Ackerboden ist unsere Lebensgrundlage

„Ich mach mir die Hände schmutzig für eine zukunftsfähige Welt.“ Das ist das Motto von Acker e. V. - Eckart von Hirschhausen ackert mit. © Kristian Barthen
Kolumne von Eckart von Hirschhausen über das Wunder Boden und warum er für uns wichtig ist
Liebe alverde-Lesende,
ich bin Berliner, und da vergisst man ja schnell, dass nichts von dem, was wir im Supermarkt kaufen, im Supermarkt gewachsen ist. Als Städter verliert man schnell die Bodenhaftung, weil so viele Flächen versiegelt sind. Und wir so wenig mitbekommen, was eigentlich die Grundlage des Lebens auf der Erde ist: die Erde selbst. Also im Sinne von fruchtbarem Boden. Und egal, ob wir uns für die Krone der Schöpfung oder geniale Unternehmer halten, an einer Tatsache kommen wir nicht vorbei: Menschen können viel, aber keine Fotosynthese.
Das können nur grüne Pflanzen. Sie verwandeln dabei Sonnenlicht und Kohlendioxid in Blätter, Wurzeln, Knollen und Früchte – auf gut Deutsch: Ohne lebendige Pflanzen könnten wir nicht leben. Und uns auch nicht fortpflanzen. Pflanzen vollziehen dieses Wunder der Natur, aus etwas Unsichtbarem etwas Sichtbares – und noch dazu oft Essbares – zu bilden, nicht im luftleeren Raum, sondern sie brauchen fruchtbaren und gesunden Boden mit vielen lebendigen Mikroorganismen. Und der wird in Deutschland gerade knapper, weltweit sowieso. Warum habe ich so etwas Fundamentales nie in der Schule gelernt? Obwohl ich Bio-Leistungskurs hatte?
Letztes Jahr durfte ich an meiner ehemaligen Schule in Berlin aber sehen, was sich dort verändert hat. Zusammen mit Judith Rakers pflanzte ich auf einem kleinen Acker auf dem Schulgelände einen Kürbis, und wir unterhielten uns angeregt. Wer das nachhören möchte, findet leicht den Podcast „Auf’m Acker“.
Hinter dem Schulacker steckt Christoph Schmitz. Er ist auf dem Bauernhof groß geworden, studierte Agrar- und Wirtschaftswissenschaften und arbeitete am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Mit der Geburt seiner Tochter im Jahr 2012 beschäftigen ihn viele Fragen: Können Kinder, die Tagesausflüge auf den Hof seiner Eltern machen, wirklich verstehen, wie Landwirtschaft funktioniert? Wäre es nicht besser, der Acker käme dauerhaft zu den Kindern und nicht die Kinder zum Acker?
Um der Entfremdung der Gesellschaft von ihren Nahrungsmitteln zu begegnen, entwickelt er seine Idee, den Gemüseanbau im Rahmen des Bildungsprogramms GemüseAckerdemie an Schulen zu bringen. So entstand das Sozialunternehmen Acker e. V. Ich durfte bei der 10. Jahresfeier dabei sein, zusammen mit anderen Botschaftern wie Judith Rakers, Checker Tobi oder Christoph Biemann von der Sendung mit der Maus.
Die Bilanz ist beeindruckend: Es haben bereits über 300.000 Kita- und Schulkinder geackert. Jede Menge Gemüsepflanzen, Regenwürmer und andere Bewohner von gesundem Boden haben so ein neues Zuhause gefunden. Das Ziel ist, dass bis zum Jahr 2030 jedes Kind wieder weiß, wie eigentlich eine Möhre wächst. Und dass sie krumm genauso gesund ist wie gerade.
Die Schüler entdecken in der GemüseAckerdemie neue Gemüsesorten und Kräuter, schnippeln, kochen und probieren aus. Durch die positiven Geschmackserlebnisse landet immer öfter Gemüse auf ihren Tellern. Und bleibt da nicht liegen. Für die emotionale Verbindung mit Natur und Lebensmitteln braucht es die praktische Erfahrung draußen mit Erde, Samen, Wetter, Geduld und Ernte. Schwimmen lernt man ja auch nicht theoretisch im Klassenraum. Und oft wissen sie dann plötzlich mehr über Pastinake, Kürbis und Erbse als ihre Eltern – was in meinem Fall auch nicht schwer ist.
Das verändert ganze Familien. Die Eltern bringen plötzlich zum Geburtstag keine Fertigkuchen mehr mit, sondern leckere frische Sachen. Es geht Christoph Schmitz nicht nur um die Kinder, auch ums große Ganze: eine Gesellschaft, in der nachhaltiges Konsumverhalten und Wertschätzung für Natur und Lebensmittel Normalität sind. Und in der man nicht mehr ein Drittel aller Lebensmittel wegwirft, weil man nicht weiß, wie viel Arbeit und Wert darin steckt.
Kleiner Acker, große Wirkung. Bei meinem nächsten Besuch schaue ich mal, was aus meinem Kürbis geworden ist. Und ein Rezept für eine Suppe, das nicht zu kompliziert ist, finde ich auch noch. Meine Frau ist auf dem Land aufgewachsen. Vielleicht kann ich so mal wieder bei ihr punkten. Um nicht zu sagen: etwas Boden wieder gut machen.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
