HauptnavigationKategorienavigationHauptinhalt

Die Beauty-Influencerin ganz ungeschminkt 

Portrait von fraubeauty Susanne Krammer

fraubeauty aka Susanne Krammer sagt: „Als ich mal eine Sinnkrise hatte, meinte meine Meditationstrainerin: Wo wirst Du mehr gebraucht als in der Beautywelt. Da gibt es noch nicht so viele wie Dich.“ © Claudia Graßl

Interview mit Susanne Krammer aka fraubeauty 

Das Leben geht nicht spurlos an uns vorbei. Alles, was wir schaffen, was wir verlieren, alle Widrigkeiten, die wir überwinden, zeichnen uns. Davon erzählt dieses Interview mit Susanne Krammer.

Ungeschminkt, mit Lachfalten, grauem Pulli und Jeans betritt Susanne Krammer aka fraubeauty das Münchner Studio – eine Beauty-Influencerin mit Hunderttausenden Followern. Ein Widerspruch? Nicht für die 43-Jährige. Nicht mehr. Vor zehn Jahren verlor sie durch eine misslungene Schönheitsoperation beide Brüste und beinahe auch ihr Leben. Seitdem hat sie der Beautywelt nicht etwa den Rücken gekehrt, nein, sie ist dabei, sie zu verändern. 

alverde: Du verdienst heute Dein Geld mit dem, was Dich glücklich macht. Dabei hast Du ordentlich Gegenwind bekommen, als Du nach Deinem 1er-Abi eine Ausbildung zur Make-up-Artistin gemacht hast. 
Susanne Krammer: Ich glaube, ich bin mit einer großen Portion Enthusiasmus auf diese Welt gekommen. Das ist wie ein Sommer, den ich in mir trage, und das nervt auch viele. Ich kann kein „Nein“ akzeptieren, will immer etwas ändern, weil ich sowieso unzufrieden mit dem Status quo bin. Meine Make-up-Lehrerin hat ganz früh gesagt: „Wenn es den Job nicht gibt, den ihr haben wollt, dann schafft ihn euch selber.“ Und das habe ich ernst genommen. 

alverde: Dein erster Sohn kam zur Welt, als Du gerade in den Startlöchern standest mit 21. Der Freund: weg. Ein Karriereaus für viele Frauen, nicht für Dich. 
Susanne Krammer: Ja, das meinten meine Eltern damals auch: „Susanne, hast Du schon mal was von Sozialhilfe gehört?“ Daraufhin dachte ich mir: Jetzt erst recht. Und auf diesem „Jetzt erst recht“-Ding bin ich relativ lange gesurft. Du musst wissen: Ich habe meinen ersten Freund verloren, da war ich sechs. Das hat mich traumatisiert und mir mit aller Wucht gezeigt: Du hast nur dieses eine Leben. Also wurde ich erfinderisch, da es für Mütter keinen vorgeebneten Weg gibt. Ich nahm Finn beispielsweise zu Shootings im Tragetuch mit. Auch wenn mich das für viele in unserer Gesellschaft nicht zur Mutter des Jahrtausends macht und ich oft als Rabenmutter bezeichnet wurde, weil ich nicht zum Elternabend erschienen bin, wo über Colafläschchen diskutiert wurde. Wenn ich meine Kinder anschaue, kann ich von mir selbst sagen: „Ich bin eine gute Mutter.“ Das ist ein Irrglaube von ganz vielen Menschen in unserer Gesellschaft: „Und dann bist du Mutter. Ende der Geschichte.“ Du kannst Du selbst sein und damit das bestmögliche Vorbild. 

alverde: Die Erfahrung, dass sich selbst Familie und Freunde von einem abwenden, wenn es schwer wird, wiederholte sich zehn Jahre später. Als Du nach einer misslungenen Schönheits-Operation um Dein Leben gekämpft hast. 
Susanne Krammer: In solchen Situationen brauchst Du niemanden, der Dir eine Lösung bietet. Du brauchst niemanden, der wegmacht, was Du gerade fühlst. Du brauchst jemanden, der sich mit ins Loch setzt, Dich in den Arm nimmt, einfach da ist und, so wie es Grönemeyer singt: sich mit in den Sturm stellt. Das ist aber schlimm für viele Menschen, weil sie auf ihre eigene Hilflosigkeit zurückgeworfen und an ihre eigene existenzielle Einsamkeit erinnert werden. Mir fällt das leicht, ich hatte noch nie Angst vor Gefühlen. 

