Was sind die Bäume der Zukunft?

Fingerspitzengefühl gefragt: Mitglieder des Vereins "Wald zum Leben" pflanzen resiliente Baumarten.
Lino Steinbronn von „Wald zum Leben“ pflanzt Bäume
Für Grün auf dieser Welt sorgen: Das tun wir vor allem für nachfolgende Generationen. Doch welche Arten können angesichts des Klimawandels langfristig Wurzeln schlagen?
Ein Blick in die Baumkronen von morgen. Die gemeinnützige Stiftung „Wald zum Leben“ hat bis heute über 65.000 Bäume und Sträucher in Rheinhessen neu gepflanzt und beschäftigt sich mit dem Anbau von Pflanzen in Zeiten des Klimawandels. Stiftungsmitglied Lino Steinbronn verrät, warum es nicht den einen Zukunftsbaum gibt, wie Pionierbäume helfen können und welche Rolle ein Pilz-Netzwerk spielt.
alverde: Was pflanzen Sie an?
Lino Steinbronn: Wir pflanzen Laubmischwälder mit möglichst vielen verschiedenen heimischen Baumarten an, um das Risiko zu streuen. Außerdem legen wir Streuobstwiesen an und lassen zwischendrin wertvolles Offenland, um die Artenvielfalt von Insekten und Bestäuberinsekten sowie Vögeln zu fördern.
alverde: Welche Bäume trotzen den veränderten Klimabedingungen?
Lino Steinbronn: Den einen Zukunftsbaum gibt es nicht, da wir nicht wissen, wie sich die Klimaveränderungen zukünftig auswirken werden. Wir setzen auf heimische Arten, die Biodiversität fördern und mit Trockenheit und langen Hitzeperioden zurechtkommen, wie der Feldahorn, der Speierling oder die Elsbeere. Mit ihrem Wurzelwerk gelangen sie in tiefere Bodenschichten, wo sie sich besser mit Wasser versorgen können.
alverde: Wie wählen Sie die Flächen aus?
Lino Steinbronn: Auf Ackerflächen, die nicht mehr interessant für die Landwirtschaft sind, weil die Böden ausgelaugt sind, erschaffen wir neue Ökosysteme.
alverde: Welche Aufgabe haben Pionierbäume und welche Arten zählen dazu?
Lino Steinbronn: Auf einer ungenutzten Wiese wachsen von Natur aus Pionierbaumarten. Sie können auf nährstoffarmen Böden gedeihen, lockern Böden durch ihre tiefen Wurzeln auf und können das Mikroklima einer Fläche durch Beschattung puffern und Verdunstung reduzieren. Von diesem Vorgang, auch Sukzession genannt, lassen wir uns inspirieren. Wir pflanzen Pionierbäume, wie die Birke oder Pappel, und Zielbäume, wie die Eiche, Buche oder Linde, gleichzeitig. Die Pionierbäume treiben schneller nach oben und haben einen positiven Effekt auf die Fläche. Die Zielbäume verdrängen nach ein paar Jahren die konkurrenzschwachen Pionierbäume.
alverde: Welche Schlüsselrolle spielen Pilze bei Neuanpflanzungen?
Lino Steinbronn: Die Mykorrhiza-Pilze leben von Natur aus in Symbiose mit Bäumen. Meist bekommt der Pilz Fotosyntheseprodukte des Baumes in Form von Zucker und gibt dafür wichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Wasser an die Wurzeln ab. Wir tunken die Wurzeln der Bäume vor dem Einpflanzen in eine Mykorrhizasporen-Mischung. Das nennt man „Beimpfen“, weil der Pilz sofort eine symbiotische Beziehung mit dem Baum eingehen kann.
alverde: Was sind Ihre größten Herausforderungen bei Neuanpflanzungen?
Lino Steinbronn: Lange Trockenheitsperioden sind für junge Bäume fatal. Aktuell experimentieren wir mit Tröpfchenbewässerung. Das Positive: Wenn sich ein Ökosystem auf einer Fläche entwickelt, wird es immer resilienter. Nach drei Jahren bewässern wir keinen Baum mehr.
