Wenn aus Asche Leben wird
Das Forschungsprojekt PYROPHOB wurde an zwei Standorten in Brandenburg durchgeführt. © Pierre Ibisch/privat
Ein Interview mit Forschungsleiter Prof. Dr. Pierre Ibisch
Waldbrände hinterlassen Zerstörung – doch jedem Ende wohnt auch ein Neuanfang inne. Mit dem Biologen Pierre Ibisch blicken wir auf Landschaften, die sich erholen.
Der Boden raucht noch, verkohlte Baumgerippe ragen aus der Asche und es herrscht Stille – kein Vogelgezwitscher, kein Insektenbrummen ist zu hören. Es scheint, als wäre alles Leben ausgelöscht. 15 Kilometer weiter wirft eine Zitterpappel ihre Samen ab. Die Samen legen eine lange Strecke zurück, in großen Gruppen. Eine Strategie, die sich für die Pappel lohnt: Sie lassen sich nieder auf dem verbrannten Boden in Treuenbrietzen, Brandenburg, einem von zwei Gebieten im Forschungsprojekt PYROPHOB.
„Die Zitterpappel ist ein Pionierbaum – sie siedelt sich als eine der ersten Baumarten nach einem Brand an“, erklärt Prof. Dr. Pierre Ibisch, der die Forschungsleitung innehat. Nun keimt sie, die kleine Pappel – und ist auf Unterstützung angewiesen, um zu wachsen. Pilzgeflechte spielen hierbei eine wichtige Rolle, denn sie können eine Symbiose, eine Beziehung mit dem Baum, eingehen. Sogenannte Mykorrhiza-Pilze liefern Wasser und Nährstoffe, im Gegenzug erhalten sie Glukose. „Kollegen haben hier sogar Pilzarten entdeckt, die wissenschaftlich noch gar nicht beschrieben wurden“, sagt Pierre Ibisch.
Es zwitschert wieder
Neben der Pappel keimen weitere kleine Baumarten und Pflanzen, deren Samen fliegend selbst ihren Weg herfinden oder von Tieren mitgebracht werden. „Wobei sich Tiere zunächst noch sehr zurückhaltend in Brandgebieten zeigen, denn die Fauna muss sich schwarzes, verbranntes Gebiet erst einmal wieder zurückerobern“, sagt Pierre Ibisch.
Nach einiger Zeit zeigen sich Pappelblattkäfer, die sich auf ein Festmahl freuen – und gleichzeitig selbst Futter für Vögel und räuberische Kleintiere wie Gottesanbeterinnen und Spinnen sind. „Monat für Monat kommen Nahrungsnetze wieder in Gang und das Ökosystem springt oberirdisch an.“
Die Fläche regeneriert: Pionierbäume wachsen langsam hoch, was dafür sorgt, dass der Boden beschattet wird. Es bildet sich nährstoffreicher Humus. Und auch das Mikroklima passt sich an: Die Windgeschwindigkeit reduziert sich, und der feuchte Boden sorgt dafür, dass es nicht mehr so heiß und trocken ist.
Totholz – lebendiger Wohnraum
Dann ist da noch das ganze Totholz – abgestorbene Äste, Bäume und Strünke. Je nach Standort und Beschaffenheit kann es ein großes Risiko bergen, da es sich, so trocken, wie es ist, leicht wieder entzünden kann. Und dennoch bietet es in Treuenbrietzen ein natürliches Zuhause: In die brüchigen Stämme ziehen Pilze und Insekten ein, Spechte zimmern Löcher. Das tote Holz hält den Boden feucht. „Das kann dafür sorgen, dass der Boden sich im Sommer nur auf 20 Grad erhitzt – an ungeschützten Stellen können es schnell bis zu 60 Grad werden.“
In Treuenbrietzen kommt das Ökosystem nach einigen Jahren wieder in Gang – hier stehen meterhohe Pappeln. Auf dem zweiten Untersuchungsgelände in Jüterbog, nur zehn Kilometer Luftlinie entfernt, kamen keine Pappelsamen an. „Das war zunächst ein großes Rätsel, da wir von ähnlichen Standortbedingungen ausgegangen sind. Dann hat sich aber herausgestellt, dass der Boden eine ungünstigere Zusammensetzung hatte, es herrschte ein wärmeres Mikroklima – und es hat 2019 gebrannt, vielleicht ein Jahr, in dem es für die Pappel nicht gut lief“, erklärt Pierre Ibisch.
Faktor Mensch
Wie lange ein Ökosystem braucht, um nach einem Brand zu regenerieren, lässt sich pauschal also nicht sagen. Neben individuellen Standortbedingungen und dem Klimawandel spielt auch das oft problematische menschliche Eingreifen eine Rolle. „Tote Bäume werden großflächig entfernt, der Boden wird verdichtet und bearbeitet, bis dann neue Bäume gepflanzt werden: Kiefern, die wieder absterben, da sie sich nicht in das neue Ökosystem einfügen können.“ Auch wenn es seine Zeit braucht – es ist offensichtlich besser, die Natur ihre eigenen Wege gehen zu lassen.
Prof. Dr. Pierre Ibisch – Forschungsleiter
Als Biologe ist er seit über 20 Jahren an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde im Bereich Ökosystem-Management tätig und befasst sich mit Wäldern, Naturschutz und Nachhaltigkeit. © Pierre Ibisch/privat
Ăśber das Projekt
Das Forschungsprojekt PYROPHOB (feuerabweisend) wurde von 2020 bis 2025 in Brandenburg an den beiden Standorten Treuenbrietzen und Jüterbog durchgeführt. Untersucht wurden die Folgewirkungen von Waldbränden sowie die Entwicklung des Waldes nach unterschiedlichen Behandlungen der Brandflächen.
Mehr Infos: pyrophob.de