Meeresschutz ist Gesundheitsschutz

Bunte Unterwasserwelt: Korallen sind vom Temperaturanstieg der Meere besonders bedroht. © Uli Kunz
Kolumne von Eckart von Hirschhausen
Liebe alverde-Lesende,
„Wir haben praktisch einen zweiten, noch unerforschten Planeten Tiefsee auf der Erde, von dem wir Menschen noch herzlich wenig gesehen und begriffen haben. Wir kennen nicht mal 0,1 Prozent von der Tiefsee. Mond und Mars sind mit höherer Auflösung vermessen als die Tiefsee, aber wir können gar nicht so schnell forschen, wie sich dieser Raum verändert.“ Das sagt Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.
Sie hat an 50 internationalen Expeditionen auf allen Weltmeeren und im gar nicht so ewigen Eis teilgenommen, hat Berge und Bakterien unter Wasser entdeckt, stets von der Neugier getrieben, mehr von dem Planeten Erde zu erfahren. Sie brennt nicht nur für die großen Meeressäuger, auch für die wunderbare Welt der Mikroben.
Denn ausgerechnet spezielle Bakterien auf dem Meeresgrund spielen eine große Rolle für unser aller Überleben – wie kann das sein?
Denkt man an die Erderhitzung, weiß inzwischen jedes Kind, dass diese mit den Treibhausgasen zusammenhängt. Das bekannteste ist CO, aber noch viel klimaschädlicher ist das Gas Methan. Methan bildet sich immer dann, wenn Pflanzenreste unter Luftausschluss abgebaut werden, egal ob am Meeresgrund, in Sümpfen oder Reisfeldern oder im Magen einer Kuh. Methan schnell zu reduzieren ist eines der wirksamsten Dinge, die wir aktuell tun können, zum Beispiel durch mehr Ratatouille statt Rind auf dem Teller oder Wärmepumpe statt Erdgas mit Methan drin.
„Meeresschutz ist Gesundheitsschutz und sichert unser Leben.“
Wir hätten heute schon unfassbar viel mehr davon in der Atmosphäre, wenn nicht Tag und Nacht Mikroben das Erdgas, das aus dem Meeresgrund blubbert, direkt vor Ort in unschädlichere Teile zerlegen würden. Haben wir es ihnen je gedankt?
In der Unterwasserwelt wimmelt es von so obskuren Gestalten wie Seegurken, Yeti-Krabben und Viechern, die tatsächlich „kopfloses Hühnermonster“ heißen. Wie kopflos sind wir „Landratten“, wenn wir ignorieren, welche zentrale Rolle die Meere für uns spielen. Algen und viele Mikroorganismen im Meer schenken uns rund 70 Prozent des gesamten Sauerstoffs. Auch wenn wir unter Wasser nicht atmen können – über Wasser könnten wir es ohne die Meere auch nicht!
Naiv dachte ich immer, dass Hitze nach oben steigt, Pustekuchen. Über 90 Prozent der überschüssigen Wärme sind nicht in der Luft, sondern in den Meeren aufgefangen worden. Die großen kalten Wassermassen haben den Löwenanteil der Erderwärmung bislang still und leise ausgeglichen. Dafür zahlen sie selber einen Preis: Seit 1970 steigt die Temperatur des Wassers ständig an und erreichte 2023 einen besorgniserregenden vorläufigen Höchstwert. Dabei sind die Meere unsere größten Verbündeten auch im Binden von Kohlenstoff! Sie binden 50-mal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre und sogar rund 20-mal mehr als die Landflächen. Aber auch diese Selbstlosigkeit der Meere hat einen Preis: die Übersäuerung. So wie Sprudelwasser sauer ist durch die enthaltene Kohlensäure, so sauer werden auch die Meere.
Und die Meerestiere! Denn viele von ihnen bauen kunstvolle Dinge aus Kalk wie die eigenen Skelette oder kollektiv die Korallen. Und weil Säure den Kalk löst, so wie jeder Essigsäurereiniger im Bad, wird auch im großen Bad des Meeres den Lebewesen ihr kalkiges Zuhause aufgelöst. Ohne Korallen gibt es viel weniger Fische und weniger Nahrung für alle Menschen, die sich seit Jahrtausenden von den Meeresbewohnern und ihrer gesunden Substanz ernähren.
Meeresschutz ist Gesundheitsschutz, sichert unser Leben, vom Sauerstoff zum Atmen über die erträglichen Temperaturen bis zu den Algen und Fischen, die wir essen können. Und auch für die seelische Gesundheit braucht es gesunde Meere. Was gibt es Schöneres, als den Blick über das Meer in die Ferne schweifen zu lassen und zu begreifen – alles, was ich sehe, ist nur die Oberfläche. Und darunter ist noch so viel mehr Meer!
Ihr
Eckart von Hirschhausen
