Wie kühlen wir unsere Städte künftig?

Eine über 1.000 Jahre alte Idee aus Persien ist plötzlich wieder gefragt: Windtürme, eine Klimaanlage ohne Strom.
Kolumne von Eckart von Hirschhausen über Klima und Städtebau
Liebe alverde-Lesende,
wer hat nicht als Kind davon geträumt, in einem Baumhaus zu wohnen? Wenn ich mir die Artikel in dieser alverde-Ausgabe zu nachhaltigem Bauen anschaue, sollten wir diesen Traum als Erwachsene nicht so schnell aufgeben. Ich hatte neulich die Ehre, zusammen mit Hans Joachim „John“ Schellnhuber auf einem Kongress der Immobilienwirtschaft zu dem Thema „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ zu sprechen. John ist inzwischen 73 Jahre alt, einer der renommiertesten Klimawissenschaftler weltweit und hat sich seit einigen Jahren voll auf das Thema Bauen fokussiert mit der europäischen Initiative „Bauhaus der Erde“. Das ist dringend, denn die Unmengen an Energie, die wir in Beton vergießen, ist der „graue Elefant“ im Raum der Transformation.
Den Verkehr durch Elektroautos von dem fossilen Fußabdruck zu befreien, ist vergleichsweise einfach im Verhältnis zu der Herausforderung, die gebaute Umwelt zu transformieren. Die ist im wahrsten Sinne schwerer in Bewegung zu bringen – eben immobil. Das ist den Extremwettern aber egal. Wir haben Gebäude errichtet für eine Welt, die es nicht mehr gibt – und die es auch so schnell nicht mehr geben wird. Vor allem, weil sich die Hitze in den Städten staut. Klimaanlagen sind nicht wirklich die Lösung, weil sie nur die Wärme von einem Innenraum in den Außenraum verschieben, das Zimmer wird kühler, aber die Stadt liegt dann unter einer künstlichen Hitzeglocke, und das Ganze verbraucht auch noch unfassbar viel elektrischen Strom.
Windtürme können Städte kühlen
Eine intelligentere Lösung gibt es schon seit über 1.000 Jahren - ganz ohne Elektrizität: Windtürme. Die sind in der arabischen Welt unter dem Namen Badgire verbreitet. Die Stadt Yazd im Iran ist einer der heißesten Orte der Welt. In vielen Bauten sorgen solche traditionellen Windtürme und unterirdische Aquädukte für eine Klimatisierung einfach nur durch die Verdunstungskälte und die Luftströmung durch die Wände. Genial. Wir müssen also das Rad nicht neu erfinden, auch nicht die Klimaanlage – aber das Bauen.
Ein Witz aus der ehemaligen DDR ging so: „Was passiert, wenn die Sahara sozialistisch wird? Erst mal lange nichts. Dann wird der Sand knapp.“ Die eigentliche Pointe: Dazu braucht es den Sozialismus nicht. „Das gibt es wie Sand am Meer“ stimmt nicht mehr, weil wir gerade in einem aberwitzigen Tempo die Welt zubetonieren. Ohne Sand kein Beton. Sand wird knapp.
Eine Stadt wie Singapur etwa konnte sich nur auf ihre derzeitige Fläche vergrößern, indem 500 Millionen Tonnen Sand im Meer aufgeschüttet wurden. Sand ist auch im Alltag ständig um uns. Er steckt in Gläsern, Klebstoffen, in Solaranlagen. Obwohl unsere Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut ist, gibt es erstaunlich wenig Diskussionen darüber, wie man damit am besten umgeht. Und Wüstensand, den es noch in Massen gibt, taugt aufgrund seiner Körnung nicht zum Bauen. Noch viel besser wäre es natürlich, gleich auf Bausubstanzen zu setzen, die bei ihrer „Produktion“ aktiv CO₂ aus der Atmosphäre binden – und auch die gibt es: Bäume.
„Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, auch nicht die Klimaanlage – aber das Bauen.“
Beim Bauen auf Holz setzen
Wie im Beitrag „Smart bauen“ (S.70) in der alverde zu lesen, setzen immer mehr Bürogebäude auf Holz. Dadurch können im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude achtzig Prozent der CO₂-Emissionen pro Quadratmeter Nutzfläche gespart werden. Wer sich sorgt: Ein Holzgebäude brennt auch nicht schneller ab als Stahlbeton, die Pfeiler kokeln bei Feuer an der Oberfläche an, behalten aber ihre Tragfähigkeit, sogar länger als ein dahinschmelzender Stahlträger. Holz wächst nach. Beton nicht.
Aber werden dann die Bäume knapp?
Momentan wird etwa die Hälfte des geernteten Holzes verfeuert. Wenn man die Energiewende klug mit dem Bausektor verknüpft, stehen genügend andere Heizungsenergie und auch genügend Baumaterial zur Verfügung. Und ein letztes Argument für mehr Holzbretter vor dem Kopf: Es ist viel gesünder für die Bewohner! Das Raumklima, die Luft, kein Mief – all das spürt man, wenn man in ein Holzhaus kommt. Es atmet für einen mit. Echtes Win-win-win. Den Sand werden wir noch brauchen. Mit wachsender Weltbevölkerung und Kinderzahl steigt schließlich auch der Bedarf an Sandburgen.
Ihr
Eckart von Hirschhausen
Bild: adobe/Franco Nadalin
