Sie trägt das Herz auf der Zunge

Julia Knörnschild spricht offen über ihre psychische Gesundheit.
Ein Interview mit Julia Knörnschild
Julia Knörnschild hat auf Social Media Tabus gebrochen und offen über ihre Überforderung als Mama, über Burn-out und ADHS gesprochen. Ihre Bewältigungsstrategien ermutigen viele andere Frauen.
„Ich finde es gut, wenn Dinge einen Namen haben“, sagt Julia Knörnschild. Was die Gesellschaft oft lieber unter den Teppich kehrt, benennt sie: wie es sich anfühlt, als Mama nicht mehr zu funktionieren, auf schwankendem Boden zu stehen und sich psychologische Hilfe zu holen. In ihrem Buch „Mama kann nicht mehr“ geht es um diesen Zustand der Erschöpfungsdepression. Der Besuch einer Tagesklinik half ihr unter anderem, sich wieder zu erden. „Ich habe so viele dankbare Nachrichten von Müttern bekommen, die sich durch meine Geschichte ermutigt gefühlt haben, selbst Therapie zu machen“, erzählt sie. „Mich und mein Helfersyndrom hat’s sehr gefreut.“
„Brutal offen“ war gestern
Ihre Art, mitfühlend zu sein, aber auch kein Blatt vor den Mund zu nehmen, ist die Mischung, die Julia Knörnschild auf Social Media bekannt machte – und ihr besonderer Humor. „Humor ist heilend und für mich wie ein Tool. Witze über ernste Sachen mag nicht jeder, für mich ist es aber eine Art der Verarbeitung“, sagt sie. „Brutal offen“, wie sie fünf Jahre lang in einem Mama-Podcast war, will sie heute nicht mehr sein: „Als mein Sohn ein Baby war, habe ich sehr persönlich über die vollgekackte Windel gesprochen. Jetzt ist er sechs und meine Tochter drei. Es soll nichts über sie im Internet stehen. Davor möchte ich meine Familie schützen.“
Als sie die Diagnose ADHS erhielt, fiel ihr vieles wie Schuppen von den Augen und erklärte die enorme Anstrengung, die sie oft empfindet und die im Burn-out mündete. „Ich möchte unbedingt eine Kinderbuchreihe über mentale Gesundheit machen. Ich finde es schön, wenn wichtige Botschaften und Tabuthemen einfach so in einer Geschichte vorkommen, als wären sie selbstverständlich, denn das sollten sie sein. So können wir sie normalisieren.“
Julia Knörnschild glaubt: Kinder wollen mitgenommen und nicht herausgehalten werden, wenn Eltern psychische oder andere Probleme haben. „Wenn man etwas verschweigt, checken sie das. Kinder spiegeln unsere Gefühle. Wenn ich PMS habe, sind die Kinder zickig, weil ich es auch bin“, erklärt die 35-Jährige.
Erdbeeren zum Stressabbau
„Ich habe meinen Kindern von Anfang an gesagt, wenn ich schlecht drauf war: Es ist nicht eure Schuld, es hat nichts mit euch zu tun. Ab einem bestimmten Moment verstehen sie das.“ Mit „Luise braucht ’ne Pause“ macht Julia Knörnschild den Anfang ihrer Buchreihe. „Pausen sind nichts, was man sich erarbeiten muss, und auch keine Belohnung, sondern schlicht lebensnotwendig. Ohne Pause im Alltag kommt es bei Eltern und Kindern zum riesengroßen Stressball“, weiß sie aus eigener Erfahrung. „Da bereut man, die Kinder angeschrien zu haben. Das Schlimmste ist als Mama, dass man dann von Schuldgefühlen durchbohrt wird.“
Die Geschichte von Luise sieht sie als einen Reminder für Eltern und Kinder, Pausen in den Alltag zu integrieren: „Keine Arbeit, kein Handy, kein Fernsehen, sondern etwas, bei dem man ganz bei sich ist.“ Für Julia Knörnschild sind das Yoga und Rudern am Rudergerät – und Malen. In der Tagesklinik hat sie es für sich entdeckt: „Ich habe gecheckt, dass es nicht Malenkönnen und Nichtmalenkönnen gibt, sondern einfach nur den Prozess. Farben transportieren Gefühle und Erinnerungen.“
Seither malt sie Erdbeeren. Über „Zykluskunst“, in der sie mit Früchten die fruchtbaren Tage, Periode und PMS veranschaulichte, kam sie auf die Erdbeere als „ihr“ Motiv. Die Hälfte des Erlöses aus dem Bilderverkauf spendet sie an Frauenhäuser. „Ich will Müttern und Frauen helfen. Sie gehören gestärkt!“
Hören Sie eine Folge des Glückskind-Podcasts „Gastfamilie“ mit Julia Knörnschild.
