelassen. Aber so richtig kalt bekommst Du es zu Hause nicht, die Wassertemperaturen bleiben zweistellig. Ich bin dann an einem Januarmorgen in den Plötzensee gegangen. In den ersten Sekunden habe ich wahnsinnige Ängste ausgestanden. Mir hat alles wehgetan, sogar die Knochen haben geschmerzt. Ich war so froh, dass ein Kälte-Coach am Ufer stand, mit dem ich reden konnte und der einschätzen konnte, was geht und was nicht. 

alverde: Und jetzt ist Frieren kein Thema mehr? 

Sanam Afrashteh: Nein. Und ein Nebeneffekt ist, dass mein Nervensystem ruhiger geworden ist. Stress wirft mich nicht mehr so schnell und so lange aus der Bahn. Ich habe seit mehr als 20 Jahren mit Ängsten zu kämpfen. Manche Trigger kenne ich, andere nicht. Wenn ich merke, in mir kommt eine Unruhe auf, nehme ich zu Hause eine kalte Dusche. Dann bin ich sofort in meinem Körper und das Gedankenkarussell stoppt. 

alverde: Sie fingen bei In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte kurz nach der Geburt Ihrer Tochter an. Sind Sie auch deshalb so lange dabeigeblieben, weil für Sie als Alleinerziehende ein festes Gehalt wichtig ist? 

Sanam Afrashteh: Ich war vorher zehn Jahre freischaffend und das war nicht immer einfach. Als ich dann schwanger wurde und das Casting kam, dachte ich, diese Planbarkeit würde mich enorm entlasten. Ich dachte allerdings nicht, dass die Produktion sich im Hauptcast für eine Mutter mit Kleinkind entscheiden würde. Aber im Gegenteil: Ich wurde mit offenen Armen aufgenommen und diese familiäre Atmosphäre hält sich bis heute. Seitdem meine Tochter in die Schule geht, ist es natürlich schwieriger, weil ich längere Phasen nicht zu Hause bin. Dann wird mir schon das Herz schwer. Aber glücklicherweise nimmt die Produktion Rücksicht, sodass ich bei wichtigen Terminen in ihrem Leben immer dabei bin. 

alverde: Was reizt Sie daran, Figuren so lange zu spielen? 

Sanam Afrashteh: Bei Löwenzahn wird das Publikum älter und tauscht sich immer wieder aus. Ich werde oft auf der Straße von Kindern gefragt: „Bist Du die Yasemin aus ‚Löwenzahn‘?“ Die Serie ist im Leben von vielen Kindern präsent und deshalb behält sie für mich ihren Reiz. Bei den Jungen Ärzten mag ich es, Leyla immer wieder neu zu begegnen. Sie ist eine interessante Figur und macht Entwicklungen durch. Wenn ich tatsächlich uninspiriert und hauptsächlich wegen des Geldes zum Dreh fahren würde, würde ich aufhören. 

„Stress wirft mich nicht mehr so schnell und so lange aus der Bahn.“

Portraits von Sanam Afrashteh

Löwenzahn'?", erzählt die Schauspielerin Sanam Afrashteh im Interview mit dem alverde-Magazin. © David Maupilé

alverde: Die Serie hat eine treue Fangemeinde, die viele Charaktere über die Jahre hinweg begleitet, aber sich auch zu Wort meldet, wenn ihr etwas nicht passt. Wie gehen Sie damit um? 

Sanam Afrashteh: Zu Beginn hat es mich verletzt, wenn Leute Leyla nicht mochten. Inzwischen denke ich: „Okay, jeder sieht es anders. Gut, dass wir Meinungsvielfalt haben.“ 

alverde: Die Serie hat einen multiethnischen Cast, was die Realität in einem Krankenhaus widerspiegelt. Gleichzeitig ist die Stimmung in Thüringen, wo das fiktive Krankenhaus sitzt, teilweise sehr feindselig gegen alles vermeintlich Fremde. Empfinden Sie das als Widerspruch? 

Sanam Afrashteh: Ich kann nur für mich sprechen, aber ich muss wirklich eine Lanze für Thüringen brechen. Ich habe so viele positive Erlebnisse mit den Menschen dort gehabt, dass ich den Ruf ihnen gegenüber unfair finde. Grundsätzlich bin ich eine große Befürworterin davon, Realität ungeschönt abzubilden und kontroverse oder sensible Themen anzusprechen. In einer Folge ging es zum Beispiel um einen fremdenfeindlich eingestellten Patienten, der sich von bestimmten Ärzten im Krankenhaus nicht behandeln lassen wollte. 

„Wenn wir aufhören, miteinander zu reden, wird nichts besser – nur die gesellschaftliche Spaltung größer.“

alverde: Stichwort sensible Themen: Sie setzen sich für Impfgeschädigte und Long-Covid-Betroffene ein. Warum? 

Sanam Afrashteh: Ich habe bei einigen Impfgeschädigten mitbekommen, welche Odyssee sie durchlaufen mussten, damit ihr Schaden anerkannt wurde. Sie haben keine Stimme. Gerade weil die Impfung mit so vielen Versprechungen aufgeladen war, werden Menschen mit Problemen nach der Impfung als eine Art Spielverderber betrachtet. Sie und teilweise auch Long-Covid-Betroffene erinnern uns an eine Zeit, die viele am liebsten vergessen würden. Aber die Coronapandemie wirkt noch nach. 

alverde: Auch bei Ihnen? 

Sanam Afrashteh: Ich fand, dass viele rote Linien überschritten wurden, und es bereitet mir Bauchschmerzen, dass das von so vielen akzeptiert wurde. Menschen, die kritisch gegenüber Maßnahmen waren oder sich nicht haben impfen lassen, wurden ausgegrenzt und diffamiert. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich gehörte sonst immer zu den „Guten“: Ich war für die Ehe für alle, habe mit Geflüchteten gearbeitet, die Grünen gewählt – und auf einmal war ich nicht mit der Mehrheitsmeinung konform. Kritiker wurden in Schubladen gesteckt – entweder Nazi oder Schwurbler – in denen ich mich überhaupt nicht wiederfinden konnte. Es wurde nicht mehr miteinander geredet und das war ein Fehler. Ich bin immer für Dialog und würde mich zu jedem Thema mit Menschen auseinandersetzen, die eine andere Meinung haben. Denn wenn wir aufhören, miteinander zu reden, wird nichts besser – nur die gesellschaftliche Spaltung größer.

Sanam Afrashteh 

Wuchs als Kind iranischer Eltern in Marburg auf. Ihre Ausbildung absolvierte sie 1997 bis 2001 an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Seitdem arbeitet sie als Schauspielerin und Synchronsprecherin. Die Vorabendserie In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte (donnerstags in der ARD), bei der sie zum Hauptensemble gehört, feiert in diesem Monat zehnjährigen Geburtstag. Aktuell absolviert sie auch eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin. Die 48-Jährige lebt mit ihrer Tochter in Berlin.

Drei Dinge über Sanam Afrashteh

  1. Sie spricht fünf Sprachen, darunter Farsi und Hebräisch.

  2. Sie backt leidenschaftlich gern und probiert momentan auch Rezepte ohne Zucker aus.

  3. Lieblingsritual mit ihrer Hündin: sie nach einem langen Spaziergang mit einer Bürstenmassage zu verwöhnen.

Ende der Auflistung