Die Goldindustrie nachhaltig verändern

„Guya Merkle stellte die Goldindustrie + ihre Familiengeschichte in Frage“ © Alicja Minkwitz
Porträt über Guya Merkle
Guya Merkle übernimmt das Schmuckunternehmen ihres Vaters. Doch statt wie gehabt weiterzumachen, möchte sie die Schmuckindustrie nachhaltig verändern.
Guya Merkle erinnert sich noch gut an das Fläschchen Blattgold auf dem Schreibtisch ihres Vaters, mit dem sie als Kind gern spielte. Sie wächst in den Achtzigern in der Goldstadt Pforzheim auf. Ihr Vater betreibt erfolgreich ein großes Schmuckunternehmen, das er wiederum von seinem Vater geerbt hat. „Ich reiste mit meinem Vater nach New York und er nahm mich regelmäßig mit auf Messen. Manchmal habe ich Diamanten in seiner Jackentasche gefunden“, erzählt Guya Merkle.
Als ihr Vater plötzlich stirbt, kommt nur sie als Nachfolgerin des Familienunternehmens infrage. Die damals 21-Jährige hatte gerade erst ihr Kommunikationsstudium mit Fokus auf soziale Verantwortung in Potsdam begonnen und wollte ihren eigenen Weg gehen: Kommunikation nutzen, um Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft sichtbar zu machen. Dann entscheidet sie sich, es dennoch zu versuchen. „Nach zwei Jahren habe ich das Unternehmen gegen die Wand gefahren“, erzählt Guya Merkle.
Ein Moment, der ihr Leben verändert
Für die heute 38-Jährige war das Ende ein Neuanfang. „Nach diesem Rückschlag wollte ich verstehen, was meine Familie seit Generationen an Schmuck faszinierte“, sagt sie. Guya Merkle belegt Schmuckkurse in London. Auf einer Reise durch Peru nimmt sie spontan an einer Führung durch eine Goldmine teil: „Das war mein Life-changing-Moment. Ich sah Wellblechhütten, es hat nach giftigen Quecksilberdämpfen gestunken, Kinder arbeiteten in den Minen. Es gab keine medizinische Versorgung, die Arbeiter erhielten kaum Lohn und ich erfuhr, dass die Minen regelmäßig kollabierten.“ Sie stellte danach nicht nur die Industrie, sondern auch ihre familiäre Geschichte infrage.
Neustart mit Sinn
Zurück in Deutschland, gründet sie vor zwölf Jahren ihre gemeinnützige Stiftung „Earthbeat Foundation“ und ein paar Jahre später ihr Luxusschmucklabel „Vieri“, benannt nach dem zweiten Vornamen ihres Vaters. Im Fokus der Stiftung stehen die schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Menschen, darunter eine Million Kinder, die in kleinen Goldminen arbeiten. Sie und ihr Team unterstützen die Gemeinden in Uganda dabei, Kleinstminen, die nur wenige Kilo im Jahr gewinnen, zu schließen und alternative Einnahmequellen auf den Flächen zu fördern, wie Landwirtschaft oder Honigproduktion.
Außerdem möchte sie auf die Missstände beim Goldabbau aufmerksam machen. Dafür nutzt sie auch einen Teil des Gewinns und die Social-Media-Kanäle von „Vieri“. Für ihre Designs verwendet sie ausschließlich recyceltes Gold. Als nachhaltig würde sie ihr Label dennoch nicht betiteln. „Gold wird wiederverwendet, seitdem Gold geschürft wird. Es ist in erster Linie eine Währung, und solange Gold als Währung eine Rolle spielt, wird es abgebaut. Wir müssen an die Arbeitsbedingungen ran“, sagt die Unternehmerin. Sie ist der Überzeugung, dass nur die großen Player die Macht haben, etwas im großen Stil zu verändern. „Wir können sie mit unseren Leuchtturmprojekten nur inspirieren“, sagt sie. Innerhalb ihrer Familie hat es mit der Inspiration schon geklappt, erzählt die Mutter zweier Söhne: „Als mein 8-Jähriger vor Kurzem in der Schule äußerte, dass er später vielleicht mal Mamas Job machen möchte, hat mich das stolz gemacht“, sagt Guya Merkle und lacht.
Web-Tipp
Mehr Infos über die von Guya Merkle gegründete Stiftung: earthbeatfoundation.org