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Mit Spürsinn und moderner Technik

Madelaine Böhme im Potrait stehend in einem Museum

„Dinosaurier haben mich nie besonders interessiert – ich suche mit meiner Arbeit immer nach der Verbindung zur Gegenwart.“ © Universität Tübingen

Madelaine Böhme will zeigen, dass das Klima die Evolution beeinflusst

Die Paläontologin Madelaine Böhme sucht mit kriminalistischem Spürsinn die Ursprünge des Menschen – und stellt dabei vermeintliche Gewissheiten ihrer Disziplin infrage. 

Ihre bulgarischen Großeltern waren skeptisch, als die 19-jährige Madelaine Böhme während eines Urlaubs bei ihnen Elefanten ausgraben wollte. Ein Unterkiefer, den sie von der Ausgrabungsstelle als Beweis mitbrachte, überzeugte sie. Heute leistet die in Tübingen lehrende Paläontologin Überzeugungsarbeit im Kollegenkreis. Sie widerspricht der vorherrschenden These, dass alle wichtigen Schritte der menschlichen Evolution in Afrika stattfanden. Mit ihrem Team grub sie 2016 im Allgäu die Knochen eines zwölf Millionen Jahre alten Menschenaffen aus, der auch aufrecht gehen konnte. 

Sie gab ihm den (nicht wissenschaftlichen) Namen „Udo“ – zu Ehren von Udo Lindenberg, der am Fundtag seinen 70. Geburtstag feierte. „Udo“ und andere Funde in Eurasien sind für Madelaine Böhme ein Indiz dafür, dass der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschen und Schimpansen in Eurasien gelebt haben könnte. „Ich glaube, dass wir das viel gesuchte Bindeglied zwischen Menschen und Menschenaffen bisher auch deshalb nicht gefunden haben, weil wir falsche Vorstellungen von seinem Aussehen haben.“ 

Glücksfall Mauerfall

Suchen, Rekonstruieren und Kombinieren faszinierten Madelaine Böhme schon als Kind. Noch bevor sie eingeschult wurde, sprach ihr Vater, ein verwitweter Naturwissenschaftler, mit ihr über Evolution. Die kleine Madelaine interessierte sich für Tiere, lebende wie tote, und sammelte Knochen. „Ich war sicher ein bisschen extrem, aber ich glaube, viele Kinder wissen früh, was sie wirklich interessiert. Wenn Erwachsene das fördern oder zumindest nicht behindern, kann etwas Großes entstehen.“ 

Paläontologie war ihr Traumberuf, aber „wäre die Mauer nicht gefallen, wäre ich in der DDR als Geologin im Bergbau gelandet“. So konnte sie nach Geologie Paläontologie studieren und sich auf das Neogen spezialisieren. Das ist die Erdepoche vor 23,8 bis 1,6 Millionen Jahren – in der Rechnung der Geowissenschaftler die jüngste Vergangenheit. „Dinosaurier haben mich nie besonders interessiert – ich suche mit meiner Arbeit immer nach der Verbindung zur Gegenwart.“ 

Madelaine Böhmes Arbeit kombiniert Ausgrabungen mit modernster Technik. So erlaubt die Computertomografie, fossile Überreste detailliert und dreidimensional zu analysieren. Die chemischen Untersuchungen von Isotopen (Varianten eines chemischen Elements) geben Hinweise auf Klima und Lebensbedingungen vor Millionen von Jahren. Kleine Details lassen das Leben unserer Vorfahren auf einmal plastisch wirken. 

Madelaine Böhme nennt ein Beispiel: „Wir können heute bestimmen, wie lange Neandertaler-Babys gestillt wurden: viel kürzer als die Homo-sapiens-Babys. Wir wissen es, weil sich die in der Muttermilch enthaltene charakteristische Zusammensetzung verschiedener Kalzium-Isotope in Knochen und Zähnen einlagert.“ 

Was von Wüsten bleibt

In ihrer Professur für „terrestrische Paläoklimatologie“ beschäftigt sich Madelaine Böhme aktuell mit Wüstenbildung in Afrika und der Arabischen Halbinsel. Wüsten entstehen und verschwinden relativ schnell (die Sahara war vor 10.000 Jahren grün), entsprechend schwierig ist die Spurensuche. Gleichzeitig lohnend, weil Wüsten ein wichtiger Motor für den Austausch und die Begrenzung von Ökosystemen sind. 

Mit ihrer Forschung zeigt Madelaine Böhme nicht nur, wie stark das Klima die Evolution beeinflusst hat, sondern auch, wie eng Geschichte und Gegenwart verknüpft sind: „Das Klima und die Natur ändern sich beständig, manchmal auch sehr schnell.“ Madelaine Böhme betont: „Der Mensch ist extrem anpassungsfähig. Diese Fähigkeit sollten wir nicht unterschätzen.“