Mehr Sichtbarkeit für Frauen

© Dominik Butzmann
Kolumne von Eckart von Hirschhausen
Liebe alverde-Lesende,
in dieser Ausgabe geht es viel um Frauen. Dazu gibt es eine spannende Geschichte aus dem Bereich der planetaren Gesundheit, auch wenn es diesen Begriff noch nicht so lange im deutschen Sprachgebrauch gibt. Wer von Ihnen hat schon mal von Eunice Newton Foote gehört? Sie war die erste Frau in der Klimawissenschaft und begründete den berühmten „Treibhauseffekt“. Da muss man erst mal drauf kommen, so ganz ohne aufwendige Messinstrumente, Labore und Forschungsförderung. Bereits 1856 stellte sie die Theorie auf, dass Veränderungen des Kohlendioxids in der Atmosphäre die Temperatur der Erde beeinflussen könnten, nur anhand ihrer Experimente. Mit einer Luftpumpe, zwei Glaszylindern und vier Thermometern testete sie die Wirkung von „Kohlensäuregas“ gegen „gewöhnliche Luft“. Sie stellte fest, dass der Zylinder mit Kohlendioxid in der Sonne mehr Wärme einfing und länger heiß blieb. Daraus zog sie eine tiefgreifende Schlussfolgerung: „Eine Atmosphäre dieses Gases würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen; und wenn sich, wie einige annehmen, in einer Periode ihrer Geschichte die Luft zu einem größeren Anteil als heute mit ihr vermischt hat, muss sich zwangsläufig eine erhöhte Temperatur ergeben haben…“ Auf gut Deutsch erkannte sie als Erste die Verbindung von Kohlendioxid und globaler Erwärmung. Hätte man damals gleich auf sie gehört, wäre uns vieles erspart geblieben. Warum kennt man sie dann nicht? Weil drei Jahre später ein Mann, der irische Physiker John Tyndall, seine eigene, detailliertere Arbeit veröffentlichte und seitdem als Begründer der Klimawissenschaft gilt. Ob John Tyndall die Arbeiten von Eunice Newton Foote kannte, ist historisch leider nicht eindeutig zu klären. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass eine Frau zu einem Mann nach seinem Statement sagen könnte: „Mensch, das habe ich doch gerade vorher genau so schon erklärt, Typ!“
„Berühmte Männer heimsen Ruhm ein, ohne dass der Anteil der Frauen, die zu ihrem Werk beitrugen, gewürdigt wurde.“
Die Wissenschaftsjournalistin Leonie Schöler hat gerade ein sehr lesenswertes Buch veröffentlicht: „Beklaute Frauen – Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen. Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“. Darin beschreibt sie auch, wie berühmte Männer wie Karl Marx, Bertolt Brecht oder Albert Einstein den Ruhm einheimsten, ohne dass der Anteil, der an ihrem Werk durch die Frauen in ihrem Umfeld geleistet wurde, transparent und gewürdigt wurde. Und umgekehrt bahnbrechende Wissenschaftlerinnen wie Rosalind Franklin oder Lise Meitner von der männerdominierten Forschergesellschaft geschnitten und ausgebremst wurden. Leonie Schöler folgert: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt – vor allen Frauen steht ein System, das sie aufhält.“
In der Klimabewegung weltweit und auch in der Arbeit meiner Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ erlebe ich unfassbar viele starke Frauen, die sich nicht länger aufhalten lassen, auch gerade in der nächsten Generation. Und auch in den vielen deutschen Netzwerken und unter den Aktiven. Auf WomenLeadClimate.org steht: „Zwei mächtige Phänomene entfalten sich gerade auf der Erde gleichzeitig – der Aufstieg der Klimabewegung und der Aufstieg von Frauen und Mädchen. Diese beiden Trends sind mehr als nur gleichzeitig, sie sind tief miteinander verbunden. Frauen und Mädchen setzen sich verstärkt dafür ein, mit Mut, Kreativität, Mitgefühl und Zusammenarbeit für Klimagerechtigkeit einzutreten, damit wir uns auf eine lebenspendende Zukunft für alle zubewegen können.“
Unter den über 1.000 Unterzeichnern des Aufrufs stehen Jane Fonda, Christiana Figueres, Gro Harlem Brundtland, Kumi Naidoo sowie die bildende Künstlerin Sibylle Szaggars-Redford. Eine Zeile darunter ihr Mann Robert. Gestern habe ich auch unterschrieben.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
