Echte Leistungsträger

Die heimische Eibe: Aus den Nadeln der Konifere stammt ein bedeutendes Mittel gegen Krebs: Pachlitaxil mit Millionen Umsätzen im Jahr. ¹⁾
Kolumne von Eckart von Hirschhausen
Liebe alverde-Lesende,
was würde ein Glas Honig kosten, wenn die Biene Mindestlohn bekäme?
Irgendeine Idee? Kein Stress. Alle Menschen, denen ich diese Frage bisher gestellt habe, lagen kolossal daneben. Das Gedankenexperiment zeigt, dass wir uns über den Wert von Natur sehr selten Gedanken machen. Denn multipliziert man die Arbeitsstunden, die Anzahl der Arbeiterbienen und den Mindestlohn, kommt man auf – Trommelwirbel – 300.000 Euro. Für 500 Gramm.
Danke an die Grafikdesignerin Esther Gonstalla für diese Inspiration. Als Großstadtkind brauchte es bei mir eine Weile, bis ich kapierte: Nichts von dem, was in einem Supermarktregal steht, ist im Supermarkt entstanden.
Wir schauen gerne auf den Preis. Und ärgern uns, was alles teurer wird: Obst, Gemüse, aber auch Kaffee und Schokolade. Alles Naturprodukte, bei denen die größte Leistung eben keine menschliche ist, sondern eine von anderen Lebewesen. Ja, die echten Leistungsträger dieser Erde sind nicht wir. Die echten Leistungsträger sind Ameise, Biene, Eibe und Rotkehlchen – um nur einige der acht Millionen Arten zu nennen, von denen wir genau eine sind.
Haben wir den Klettverschluss erfunden? Nee, das war die Klette. Haben wir das Aspirin erfunden? Nee, das war die Weidenrinde. Und der kleine Nadelzweig auf dem Bild neben mir, das ist eine Eibe. Aus ihren Nadeln stammt ein wichtiges Mittel gegen Krebs, was nach ihrem biologischen Namen Taxus baccata genannt wurde: Paclitaxel. Ein Lebensretter – mit Millionen Umsätzen im Jahr.
Mit der Kampagne „Echte Leistungsträger“ möchte meine Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, zusammen mit vielen Prominenten auf Social Media, mit Plakaten und Videos und weiteren überraschenden Fakten auf der Homepage einen Beitrag leisten, neu über den oft behaupteten Gegensatz von Ökonomie und Ökologie nachzudenken. Denn die Natur stellt uns für ihre Dienstleistungen, ihre Erfindungen und ihre Patente keine Rechnung.
Dabei ist die Summe der sogenannten „Ökosystemleistungen“ fast das Doppelte von dem wert, was die menschliche Wirtschaftsleistung ausmacht. Wow, wusste ich bis vor Kurzem nicht. Natur ist kein „Nice-to-have“, sondern Lebensgrundlage – oder im Wirtschaftsdeutsch: Infrastruktur. Ein Asset!
Ein Blick auf den aktuellen Global Risk Report 2025 zeigt: Die schlausten Ökonomen sehen als die drei größten Gefahren innerhalb der nächsten zehn Jahre Extremwetterereignisse, Veränderungen des Erdsystems und den Verlust der biologischen Vielfalt! Denn bevor ein Mensch etwas leisten kann, braucht er was zu essen. 75 Prozent aller Nutzpflanzen weltweit sind auf Bestäuber angewiesen – eine Leistung von weltweit 500 Milliarden Dollar pro Jahr.
Und not so fun fact: Ein Drittel der Insekten ist akut bedroht. Könnten wir das ersetzen? Mit Drohne, KI oder Pinsel? Niemals, auch nicht für 300.000 Euro. Artenreichtum sichert uns bezahlbare Lebensmittel, die Landwirtschaft, die Volkswirtschaft, die körperliche und die seelische Gesundheit. Natur hat einen Wert, einen ökonomischen Wert und einen Lebenswert.
Machen wir aus einer Mücke einen Elefanten? Nee! Auch die Mücke hat ihre Rolle: Schokolade braucht Kakao, Kakao braucht eine bestimmte Mücke, die passgenau in die Blüte fliegen kann. Auf diese Leistungsträger der Natur zu verzichten, können wir uns gar nicht leisten. Und das kann ja auch keiner wollen, oder? Die Erde ist einmalig mit ihrer Vielfalt, mit ihrem Netzwerk des Lebens. Und wem das zu poetisch ist: Der einzige Planet in unserer Galaxie mit Kaffee, Sex und Schokolade. Unbezahlbar!
Ihr
Eckart von Hirschhausen
Die Eibe ist ein Lebensretter! Warum, lesen Sie in der Kolumne. Und was jeder zum Erhalt von all den Innovationen aus der Natur beitragen kann, steht auf echte-leistungstraeger.de
