Auch mal gegen den Strom schwimmen

Ute Vogt in ihrer ehrenamtlichen Kleidung vom DLRG im Potrait. © Jörg Wunram/eventoplena.de
Im Interview mit der Präsidentin der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft
Als Präsidentin der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) hört Ute Vogt im Sommer nahezu jede Woche bewegende Rettungsgeschichten. Für sie Bestätigung, dass ihr Abschied aus der Politik richtig war, und Motivation dafür, die Wasserrettungsgesellschaft noch breiter aufzustellen.
Ein Ehrenamt, das sich wie ein Vollzeitjob anfühlt – so beschreibt Ute Vogt ihre Aufgabe. „Wir sind kein reiner Badehosenverein“, sagt sie mit einem Lächeln, wissend, dass viele genau dieses Bild im Kopf haben. Die Arbeit der Lebensretter geht über den Einsatz an Badeorten hinaus: Spezialisierte Strömungsretter etwa leisten bei Hochwasser Katastrophenhilfe. Ute Vogt setzt sich dafür ein, noch mehr Freiwillige für diese anspruchsvolle Arbeit zu gewinnen und sie noch besser zu schulen. Auch wenn sie sich selbst keine Rettungsweste überzieht, trägt sie in dem Verband mit über 600.000 Mitgliedern viel Verantwortung.
Siege und Enttäuschungen
Für etwas einzustehen ist für Ute Vogt nichts Neues. Als 24-Jährige saß sie schon für die SPD im Stadtrat von Wiesloch, Baden-Württemberg. Mit 29 zog sie das erste Mal in den Bundestag ein. Die Möglichkeit, dass man auch als einfache Abgeordnete konkret etwas bewegen kann, wenn man sich mit anderen zusammenschließt – das war es, was sie fast drei Jahrzehnte in der Politik gehalten hat. Und der Austausch mit Menschen aus allen Lebensbereichen: „Vom Arbeitslosen bis zur Unternehmenschefin – in wenigen Berufen kommt man mit so vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch.“
Ihre Karriere hatte Höhen – 2001 führte Ute Vogt einen „elektrisierenden Wahlkampf“ in Baden-Württemberg und wäre fast Ministerpräsidentin geworden – und Tiefen: Als sie den Erfolg vier Jahre später nicht wiederholen konnte, erlebte sie, „wie sich diejenigen von mir abwandten, die mir gestern noch zujubelten.“ Sie habe „typische Frauenfehler“ gemacht, sagt sie rückblickend: Etwa auf Autoritätssymbole und Machtdemonstrationen verzichtet, was ihr von männlichen Kollegen als Desinteresse oder Schwäche ausgelegt wurde. „Ich habe Politik aus Überzeugung gemacht, nicht aus Kalkül.“
Kein RĂĽckzug, ein Wechsel
2021 schied sie aus dem Bundestag aus, auch um einer neuen Generation Platz zu machen. Mit Mann und Hund zog sie von Stuttgart an die Ostsee – ein lang gehegter Traum. Dass sie dort nicht nur ihren Beruf als Rechtsanwältin ausüben würde, war schnell klar. Für die DLRG hatte sie seit 2005 als Vizepräsidentin gesellschaftspolitische Themen eingebracht. Nun suchte der Verein eine neue Spitze – die Wahl fiel auf Ute Vogt. Vieles, was sie in der Politik gelernt hat, hilft ihr heute: Den Überblick behalten, schnelle Entscheidungen treffen und Themen setzen.
Ihr wichtigstes Anliegen neben dem Ausbau des Katastrophenschutzes: „Es dürfen nicht noch weitere Schwimmbäder schließen, schon jetzt ist es in vielen Grundschulen schwierig, ein Bad für den Schwimmunterricht zu finden.“
Ehrenamt neu denken
Die DLRG kann mit ihren Schwimmkursen nicht alles auffangen. An ehrenamtlichen Helfern fehlt es zwar nicht, aber ihr Zeitbudget ist kleiner geworden. Ute Vogt hat dafür Verständnis und sucht nach Lösungen: „Wir müssen offen sein für Menschen, die nicht schon mit acht Jahren bei uns im Kinder-Schwimmtraining waren, sondern sich erst später in der DLRG engagieren wollen“, sagt sie.
Seit ihrer Zeit in der Politik ist sie stressresistent: „Lange Autofahrten und viele Termine machen mir nichts aus, weil ich als Abgeordnete ein ganz anderes Pensum kenne“, sagt sie. Und der Ausgleich ist dann nur einen fünfminütigen Fahrradweg entfernt. Die 60-Jährige macht Strandspaziergänge mit dem Hund und geht von Frühjahr bis Spätsommer schwimmen. „Ich habe eine große Liebe zum Wasser, aber auch Respekt davor“, sagt sie. Genau die Haltung, die auch die DLRG mit ihren rund 50.000 Rettungsschwimmern vermittelt.