Wie uns planetare Grenzen schĂŒtzen

Eckart von Hirschhausen in Ruanda ÂčâŸ
Kolumne von Eckart von Hirschhausen ĂŒber die friedliche Bewahrung von Grenzen
Liebe alverde-Lesende,
ist Ihnen schon nach Weihnachten zumute? Mir noch wenig.
Zum einen, weil ich diese Kolumne ja immer zeitig vor Erscheinen des Magazins schreibe, damit Sie dann in alverde immer etwas Neues zum Thema der persönlichen und der planetaren Gesundheit lesen, sehen und hören können. Ja, es gibt diese Kolumne auch als Video online auf dm.de/alverde-magazin.
Und zum zweiten, auch wenn immer frĂŒher in den Regalen Weihnachtsartikel angeboten werden, braucht es bei mir gefĂŒhlt immer lĂ€nger, den âSpiritâ zu fĂŒhlen. Denn dazu muss ich erst mal Tempo aus dem Hamsterrad nehmen, und man will ja gerade alles VOR Weihnachten und Jahreswechsel erledigt haben. Doch zum GlĂŒck bleibt es eine besondere Zeit, zurĂŒckzublicken und sich auf Wesentliches zu konzentrieren. Und zu schauen, ob es ĂŒber den eigenen bunten Teller hinaus etwas gibt, was unsere Aufmerksamkeit, unser MitgefĂŒhl und unser Handeln braucht.
âI am dreaming of a white Christmasâ lĂ€uft im Radio. 2024 war das heiĂeste Jahr in der Menschheitsgeschichte. Und in unser aller Leben wird es eins der kĂŒhleren bleiben. Sorry, daran zu erinnern. Aber wenn wir âLeise rieselt der Schneeâ als Teil unserer Kultur an unsere Kinder weitergeben wollen, gehört dazu auch, die Erde nicht weiter aufzuheizen. Und es geht nicht nur um Kinder in Deutschland, an die das Kind in der Krippe uns erinnern kann. âDo they know itâs Christmasâ hat Bob Geldorf gesungen und Geld fĂŒr Hilfsprojekte gesammelt. Im Herbst reiste ich nach Ruanda, um im Rahmen meiner Stiftungsarbeit zu globaler Gesundheit besser zu verstehen, was wir eigentlich meinen, wenn wir von âKlimagerechtigkeitâ, âEntwicklungszusammenarbeitâ oder abfĂ€llig von âRadwegen in Peruâ sprechen. Und um mir Projekte anzuschauen, bei denen die Gesundheit von Menschen gefördert wird.
Erste Ăberraschung: In Ruanda ist die Lebenserwartung sensationell gestiegen. Innerhalb von 20 Jahren um ĂŒber 20 Jahre. Wie geht das? In der Kombination von vielen Stellschrauben, die ineinandergreifen, vom Zugang zu Bildung, regionaler Versorgung, zu gesundem Wissen, der Begleitung von Schwangeren und Kindern, Angebote von Impfungen bis hin zu einer Krankenversicherung.
Gleichzeitig erzĂ€hlen alle unsere GesprĂ€chspartner, wie die Klimakrise ihr Leben beeintrĂ€chtigt und gefĂ€hrlicher macht. Unaufgefordert. Und auch ohne Vorwurf. Gerade auf dem Land spĂŒren alle, dass es sich nicht um eine isolierte Krise handelt, sondern um eine Dimension von Bedrohung, die alle Lebensbereiche betrifft. An der internationalen Uni in Kigali treffe ich Divine. Er erzĂ€hlt mir, wie eine groĂe Ăberschwemmung in seinem Heimatland Nigeria Tausende von Todesopfern forderte. Ich kann mich nicht erinnern, davon etwas in unseren Nachrichten gelesen zu haben. Und es gab auch keinen Song fĂŒr die reichen LĂ€nder âDo they know itâs Crisisâ. Jetzt studiert Devine âplanetary healthâ. Das neue Semester hat angefangen, es vibriert, die Energie der Studierenden ist unglaublich. Eine neue Generation von FĂŒhrungskrĂ€ften der Zukunft steht in den Startlöchern.
Was ich auch sehr fortschrittlich finde: einen Tag im Monat helfen alle MitbĂŒrger beim AufrĂ€umen. Vor Ort einigt man sich auf ein Projekt, was fĂŒr die Gemeinschaft wichtig ist, und dann packen alle kollektiv an. Gute Idee! So ein bisschen Zivildienst fĂŒr alle fördert den Zusammenhalt. Einer von 30 Tagen. WĂ€re das nicht was zum Abgucken?Apropos Transferleistungen: Sieben Promille sind es, die wir aktuell fĂŒr Entwicklungszusammenarbeit von unserem Bruttonationaleinkommen abgeben. Also sieben Tausendstel von unserem Reichtum. Das ist nicht viel. Und weniger ist noch weniger. Denn im Haushaltsentwurf fĂŒr 2025 soll der Etat des zustĂ€ndigen Entwicklungsministeriums um knapp eine Milliarde Euro gekĂŒrzt werden.
Ein Tropfen auf den heiĂen Stein? Ja. Erschwerend kommt hinzu: Der Stein wird heiĂer. Vor allem durch die Emissionen aus den Industriestaaten. Wenn der Stein, um im Bild zu bleiben, also heiĂer wird, sollte der Tropfen nicht kleiner werden. Und wir sollten alles dafĂŒr tun, dass der Stein wieder abkĂŒhlen kann.
Am letzten Tag werden wir in der Hauptstadt Kigali Augenzeugen von einem Verkehrsunfall: Direkt vor unserem Auto wird ein Radfahrer angefahren und stĂŒrzt mitsamt seiner ganzen Ladung an Kisten auf die StraĂe. GlĂŒck im UnglĂŒck. Inmitten der vielen Scherben verletzt er sich nur leicht am Kopf. Viele leisten erste Hilfe, kĂŒmmern sich, jemand ruft den Krankenwagen. Wir fahren weiter. Ich denke, dass es ein groĂer Fortschritt ist, eine flĂ€chendeckende Krankenversicherung zu haben, die hier nur vier Euro im Jahr kostet und die Basisversorgung ermöglicht. Und dass der Verletzte sicher nichts gegen einen sicheren Radweg gehabt hĂ€tte.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
