Sie folgt ihrer inneren Stimme

Heute vertraue ich allein meiner Intuition und konzentriere mich als emotional gesteuerter Mensch vor allem auf den kreativen Part. © David Maupilé
Interview mit Yvonne Catterfeld
Yvonne Catterfeld ist seit über 20 Jahren eine Größe in der Unterhaltungsbranche. Trotzdem fordert sie mehr Mut zu neuen Talenten und sich selbst immer wieder heraus.
Das Cap tief in die Stirn gezogen, erscheint Yvonne Catterfeld an diesem Freitagmorgen um kurz nach acht im Münchner Studio. „Ich saß gestern Abend noch ewig lang mit meinem Sohn an seinen Mathe-Hausaufgaben. Wahnsinn, was die in der fünften schon draufhaben müssen.“ Deshalb gibt’s an diesem Morgen für die bekennende Eule erst einmal einen großen Kaffee mit Hafermilch und eine Gesichtsmassage von Visagistin Saskia, mit der Yvonne schon viele Jahre befreundet ist. Als es dann zum Interview geht, weiß sie auch schon genau, welches Plätzchen dafür perfekt ist. „Schau mal, die Ecke hier ist doch gemütlich. Mittlerweile lege ich auf solche kleinen Dinge großen Wert.“
alverde: Mittlerweile? Das kennen viele. Für seine Bedürfnisse einzustehen, fällt einem mit Mitte 40 einfach leichter als mit 20, oder?
Yvonne Catterfeld: Oh ja. Wobei ich sagen muss, dass ich schon immer ein sehr intuitiver Mensch war und genau weiß, was für mich gut ist und was nicht. Warum ich früher jahrelang das gemacht habe, was andere wollten, etwa immer lächeln und zu allem „Ja“ sagen? Weil ich glaubte, dass es die anderen besser wissen. „Bullshit“ habe ich den Song darüber genannt. Ein Irrtum. Heute vertraue ich allein meiner Intuition und konzentriere mich als emotional gesteuerter Mensch vor allem auf den kreativen Part. Für das ganze Drumherum hole ich mir Unterstützung.
alverde: Sie kommen gerade aus London – eine kleine Auszeit vom aktuellen Trubel?
Yvonne Catterfeld: Ja, mein Freund kommt aus England, wir haben dort eine gemeinsame, kleine Wohnung. Mich kennt in London niemand. Das kann sehr befreiend sein. Ich bin da schon ein wenig anders, glaube ich. Dieses Bewusstsein, erkannt zu werden, macht hierzulande schon etwas mit mir. Und das seit gut 24 Jahren. Deutschland ist gerne bewertend, da schwingt schon mal der ein oder andere erzieherische Unterton mit. Die Menschen sind in London schon sehr anders. Aber die wichtigsten Auszeiten sind für mich, wenn ich mit meinem Sohn oder wir zu dritt zusammen sind. Ob Fahrrad fahren durch die Natur, was unternehmen, egal wie, Hauptsache Zeit miteinander verbringen. Deshalb wohnen wir auch ländlich im Grünen.
alverde: Ja, sobald Kinder da sind, verändern sich die Prioritäten meist von alleine.
Yvonne Catterfeld: Ich wollte am liebsten schon mit Anfang 20 Mama werden. Aber dann kam beruflich so viel dazwischen. Mein Expartner war ja bereits Papa, als wir zusammenkamen, seine Tochter war damals vier Jahre alt. Das hab ich als eine große Bereicherung empfunden. Kinder zu haben war und ist für mich das Größte. Auch heute denke ich bei Jobanfragen zuerst an meinen Sohn und sage auch viel ab.

Von der Jeans in den Lederrock – das macht sie nur fürs Shooting. Hinter der Kamera mag Yvonne Catterfeld es legerer. © David Maupilé
alverde: Sie beschreiben sich selbst als einen sensiblen und empathischen Menschen. Eigenschaften, die Ihnen auch bei anderen Menschen enorm wichtig sind. Aber genau die machen es einem ja oft schwer, auf sich selbst gut zu achten. Wie gelingt Ihnen das?
Yvonne Catterfeld: Mal mehr, mal weniger. Mich berühren viele Sachen und ich schau immer darauf, dass es allen gutgeht, auch am Set. Dabei vergisst man sich gern selbst und so gab es bei „The Voice“ die letzten Jahre mal die ein oder andere schlaflose Nacht. Eigentlich bin ich vom Typ her wahrscheinlich mehr für den Beruf der Erzieherin geeignet als für dieses Business (lacht). Ich kümmere mich halt gerne um andere.
alverde: Was stört Sie an diesem Business am meisten?
Yvonne Catterfeld: Mir fällt immer wieder auf, dass oft die gleichen Leute gebucht werden. Warum nicht mal mutiger sein und Newcomern die Chance geben, ob das nun Moderatorinnen und Moderatoren oder Sängerinnen und Sänger sind. In dieser Branche geht man generell ungern ein Risiko ein, vor allem in der Musik. Damit hatte ich oft zu kämpfen. Was Erfolg hat, gilt als Richtlinie. Junge, wirklich talentierte Menschen haben es hierzulande oft echt schwer, durchzukommen. Ich finde auch, dass vieles oberflächlicher geworden ist. Ich glaube, es ist wichtig, sich immer mal wieder bewusst zu machen, dass vieles auf Social Media gefaked ist. Natürlich kann man dank Social Media heute auch sehr viel selbst in die Hand nehmen und steuern. Aber mal ehrlich: Alle hängen ständig an ihren Smartphones und bekommen von ihrer Umwelt so wenig mit. Ich bin und schaue auch auf Social Media, das gehört zu meinem Beruf und macht ja auch Spaß, aber ich setze mir Limits und lege das Telefon viel außer Sichtweite.
alverde: Sie haben mal gesagt, dass, neben der Zeit, der Kopf Ihr größter Feind ist. Dieses ständige Grübeln, was einen davon abhält, ins Tun zu kommen.