Lino Steinbronn

Der Baumflüsterer pflanzt, pflegt und bewässert Zukunftswälder. Er ist von Beginn an Stiftungsmitglied von „Wald zum Leben“ und hat schon als Kind Bäume in seiner Heimat Rheinhessen angepflanzt.
Vom Ödland zur Oase Degradierte Flächen wieder in wertvolle Lebensräume verwandeln: Für diese Mission arbeitet dm mit den Experten der Organisation GREENZERO zusammen. dm hat bereits die Renaturierung von 150 Hektar finanziert. dm verfolgt das Ziel, seine umweltbezogenen Auswirkungen ganzheitlich zu betrachten, diese bestmöglich zu reduzieren und die nicht vermeidbaren Auswirkungen mit diesem umfassenden Ansatz von GREENZERO in Deutschland auszugleichen.
Infos: dm.de/umweltneutral-handeln
Die Hainbuche wächst auch bei Wärme und Trockenheit.
Superbäume für die STADT
Durch starke Versiegelung und dichte Bebauung heizen sich Städte stärker auf als das Umland. Bayern sucht klimaresiliente Stadtbäume, Hamburg und Berlin pflanzen sie auf ein Dach – drei Projekte für die grüne Abkühlung.
Die internationale Baum-WG
Einige gängige Stadtbaumarten wie zum Beispiel die Kastanie leiden immer stärker unter Trockenstress, Sonnenbrand an der Rinde, Bodenversiegelung oder Krankheiten. Das Projekt „Stadtgrün 2021+“ der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) forscht in Bayern an Zukunftsbäumen für die Stadt. In einem Langzeitversuch wurden in den letzten 15 Jahren knapp 650 Versuchsbäume aus 30 verschiedenen Baumarten, davon viele nicht heimische Arten aus Nordamerika, Asien oder Südosteuropa, an Straßen in drei klimatisch sehr unterschiedlichen bayerischen Städten gepflanzt. Regelmäßig werden sie gecheckt: Einige Bäume vertragen viel Hitze, dafür den Frost nicht, andere brauchen zu häufig einen neuen Schnitt oder reagieren empfindlich auf Streusalz. „In den meisten deutschen Städten bestehen 80 Prozent aller Straßenbäume aus nur acht Baumarten, vor allem Linden und Ahorn. Wir wollen mehr Vielfalt und testen, welchen Bäume mit den jeweils unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in der Stadt zurechtkommen. Erste vielversprechende Ergebnisse liegen bereits vor“, sagt Dr. Susanne Böll von der LWG.
Moderne Architektur in grüner Stadtumgebung: Dachgärten sind eine Möglichkeit, mehr Grün in die Städte zu bringen.
Natürliche Klimaanlagen auf dem Dach
Wohin mit Bäumen in der Stadt, wenn immer weniger Raum für sie zur Verfügung steht? Dachgärten sind ein neuer Lösungsansatz. Auf dem öffentlichen Dachgarten des geschichtsträchtigen und umgebauten Hamburger Bunkers am Heiligengeistfeld wurden in fast 60 Metern Höhe 4.700 Bäume und Sträucher gepflanzt, darunter zum Beispiel Bergkiefern, Säulenwacholder und Zoeschener Ahorn. Wissenschaftler der TU Berlin haben vor Ort 80 Sensoren installiert, um in den nächsten fünf Jahren Daten zu Wärmespeicherung, Verdunstungsprozessen und Biodiversität zu erheben und herauszufinden, ob die Pflanzen in luftiger Höhe das Klima in der Hansestadt verbessern können. Das kleinere Pendant in Berlin ist das grüne Plateau des Büroneubaus AERA. Auf dem 32 Meter hohen Dach wächst eine öffentliche Parklandschaft mit 30 circa zwölf Meter hohen Kiefern, Eichen, Ahornen und Wildkirschen.
Bild (ganz oben): Wald zum Leben, Markus Langhake
Bild Experte: Wald zum Leben
Bilder Bäume: Stadtgrün 2021+, Bauwens