Portraits von fraubeauty Susanne Krammer

Die Haare: back to nature, das Gesicht: ungeschminkt, die Figur: „mein Wohlfühlgewicht“ und die Klamotte: bequem – Susanne ist mit sich im Reinen. © Claudia Graßl

alverde: Vor der lebensrettenden Amputation Deiner Brüste hattest Du Dich bereits von Deinen mittlerweile zwei Söhnen verabschiedet. Du hast überlebt. Doch Du wurdest depressiv und hast jeden Lebensmut verloren. 
Susanne Krammer: Das hatte nichts mit meinem Aussehen zu tun, das kam von innen. Ich habe gemerkt, dass meine Herkunftsgeschichte brutal an mir nagt. Ich war Punk, ich war 1er-Schülerin, extrem laut, extrem artig, extrem erfolgreich, extrem schön – aber egal, was ich auch tat, ich bekam nicht die Aufmerksamkeit meiner Mutter, die ich mir wünschte. Und so wurde ich extrem krank. In der Psychotherapie habe ich mich diesem Schmerz gestellt, der dadurch an Kraft verlor. Mithilfe der systemischen Beratung habe ich gelernt, damit zu leben. Loslassen konnte ich durch die Meditation. Da war nur noch ich. Und ich habe gemerkt, ich finde mich gut, so wie ich bin. Alles andere sind nur Programme, die ich von anderen auf die Festplatte gespult bekommen habe. Das war eine Freiheit, die ich mit einem Mal hatte. Ey, alter Falter, das war so schön zu wissen, ich hab das alles erlebt, das liegt hinter mir. Jetzt schau ich nur nach vorn, nicht mehr in den Rückspiegel. 

alverde: Bist Du auch frei von Schönheitsidealen? Bis heute hast Du Dich gegen eine Rekonstruktion entschieden. 
Susanne Krammer: Ich sah früher aus wie Gisele Bündchen. Heute sehe ich obenrum aus wie ein 13-jähriger Junge. Ich weiß, dass ich – objektiv betrachtet – nackt nicht attraktiv bin, aber das ist mir total egal. Die Menschen, die mir nackt näher kommen, lieben mich. 

In Liebe und Respekt sich selbst zu sehen heißt nicht, dass mir egal ist, was die anderen sagen. Aber ich hänge nicht mehr davon ab.

alverde: Dann fällt Dir das Älterwerden auch leicht? 
Susanne Krammer: Wir müssen aufhören, davon zu reden, dass es einfach ist. Es ist nicht einfach. Aber wir müssen uns annehmen. Jedes Mal, wenn wir in den Spiegel schauen und uns sagen, was uns nicht an uns gefällt, kämpfen wir gegen uns. Das ist auch der Grund, weshalb ich nichts an meinem Gesicht machen lasse. Ich will mich später nicht fragen: „Wie hätte ich wohl ausgesehen?“ Klar ist es hart, Abschied zu nehmen von der Frau, die wir einmal waren, weil uns auch unsere Gesellschaft nicht dabei hilft, die Frau, die wir werden, geil zu finden. Neulich hat ein 18-jähriger Content-Creator im Taxi zu mir gesagt: „Ich bewundere Dich, dass Du Dich in Deinem Alter noch vor die Kamera traust.“ Auf Influencer-Veranstaltungen erwischt mich immer eine Traurigkeit. Aber die nehme ich an und sage mir: „Du bist nun einmal keine 20 mehr, willst nicht so viel Sport machen und gern Kuchen essen.“ Ich erlaube mir, ich selbst sein zu dürfen. Darum müssen wir kämpfen – und auf dem Abstellgleis einfach die coolere Party feiern. 

alverde: Du nennst Dich selbst: „professioneller Erklärbär“, berätst auf Social Media Hunderttausende von Menschen in Schönheitsfragen und bringst diesen Monat die mit dm entwickelte hautsache-Pflegeserie heraus. Was ist Dein Ansporn? 
Susanne Krammer: Ich würde am liebsten den ganzen Tag lang Menschen dabei helfen, sich selbst zu sehen. Die Beratung ist für mich der Auftrag, dass Du Dich wohl fühlst. Denn es gibt keine hässlichen Gesichter, nur hässliche Persönlichkeiten. Ich hatte selbst jahrelang Akne, Neurodermitis und periorale Dermatitis. Davon erzählt auch meine Pflegeserie hautsache. 

Sie verspricht keine Soforteffekte, weil es nun mal Zeit braucht, um zu heilen. Mein Ziel ist es, der Haut damit zu ihrer bestmöglichen und gesündesten Version zu verhelfen mit einer grundnahrungsähnlichen Wirkstoffstruktur, die der Haut das gibt, was sie braucht. Und das ist vor allem Schutz in Form von Antioxidantien und UV-Filtern. Ja, das mag gänzlich unspektakulär klingen, ist aber heilsam. 

Susanne Krammer - fraubeauty

Nach ihrem 1er-Abitur machte sie zum Ärger ihrer Eltern eine Ausbildung zur Make-up-Artistin mit dem Ziel, international durchzustarten. Und das hat sie getan. Sie zählte zum festen Styling-Ensemble der Fashionweeks in Paris, London und New York, leitete zwischendurch viele Jahre lang die Beauty-Ressorts der Magazine Joy und Shape, lief selbst mal für Jean Paul Gaultier und gründete ihr eigenes Online-Magazin junemag. Gemeinsam mit dm hat sie die Marke hautsache entwickelt, die diesen Monat bei dm einzieht.

Drei Dinge über Susanne Krammer aka fraubeauty

  1. Der Beziehungskitt zwischen ihr und ihrem Mann: Humor und die beiden Kater Pete und Freddie.

  2. Die beste Version ihrer selbst ist sie auf dem Rücken ihres Pferdes. Auch Tambor hat viel durchgemacht und sich mit ihr entschieden, zu heilen.

  3. Wofür sie heute dankbar ist: ihre Gefühle.

Ende der Auflistung