Yvonne Catterfeld: Dem Thema widme ich auf meinem neuen Album gleich mehrere Lieder. Beruf, Kind, Partner, Haushalt – und alles will man so perfekt wie möglich machen. Ohne meine Listen würde ich daher nicht funktionieren, mein Kopf würde explodieren (lacht). Und dennoch: Jeder Tag erscheint mir immer viel zu kurz. Damit ich mir am Ende nicht aufzähle, was ich alles nicht geschafft habe, habe ich wieder damit angefangen, mir fünf positive Sachen aufzuschreiben – und wenn es nur ein Anruf war, der mir schwergefallen ist und den ich lange vor mir hergeschoben habe.
alverde: Ihr neuer Song „Move“ ist ein motivierender Dance-Pop-Track, der einfach gute Laune versprüht. Etwas, nach dem wir uns gerade alle sehnen.
Yvonne Catterfeld: Ich dachte, wir brauchen etwas zum Tanzen, etwas Aufmunterndes, was uns gute Laune gibt und uns selbst wieder aufstehen lässt. „Lift me up“ heißt auch ein Song auf meinem Album. Ein anderer: „Chaos in my Head“. Gerade in Phasen, in denen ich mit mir und der Welt struggle, tut mir Musik gut. Ich habe Playlisten für jede Stimmung erstellt, die ich mir immer wieder neu zusammensuche. Musik ist mein persönlicher Gamechanger. Sie kann mich von einer in die andere Stimmung versetzen. Ich kann mit ihr negativen Gefühlen gegensteuern, tiefer reingehen oder alles rausfloaten.
alverde: Wie alle Ihre Alben, erzählt auch Ihr neuntes von einem Neubeginn. Nachdem „Change“ eine Hommage an die Veränderung als Chance war, geht es in „Move“ um das Gute, das meist aus einer solchen entsteht. Können wir also den Rückschluss ziehen, dass es Ihnen gerade so gut wie nie geht?
Yvonne Catterfeld: Das würde ich so nicht sagen. Die 30er waren meine besten Jahre. Ich bin Mama geworden, wurde selbstständig, unabhängig und selbstbewusster. Klar, ich bin auch jetzt glücklich. Heute bin ich mehr in mir. Die 30er waren unbeschwerter. Dann kam die Trennung von meinem langjährigen Lebenspartner und Vater meines Kindes, das war die intensivste Phase überhaupt. Für meine Arbeit am Vorgängeralbum Change ist alles rausgeflossen, das war wie Tagebuchschreiben. Dennoch war die Trennung kein Scheitern, sondern eine Chance für mich. Entsprechend wollte ich für das neue Album nur Good Vibes.
Wenn sie gerade mit sich und der Welt struggelt, dann hilft ihr die Musik, sich wieder aufzuraffen. © David Maupilé
alverde: Sie stehen regelmäßig für die Serie „Wolfsland“ vor der Kamera – die mehr Psychothriller als Krimi ist.
Yvonne Catterfeld: Ja, das gefällt mir so an ihr. Ich finde die Psychologie dahinter super spannend. Krimi ist eigentlich nicht mein Genre, das ist mir viel zu oberflächlich. Unsere Reihe zeigt Abgründe von Menschen und lässt Raum für Unerklärliches.
alverde: Gibt es ein Herzensthema, das Sie gerne abends zur Hauptsendezeit um viertel nach acht in die Wohnzimmer bringen würden?
Yvonne Catterfeld: Die Frauenbewegung hat für viele Frauen Großes erreicht, aber ich sehe auch im Umkehrschluss immer mehr, dass Männer struggeln und Jobs verlieren, weil dieser nur von einer Frau besetzt werden darf und es nicht mehr um Qualität oder Kompetenz geht. Dabei sollte es neben Gleichberechtigung der Frauen auch um Qualität gehen. Klar ist die Bewegung ein sehr wichtiger Aspekt für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Es sollten mehr Frauen eine Chance bekommen, vor allem in männerbesetzten Branchen. Dennoch müssen wir aufpassen, dass es nicht in eine andere Richtung geht. Es gibt genauso viele tolle respektvolle, intelligente und emotionale Männer wie Frauen. Und es gibt nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die ihre Macht über das Thema Gleichberechtigung ausnutzen. Das wäre doch mal ein super Thema für einen Film.
Yvonne Catterfeld
In ihrer 23-jährigen Musik- und Filmkarriere veröffentlichte die gebürtige Erfurterin bisher acht Studioalben und bewies ihr Talent als Songwriterin und Musikerin sowie als Schauspielerin. Sie etablierte sich in vielen Filmgenres, spielte in nationalen als auch internationalen Produktionen mit. 2024 besetzte sie erneut den Coachstuhl bei „The Voice of Germany“ und als Schauspielerin sah man sie wieder in der erfolgreichen Krimi-Reihe „Wolfsland“. Am siebten März veröffentlicht sie ihr neuntes Album „Move“, mit dem sie ab dem 14. Mai auch auf große Deutschlandtournee geht.