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Es kann auch mal was Altes sein 

Person packt Gemüse in Stofftasche

„Alte“ Lebensmittel müssen nicht gleich weggeworfen werden. Man kann auch innovativ sein und kreativ ein neues Gericht daraus machen. ¹⁾

Kolumne von Eckart von Hirschhausen darüber, was echte Innovation bedeuten kann. 

Liebe alverde-Lesende,  

mit welchen Vorsätzen starten Sie ins neue Jahr? In dieser Ausgabe finden Sie viele spannende Beiträge rund um das Thema „Innovation“ und natürlich auch wie immer viele Ideen, sich selbst etwas Gutes zu tun und sich innen wie außen zu erneuern. Ich durfte neulich auf einer großen Digitalmesse einen Vortrag halten zu „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ und viele spannende Expertinnen und Experten moderieren. 

Eine der Innovationen, über die gesprochen wurde, war ein Roboter, der mittels künstlicher Intelligenz (KI) Zigarettenkippen auf dem Boden erkennen und entfernen konnte. Und der Komiker in mir musste schmunzeln, weil ich dachte: „Schaffen wir es denn nicht mit natürlicher Intelligenz, einfach die Kippen nicht auf den Boden zu werfen? Muss uns Innovation helfen, Probleme zu lösen, die wir eigentlich nicht haben müssten? Singapur hat ein so hohes Bußgeld festgesetzt, dass keiner mehr Zigarettenkippen in die Gegend wirft. Geht doch. Ohne KI. 

Lebensmittel begrenzt herstellen statt Wegwerfen

Apropos Wegwerfen. Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll. Was für ein Wahnsinn. Für all diese Lebensmittel haben Menschen geackert im wahrsten Sinn, wurden häufig auch viel Energie, Dünger, Pestizide eingesetzt, für die Fleischproduktion sogar im großen Stil Regenwald abgeholzt. Auch Wahnsinn. Eine der wirksamsten persönlichen Maßnahmen gegen die Erderhitzung und das Artensterben ist, sich pflanzenbasiert zu ernähren und weniger Essen wegzuwerfen. 

Und da kann KI tatsächlich helfen im industriellen Maßstab. Mit „Foodforecast“ hat Justus Lauten, ein junger deutscher Tüftler aus Köln, eine Software entwickelt, die den Bäckereien hilft, vorherzusagen, wie viel Brot am nächsten Tag gebraucht wird. Denn je nach Wochentag, Wetter und festlichen Anlässen schwankt unser Appetit und unser Kaufverhalten zwischen Brötchen, Schwarzbrot und Baguette fürs Picknick. Mit den Daten der Vergangenheit und kontinuierlichem Dazulernen kann so geplant werden, dass ein Drittel weniger Brot übrig bleibt. Großartig. Echte Innovation. 

„Um wirklich innovativ zu sein, braucht es nicht immer das Allerneueste.“

Für den Privatbereich denke ich bei Lebensmittelresten an meine Großmutter, die jede Menge Rezepte hatte, aus allem, was übrig war, etwas Leckeres zu „zaubern“. „Arme Ritter“ hat altes Brot in der Pfanne mit einem Ei sehr schmackhaft gemacht, bei einem Auflauf steckte unter der Käseschicht alles, was noch da war. Und ich wette, auch in Ihrer Familie gibt es noch diese Traditionen, damit nichts verkommt. 

Innovation kann auch bedeuten: zu altem Wissen greifen

Ach ja – und Fleisch war über Jahrhunderte immer etwas Besonderes. Das hob man sich für die Festtage auf, für den berühmten „Sonntagsbraten“. Unter der Woche gab es viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Kartoffeln. Damit kam die unscheinbare Küche von damals schon nah an das, was Ernährungswissenschaftler weltweit heute empfehlen als „planetary health diet“. Das ist gut für unseren Körper und gut für die Erde. Weniger Fleisch bedeutet auch weniger Krebserkrankungen. Natürlich freue ich mich über innovative Fortschritte in der Behandlung von schweren Erkrankungen. 

Aber wenn wir anwenden, was wir wissen, könnten wir rund die Hälfte davon vermeiden. Wir erhoffen aus dem Labor die Wunderpille, die uns Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz und Krebs wegzaubert. Dabei gibt es diese Wunderpille längst – es ist der Lebensstil. Nicht rauchen, in Bewegung bleiben, viel Gemüse, wenig Alkohol, sich verbunden fühlen mit anderen und das Leben feiern. Das bringt mehr Lebensjahre als alle neuen Medikamente. Wie kann man sein Leben also am besten verlängern? Alles weglassen, was es verkürzt. 

Um wirklich innovativ zu sein, braucht es nicht immer das Allerneueste. Manchmal hilft es auch, sich an das zu erinnern, was es schon mal gab. Und was wir wussten, bevor wir in die große Beschleunigung eintraten. Ich liebe die Anekdote vom Bonner Hofastronomen. Im August 1845 besuchte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die neu errichtete Sternwarte der Universität Bonn. Als er deren Leiter, den Astronomen Friedrich Wilhelm August Argelander, jovial begrüßte: „Na, Argelander, was gibt es Neues am Himmel?“, erhielt er zur Antwort: „Kennen Majestät schon das Alte?“ 

Ihr
Eckart von Hirschhausen