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Bürger entscheiden: Alle fürs Klima

Portraits eines Mannes auf dem Feld

Ein Landwirt der auf sein Feld arbeitet, analysiert sein Land. © gettyimages/SrdjanPav

Vor Ort mitentscheiden, wie Klimaschutz und -anpassung gelingen: alverde stellt zwei Kommunen vor, die neue Wege bei der Mitbestimmung gehen. 

1. Keltersbach Votum in 3-D

Klimainseln in der Gemeinde Kelsterbach

Klimainseln in der Gemeinde Kelsterbach © ProjektStadt, Nassauische Heimstätte|Wohnstadt

Asphalt heizt auf, Grün kühlt ab: So lautet die einfache Regel fürs Mikroklima in Siedlungen. Das Gute ist, dass schon Mini-Parks, Begrünung von Brachflächen oder ein Schulgarten einen Unterschied machen. Genau solche „Klimainseln“ wollte die Gemeinde Kelsterbach schaffen. Doch wo genau lässt sich möglichst unkompliziert und konfliktfrei der Natur mehr Raum geben oder neue Begrünung schaffen?

Diese Orte wollte Bürgermeister Manfred Ockel nicht nur mit den Experten in der Verwaltung, sondern mit den Bürgern der Gemeinde finden. Kommunale Mitbestimmung ist oft vorgesehen und sogar an Fördermittel vom Bund gekoppelt. Jedoch: Zu Informationsveranstaltungen kommen immer nur eine Handvoll Menschen und der Blick auf die Bebauungspläne von Architekturbüros lässt sie meist ratlos zurück. 

Anschaulich per App 

Manfred Ockel wollte, dass es anders läuft: „Zusammen mit einem Stadtentwicklungs-Dienstleister haben wir ein 3-D-Modell der Gemeinde entwickelt, bei dem die Bürger ihre Wohnumgebung tatsächlich wiedererkannt haben“, erläutert er. Am Smartphone, Tablet oder Rechner konnten die Einwohner markieren, wo sie sich Klimainseln wünschen. „Es waren auch Orte darunter, die wir nicht auf dem Schirm hatten“, sagt Manfred Ockel.   

Später konnten sie in diesem Tool auch die Wunsch-Standorte für 1.000 neu zu pflanzende Bäume markieren. Die Klimainsel Kelsterbach wurde 2023 vom Land Hessen als herausragendes Klimaprojekt ausgezeichnet. Darauf ist Manfred Ockel stolz, doch noch mehr freut ihn, dass das Mitmachprogramm „Your Voice“ inzwischen auch von anderen Kommunen genutzt wird. 

2. Region Freiburg: Auf Los geht’s los 

Der Klima-Bürger:innen-Rat der Gemeinde- und Stadträten im Freiburger Raum

Der Klima-Bürger:innen-Rat der Gemeinde- und Stadträten im Freiburger Raum © Werner Warmuth

Die Initiative ging von Bürgerinnen und Bürgern aus, denen es in der Klimapolitik zu schleppend voranging und die sich mehr Mitgestaltung wünschten. Sie stellten ihre Idee eines „Klima-Bürger:innenrates“ in den Gemeinde- und Stadträten im Freiburger Raum vor. Kommunalpolitiker ließen sich überzeugen.

So trat im Sommer 2022 der erste interkommunale Bürgerrat in Deutschland zusammen. Die Frage, mit der er sich beschäftigte: „Wie erreicht die Region Freiburg 100 Prozent erneuerbare Energie?“ Die ausgelosten 91 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich über zwei Monate. Sie bekamen Input von Experten und diskutierten in Kleingruppen. 

Organisiert und neutral begleitet wurde der Rat von der „Allianz für WERTE-orientierte Demokratie“ (AllWeDo). Das Besondere: Es gab nicht nur ein „Ja“ oder „Nein“, sondern abgestufte Voten wie: „Ich stimme zu, obwohl ich eher Zweifel und Vorbehalte habe“ oder: „Ich bin eher anderer Meinung“. Und nur die Vorschläge, die eine Zweidrittel-Mehrheit erhielten, wurden zu Empfehlungen. 

Anschub für die Politik 

Die Empfehlungen sind ehrgeizig: etwa, dass alle Standorte, die im „Windatlas“ des Landes als geeignet ausgewiesen sind, sofort genutzt werden und Kommunen dafür auch Plan- und Genehmigungsverfahren beschleunigen sollen. Oder dass bei versiegelten Freiflächen umgehend geprüft werden soll, ob hier Solarpanels aufgestellt werden können.

Die 16 beteiligten Kommunen sind nicht verpflichtet, die Empfehlungen umzusetzen, aber sie haben eine breitere Legitimation beziehungsweise mehr Druck für eine ambitionierte Klimapolitik. Daniel Hiekel von AllWeDo zieht Bilanz: „In vielen Kommunen ist eine Aufbruchstimmung zu spüren. Nicht nur in den Parlamenten, sondern auch in der Gesellschaft. Es gibt beispielsweise Sammelbestellungen für Balkonsolaranlagen und es gründet sich gerade eine Bürgergenossenschaft zur Nahwärmeversorgung.“

Bürgerräte: Zufall & Repräsentation 

Wie läuft das? 

Bürgerräte werden einerseits nach dem Zufallsprinzip ausgelost, andererseits sollen sie die Zusammensetzung der Bevölkerung widerspiegeln. Wie geht das zusammen? Im Freiburger Rat gab es ein mehrstufiges Verfahren: 

1. Die 16 Kommunen zogen zufällige Personen aus dem Einwohnerregister. 
2. 4.000 Einladungen gingen raus. 212 Menschen meldeten sich an. Sie machten Angaben zu Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Herkunft und Wohnort. 
3. Aus diesem Kreis wurden 91 Personen gelost. 
4. Die Zusammensetzung kommt auf den Prüfstand: Sind bestimmte Merkmale überdurchschnittlich (im Vergleich zur Zusammensetzung der Bevölkerung des Bundeslandes) vertreten, wird nochmals aus dem Pool der bereits angemeldeten Personen gelost.