Mobiler als gedacht

Dr. Eckart von Hirschhausen versteht wenig von Autos. Er sucht bei seinem neuen E-Auto nach dem Auspuff! © Jürgen Hirschberger
Kolumne von Eckart von Hirschhausen
Liebe alverde-Lesende,
mal angenommen, es landen in 10.000 Jahren Außerirdische auf der Erde und buddeln nach den Resten unserer Zivilisation. Sie werden staunen. So wie wir auf die Skelette von Dinosauriern stießen und uns die Erdgeschichte daraus ableiteten, werden sie auf Skelette aus Stahl stoßen, auf jede Menge menschengemachte Karosserien. Und sie werden einen Wandel in den Schichten aus der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts finden: Die Fahrgestelle verloren ihren Auspuff! Weil er offenbar evolutionär nicht mehr gebraucht wurde. So wenig wie VHS-Rekorder, Tastentelefone oder CD-Spieler.
In manchen Ländern wie Norwegen vollzog sich dieser Wandel offenbar schon Ende des 20. Jahrhunderts. Ein Fundort sticht in der Langsamkeit der Veränderung heraus: Deutschland! Zurück ins Heute: Ich bin Teil dieser langsamen Veränderung. Ich habe mir 2025 endlich ein E-Auto gekauft. Und darf verraten: bin begeistert! Es ist ein kleines Auto, die Reichweite reicht locker für die allermeisten Fahrten. Die Angst, keine Ladesäule zu finden, schwindet mit der praktischen Erfahrung: Momentan nehmen Ladesäulen flotter zu als die E-Flotte!
Ich fühle mich auf eine tiefe Art befreit vom Gestank, von dem Ärger über Benzinpreise, Dieselprivileg und dem dumpfen Gefühl, mit jedem Liter, den man tankt, dubiose Staatsmänner und Kriegsregime reich zu machen. Es fühlt sich an, als wäre man auf der hellen Seite der Macht gelandet – auf der Sonnenseite.
Und seitdem wir nach etwas behördlichen Mühen Solarpanels auf dem Dach installieren konnten, fahren wir mit hausgemachtem Strom, der im Betrieb nichts kostet. Und keinen Dreck macht. Das kann man nicht nur riechen, sondern an der „Kühlerhaube“ spüren. Verbrenner verbrennen. Und deshalb heizen die sich auch so auf, weil lauter kleine Explosionen viel Wärme erzeugen und davon nur ein kleiner Teil in die Fortbewegung umgewandelt wird. Auch ein geparktes Verbrennerauto heizt noch lange nach der Fahrt die Umgebung auf.
Ganz anders das E-Auto: Es braucht keinen Kühler, weil es erst gar nicht so heiß wird. Weil nichts verbrennt, sondern effizient und leise vor sich hin surrt. Ich liebe es, mit dem „Flitzer“ zu fahren. Und meine Frau liebt es auch. Ein bisschen gespenstisch bleibt es, wenn das Auto rollt, ohne zu röhren. Manchen Männern fehlt womöglich das „Fahrgefühl“, man könnte auch sagen, der Lärm, der an die Außenwelt signalisiert: „Achtung, hier kommt der Beherrscher von vielen Hundert Pferdestärken!“
Autos waren immer auch Prestige, Teil der Persönlichkeit, weniger Gebrauchsgegenstand als Identität. Wie oft sind wir „liegengeblieben“? Noch nie. Ok, die Kilometerangabe aus dem Katalog darf man nicht zu ernst nehmen; das kenne ich schon von meinem E-Bike. Fakt ist aber, dass 98 Prozent der täglich in Deutschland zurückgelegten Distanzen ohne Ladestopp möglich sind.
Warum gibt es ausgerechnet in dem Land, in dem wir so stolz sein können auf unsere Ingenieure und Tüftler, so viele Mythen und Falschinformationen zur E-Mobilität?
Beispiel: Elektrofahrzeuge geraten nicht häufiger in Brand als konventionelle Pkw – die neuesten Batterietypen noch viel weniger.¹ Martin Wietschel vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) sagt: „Viele Gründe für die Skepsis gegenüber dem Elektroauto können wir aus wissenschaftlicher Perspektive nicht nachvollziehen.“ In den letzten fünf Jahren hat sich die Batterietechnik bedeutend weiterentwickelt, und viele Menschen – wie ich – haben eigene Erfahrung mit den inzwischen über 1,6 Millionen E-Autos in Deutschland gemacht. Ich fühle mich jetzt erfahren und etwas erwachsener.
Ja, die Ressourcen für die Batterien und der Kaufpreis schrecken ab. Sobald man aber die Gesamtrechnung über die gesamte Nutzung aufmacht, lösen sich auch die Bedenken auf: E-Mobilität ist deutlich effizienter und umweltverträglicher als Verbrenner. Deshalb rüsten auch gerade die Lkw-Logistiker ihre Antriebe auf Batterien rasant um.² Weil es sich rechnet. Heute bereits.
Im Nachhinein frage ich mich, warum mein persönliches Verbrenner-Aus so lange gedauert hat. Und was in 10.000 Jahren die Außerirdischen noch von uns finden sollen. Vielleicht die Stahlskelette des E-getriebenen Verkehrsträgers, mit dem über 800 Menschen gleichzeitig mit über 250 km/h unterwegs waren. Das „ICE“-Age sozusagen! Und sie werden auch dann noch rätseln, was das mit der geänderten Wagenreihung zu bedeuten hatte.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
