Mehr als nur nasses Land

Moore können Wasser wie ein Schwamm aufnehmen und speichern. ¹⁾
Im Interview mit Prof. Dr. Christian Albert
Sie schützen vor Hochwasser und in Zukunft brauchen wir sie noch viel häufiger: Landschaften, die wie ein Schwamm überschüssiges Wasser aufnehmen und bei Trockenheit wieder abgeben.
Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sind 300.000 Adressen in Deutschland hochwassergefährdet. Gäbe es Gewässer, die ein Zuviel an Wasser aufnehmen können, ausreichend Regenrückhaltebecken oder würden Straßen, Gehwege und Plätze aus wasserdurchlässigen Materialien bestehen, könnte die Gefahr von Überschwemmungen deutlich verringert und Bodenerosion vermieden werden.
Landschaften saugen große Wassermengen auf
Konkret bedeutet das: Während wir in den vergangenen 80 Jahren Gebiete für Siedlungsbau und Landwirtschaft trockengelegt haben, sollten wir jetzt Landschaften zum Wasserspeicher umbauen. „Wir brauchen ein gutes Wassermanagement, Gebiete, die Wasser von Starkregen aufnehmen können oder ins Grundwasser ableiten und die gleichzeitig welches für Trockenphasen speichern“, sagt Prof. Christian Albert von der Leibniz Universität Hannover.
Schwammlandschaften seien eine der Maßnahmen. Der Begriff beschreibt Ökosysteme, die sich wie ein Schwamm verhalten und Wasser aufsaugen. Christian Albert arbeitet an zwei Projekten („SpongeWorks“ und „SpongeScapes“), die Konzepte zur Entwicklung von Schwammlandschaften erarbeiten. Sein Ziel: „Wir wollen Wissen und Erfahrungen mit der Umsetzung von Schwammlandschaften sammeln und auf andere Regionen in Europa übertragen“.
Schwammregionen entwickeln
Eins seiner Projekte liegt im norddeutschen Grenzgebiet zu den Niederlanden im Einzugsgebiet des Flusses Vechte, im Landkreis Grafschaft Bentheim. In der stark landwirtschaftlich geprägten Region muss die Wasserverfügbarkeit in Trockenperioden gesichert sein. Dort werden Waldgebiete wiedervernässt, Flussabschnitte renaturiert, Auengebiete entstehen, kleine Stauwehre sollen Wasser zurückhalten, das als Reserve für trockene Zeiten dient.
Drainagen, die Ackerflächen trocknen und Wasser ungenutzt ableiten (sodass man es nicht mehr verwenden kann), werden zurückgebaut. „Landwirte beregnen ihre Felder mit Brauchwasser“, erklärt der Experte. „Sie nutzen Kühlwasser aus einer nahegelegenen Verbrennungsanlage. Damit können wir die Entnahme aus dem Grundwasser verringern.“
Ein Vorbild für ihn: In den Niederlanden gibt es an vielen Stellen gute Ansätze. Christian Albert kennt Landwirte, die sich per WhatsApp absprechen. „Wenn eine trockenere Zeit bevorsteht, werden so früh wie möglich die Mini-Wehre um die Ackerflächen aktiviert und mehr Wasser gestaut. Das steht dann bei Regenmangel zur Verfügung.“ Davon könnte auch der Wald des Forstwirts ein paar Kilometer entfernt profitieren – wenn etwa sein Wald regelmäßiger Wasser bekommt, weil dieses nicht ungenutzt wegfließt.

Moore sind einzigartige Ökosysteme. ²⁾
Eine gemeinsame Aufgabe für ein langfristiges Ziel
Für diese Aufgabe müssen sich Wasserwirtschaftsbetriebe, Landwirte, Gemeinden und Naturschutzverbände zusammentun. Seine Vision? „Wir stehen erst am Anfang. Aber ich hoffe, wir haben in 30 Jahren eine Schwammlandschaft, die gut und wirkungsvoll ist. Das wäre gut für die Natur an sich, für die Biodiversität und damit gut für uns Menschen.“
Von Grau zu mehr Grün in der Stadt
Auch Städte, die dicht bebaut und deren Flächen mit Beton oder Asphalt bedeckt sind, brauchen in Zukunft sichere Wasservorräte. Der Wasserbedarf wird steigen – etwa durch Bewässerung von Bäumen oder Wasserverneblungsanlagen als Hitzeschutz.
„In Schwammstädten geht das Regenwasser nicht ungenutzt verloren“, erklärt Prof. Dr. Stephan Köster, Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik (ISAH) an der Leibniz Universität Hannover. Regenwasser wird aufgefangen, vor Ort gespeichert, aufbereitet und damit nutzbar gemacht. Das entlastet sowohl die Trinkwasserversorgung als auch die Abwasserentsorgung.
Vorbild für eine Schwammstadt ist Kopenhagen: Seit einem verheerenden Wolkenbruch werden Grünflächen wie Parks, Sportplätze und Innenhöfe so umgestaltet, dass sie große Wassermengen aufnehmen können und somit zu großen Reservoirs umgebaut. Unterirdische Becken sammeln Wasser, das von Dächern abläuft. Dachbegrünungen speichern Feuchtigkeit und dienen an heißen Tagen als natürliche Klimaanlage.
Prof. Dr. Christian Albert
Institut für Umweltplanung, Leibniz Universität Hannover. © RUB, Marquard
Der Landschaftsplaner untersucht, wie Landschaften so entwickelt werden können, dass sie auf schlaue Art Wasser aufnehmen oder speichern können. Er sucht Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Energiewende und beschäftigt sich in einem EU-Projekt mit den Möglichkeiten von Schwammregionen für mehr Klimaresilienz.
Das sind Schwammlandschaften
Feuchtwiesen und Retentionsflächen
Gebiete, die gezielt zur Hochwasserentlastung genutzt werden, indem sie überflutet werden dürfen.
Beispiele: Polder an der Oder oder am Oberrhein
Auenlandschaften
Flussnahe Überschwemmungsgebiete, die bei Hochwasser überflutet werden und das Wasser zwischenspeichern.
Beispiele: Elbtal-Auen in Sachsen-Anhalt oder Rheinauen in Baden-Württemberg
Moore und Feuchtgebiete
Hochmoore und Niedermoore speichern große Mengen an Wasser und geben es langsam an die Umgebung ab.
Beispiele: Donaumoos in Bayern oder Teufelsmoor in Niedersachsen