Bäume sind Klimaretter

Eckart von Hirschhausen mag Bäume: hier mit dem Riesenmammutbaum, der auf der Insel Mainau steht.
Kolumne von Eckart von Hirschhausen über Klima und Bäume
Liebe alverde-Lesende,
Bäume gehören zu den wundersamsten Wesen auf dieser Erde. Und weil sie auch so viel mit der planetaren Gesundheit zu tun haben, starten wir mit einem Rätsel. Ein Gedankenexperiment, mit dem Sie auf jeder Party viel Spaß haben können: Wenn man eine Kastanie in die Erde steckt und so lange wartet, bis daraus ein stattlicher Baum wird – woher kommt dann eigentlich die Masse des Baumes? Anders gefragt: Warum wird die Erde unter dem Baum nicht im gleichen Maße weniger, wie die Masse des Baumes wächst? Jetzt nicht gleich weiterlesen – erst mal kurz selbst überlegen.
Okay, ich bin auch nicht sofort draufgekommen. Die Antwort ist: Die Masse des Baumes ist im wahrsten Sinne aus der Luft gegriffen. Der Baum saugt seine Substanz nicht nur aus der Erde, sondern aus der Atmosphäre. Der Kohlenstoff stammt aus dem Kohlenstoffdioxid in der Luft. Pflanzen machen aus „schlechter Luft“, sprich Kohlendioxid, wieder „gute Luft“, sprich Sauerstoff. Dazu benötigen sie Energie, also Licht. Ein Mensch kann nicht auf Dauer von Luft und Liebe leben. Der Baum kommt mit Luft und Licht erstaunlich weit, denn er kann etwas, worauf so unfassbar viel vom Wunder des Lebens beruht: Fotosynthese.
Holz enthält gespeicherte Sonnenenergie
Wenn das Holz verbrennt, wird die ganze Energie darin wieder frei. Was wir abends im Kamin flackern sehen, ist eigentlich die Sonne vom Tag – halt nur von einem Tag vor vielen Jahren. Solange es keine Menschen und auch keine Kamine gab, fand die Erde einen anderen Weg, die ganzen Pflanzenmassen zu entsorgen: Sie wurden eingemottet als fossile Brennstoffe. Ich verkürze jetzt Jahrmillionen auf drei Sätze, aber alles, was wir an Kohle, Erdöl und Erdgas in der Erde finden, ist in Pflanzen gespeicherte Sonnenenergie, die Mutter Erde aus guten Gründen sorgsam in ihren Vorratskeller gepackt hat. Aber statt nur hier und da mal zu naschen, verbrauchen wir pro Jahr so viel fossile Energie, wie in einer Million Jahren gebildet wurde.
Da ist jedem sofort klar: Das geht nicht lange gut. Tut es auch nicht. Deshalb steigt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre so rasch an wie noch nie zuvor. Und deshalb müssen wir so rasch umsteigen auf erneuerbare Energie und überall, wo es geht, Natur in Ruhe wachsen lassen. So wichtig es langfristig ist, Bäume zu pflanzen, als allererstes sollten wir aufhören, existierende Wälder weiter abzuholzen. Vor allem die letzten ursprünglichen Regenwälder mit der größten Artenvielfalt der Welt. Ich dachte immer, Regenwald steht da, wo es viel regnet. Nein, es regnet so viel, weil der Regenwald dort steht! Weil der Boden und die Pflanzen Wasser speichern und verdunsten. Kein Wald, kein Regen, nur noch Steppe. Verdunstung kühlt enorm effektiv. Das hat jeder schon einmal gefühlt, der an einem heißen Sommertag in den Wald gegangen ist. Dort ist es bis zu zehn Grad kühler als in unseren Innenstädten. Wald ist also so viel mehr als Holzproduktion, er ist unser Beatmungsgerät und unsere Klimaanlage.
Wir sind alle Waldbesitzer
Wälder sind Orte der Verwunschenheit des Wildwuchses, der Märchen und der mannigfaltigen Gesichter in den faltigen Rinden. Übrigens: Ein Großteil des deutschen Waldes liegt in kommunaler Hand, das bedeutet, er gehört uns allen. Wir sind Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, ohne es zu wissen. Nutzen wir doch unseren Einfluss über Bürgerwald, Initiativen, Projekte. Die Kommunen können bestimmen, dass der Wald naturnah bewirtschaftet werden soll. Es muss nur jemand den Mund aufmachen. Sonst steht der Wald schwarz und schweiget. Wenn man im Internet unterwegs ist, sollte man am besten eine Suchmaschine verwenden, die auch Bäume pflanzt. Die gibt es tatsächlich: Ecosia, das Gleiche wie Google, nur in Grün. Statt die Werbeeinnahmen für sich zu behalten, ist Ecosia gemeinnützig. Über 200 Millionen Bäume wurden so schon gepflanzt. Wo die genau stehen, sieht man, wenn man auf die Seite geht – nein, nicht googeln, ecosen!
Letzter Gedanke: Als ich mich einer Laune folgend im Wald einmal auf den weichen Boden zwischen zwei große Wurzeln legte, kam mir der Gedanke: Wenn ich lange genug liegen bliebe, würde ich mich irgendwann in die Einzelteile zerlegen, aufgesogen werden und Teil des Baumes, wieder Teil der Natur. Ist das nicht ein unfassbarer Kreislauf? Zurück zu den Wurzeln.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
Bild ganz oben: Dr. Eckart von Hirschhausen/privat
