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Digitale Kompetenz für alle ist wichtig für gesellschaftliche Teilhabe

Familie schauen auf Tisch mit digitalen Medien

„Alle Menschen sollen die Möglichkeiten, die die digitale Welt bereithält, erfahren können.“ © Jörn Strojny

Wesentliche Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und auf Bildung liegen mittlerweile im digitalen Kosmos – gerade für Menschen mit Beeinträchtigung. Wie digitale Kompetenz ihnen mehr Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein eröffnen kann, zeigt die inklusive offene Jugendeinrichtung „Offene Tür Ohmstraße“ in Köln.

Es ist nur ein Smartphone. Aber für die 20-jährige Sophie ist es wie Gleis 9 ¾ für Harry Potter: das Tor zu neuen Welten. Im Internet findet die junge Frau nämlich etwas, das ihr sonst verschlossen bleibt: die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, neue Horizonte zu erkunden. Sophie hat eine sogenannte mittelgradige geistige Behinderung. Sie kann sich nicht örtlich oder zeitlich orientieren, weder lesen noch schreiben. Aber sie kann nun Sprachnachrichten senden und empfangen, sich Texte vorlesen und Bilder erklären lassen und sich mit Freundinnen, mit der Familie austauschen. Auch und gerade mit Emojis. „Die liebt sie!“, sagt Bianca Rilinger, Leiterin der inklusiven Jugendeinrichtung Offene Tür (OT) Ohmstraße in Köln.

Die digitale Welt barrierefrei erkunden

Hier hat Sophie den Umgang mit den digitalen Medien gelernt, so wie alle anderen der wöchentlich 130 Besucherinnen und Besucher der Einrichtung im Alter zwischen sechs und 27 Jahren. „Etwa 70 haben eine Beeinträchtigung von mindestens 50 Prozent. Darunter körperliche und geistige Beeinträchtigungen und solche aus dem Autismus-Spektrum.“ Ein weites Feld, das sonst vor allem einen großen gemeinsamen Nenner hat: Alle Kinder und Jugendliche lernen hier den souveränen Umgang mit Smartphone, Tablet und Co. Sie erfahren, wie sie ihren Aktionsradius und ihre Ausdrucksmöglichkeiten mit der digitalen Technik erweitern können.

Alle Angebote sind natürlich inklusiv. Dabei zeigt sich immer wieder, wie gerade für die Besucherinnen und Besucher mit Behinderung die elektronischen Medien nicht nur eine wertvolle Chance sind, mehr mit anderen zu kommunizieren. Sie werden auch selbst kreativ, zu Produzenten, lernen etwa, kleine Filme zu drehen, zu schneiden, Podcasts zu produzieren. Sie lernen, wie man Fotos bearbeitet, einen Blog schreibt oder Flyer produziert. Das alles ist barrierefrei, mit Webangeboten, besonderen Apps, die von allen Nutzern, unabhängig von ihren Einschränkungen oder technischen Möglichkeiten, genutzt werden können. Beispielsweise sollten Websites für grafische Inhalte eine beschreibende Text-Alternative – in einfacher Sprache - zum Lesen und Hören bieten und es sollte immer auch die Möglichkeit der Vergrößerung geben. Das Ziel: mehr Selbstständigkeit.

Selbstwirksamkeit und Teilhabe erfahren

Ein großer Vorteil ist auch, mit anderen in ähnlichen Situationen in Kontakt zu kommen, zu entdecken, dass man auch mit einer Beeinträchtigung Role-Model sein kann. Dass man sichtbar ist, wo man sonst so häufig übersehen wird. „Wir haben eine Besucherin mit Behinderung, die ein großer Fan von Schminktutorials ist. Sie folgt vielen Frauen mit Behinderung auf Social Media. Zu sehen, was trotz allem möglich ist, empowert die Jugendlichen sehr“, weiß Bianca Rilinger.

Und es verbessert ihre Chancen. Spätestens seit dem Lockdown und den Anforderungen des Homeschooling wissen wir, dass vor allem auch im schulischen Bereich die Nase vorne hat, wer Medienkompetenz besitzt.

Sicher und selbstbestimmt im Internet surfen

Sich im Netz selbst Wissensquellen erschließen und sich Themen eigenständig digital erarbeiten zu können, ist auch ein Lernziel, das bei Bianca Rilinger und ihren Kolleginnen oberste Priorität hat. Mit allen dazu notwendigen Sicherheitshinweisen. „Youtube-Videos sind ein Segen. Aber man muss sich das wie einen gigantischen Schulhof vorstellen, auf dem gleichzeitig sehr Wichtiges, Lehrreiches und Nützliches, aber auch Nichtiges, gar Gefährliches passiert. Wir sind sozusagen die Pausenaufsicht. Wir zeigen, wie viel Gutes man im Netz findet, aber auch, wie man sich vor dem nicht so Guten – etwa Hate-Speech – schützt.“

Am Ende haben die Besucherinnen und Besucher der OT Ohmstraße in Köln tatsächlich etwas für ihr Leben gelernt. Man nennt es Digital Literacy, die Fähigkeit, Informationen aus digitalen Medien zu finden, zu bewerten, selbst zu erstellen und mit ihnen zu kommunizieren. Man könnte es auch ganz einfach sagen: Sie haben an Gleis 9 ¾ ein Erste-Klasse-Ticket für ihre Zukunft erworben.