Neues, nachhaltiges Material aus Pilzen

Auf Pilzfarmen fĂ€llt viel ungenutztes Myzel, die âWurzelnâ von Pilzen, an. ÂčâŸ
Kompostierbare Bauplatten aus nachwachsendem Rohstoff
Die Hoffnung wÀchst unter der Erde: Myzel, das Wurzelwerk von Pilzen. Aus ihm lÀsst sich nicht nur eine Vielzahl von Produkten herstellen. Aus ihm könnte auch die Zukunft des Bauens gemacht sein.
Das Wesentliche beim Pilz? Da denken die meisten von uns an das Fruchtfleisch, an das, was wir oberirdisch sehen und das lecker zubereitet auf unseren Tellern landet. FĂŒr die Wissenschaft aber ist lĂ€ngst etwas ganz anderes interessant: der Teil des Pilzes, der unter der OberflĂ€che liegt, sein Wurzelwerk. Ein gigantisches Geflecht, das sich Myzelium oder Myzel nennt. Gemacht aus mikroskopisch feinsten ZellfĂ€den, den âHyphenâ, ĂŒber die die Pilze Mineralstoffe, Stickstoff und Phosphor aus dem Boden herauslösen und in Energie umwandeln.
Eine UnabhÀngigkeitserklÀrung
Die Myzelien sind so dicht und weit verzweigt, dass sie es auf einen Hektar Waldboden auf sechs Tonnen Gewicht und eine GesamtlÀnge von 100 Millionen Kilometern bringen. Und sie sind der Stoff, aus dem die TrÀume von einem nachwachsenden Rohstoff gemacht sind, der gleichzeitig flexibel und stabil, leicht und trotzdem widerstandsfÀhig, umweltschonend und am Ende kompostierbar ist. Einem, der nicht nur sukzessive Leder oder auch erdölbasierte Materialien ersetzen soll. Auch in der Bauwirtschaft könnte er eine UnabhÀngigkeits-
erklÀrung von ressourcenintensiven Verbundstoffen sein.
Ăkologischer Platten-Bau
Wie das genau aussehen könnte, daran forscht Dirk Hebel. Er ist Professor fĂŒr nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut fĂŒr Technologie (KIT). Gerade beschĂ€ftigen er und sein Team sich dort mit der Herstellung von Holzwerkstoffplatten, wie sie im Roh- und Innenausbau massenhaft eingesetzt werden. Gewöhnlich bestehen diese OSB- oder Pressspanplatten bis zu 15 Prozent aus chemischen Klebern. âDiese Kleber sind erstens nicht so gesund und zweitens kann man die Platten nicht recyceln, weil man den Kleber natĂŒrlich nicht herausbekommt. Man kann die Platten nur verbrennen. Am Ende hat man eine Asche, die so toxisch ist, dass sie auf Sonderdeponien gelagert werden muss.â Im KIT werden die Platten mit Pilzmyzel verbunden.âDas gibt ein enormes Einsparpotenzial an umweltschĂ€dlichen Stoffen.â
Dirk Hebel sagt, dass vor allem die Eigenschaft des Myzels, sich mit fast jedem organischen Material zu einem festen Stoff zu verbinden, gerade auch fĂŒr die Bauwirtschaft vielversprechend sei. âIn Versuchen auch in Verbindung mit Bambus oder Hanf erreichen die Materialien bereits Druckfestigkeitswerte und Biegesteifigkeiten vergleichbar mit Ziegelstein.â Das rein biologische Material muss man dann allerdings â wie auch Holz â vor direktem Wasserkontakt schĂŒtzen. Denn sonst beginnen Mikroben und auch andere Pilze das Material zu zersetzen. âDas Kompostieren ist aber erst nach dem ursprĂŒnglichen Gebrauch als Bauteil gewĂŒnscht.â
Mush-Rooms
Da die sogenannten âschwarzenâ Schimmelpilze gesundheitsschĂ€dlich sind, arbeitet man auch in der Forschung ausschlieĂlich mit dem Myzel von âWeiĂfĂ€ule-Pilzenâ. Zu ihnen zĂ€hlen unter anderem alle Speisepilze. Dieses Myzel fĂ€llt tĂ€glich tonnenweise in den Pilzfarmen an, wo nur die Fruchtkörper fĂŒr den Verkauf in SupermĂ€rkten geerntet werden. âDiese Mengen könnte man nutzen, um daraus Baumaterial herzustellen.â Werden wir also bald in Mush-Rooms leben â in HĂ€usern, gebaut aus Myzel-Verbundstoffen? Bis dahin, sagt Dirk Hebel, sei es noch ein weiter Weg.
BodenstÀndig bauen

Das Pilzmyzel durchwĂ€chst HolzspĂ€ne (li.) und bildet eine feste Struktur â so entstehen beispielsweise Bauplatten (rechts). © KIT
Prof. Dr. Dirk Hebel â Architekt
© Marta Wisniewska
Er ist Professor fĂŒr nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut fĂŒr Technologie. Dirk Hebel beschĂ€ftigt sich auch mit anderen alternativen Materialien wie Bambus, aber sein Herz schlĂ€gt fĂŒr das Pilz-Myzel.