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Naturkundemussen sind Schaukästen der Evolution

Familie schaut sich ein Skelett an im Naturkundemuseum

© Thomas Rosenthal/Museum für Naturkunde

Sie waren vielleicht noch nie so wertvoll wie heute: Naturkundemuseen. Sie zeigen uns, woher wir kommen, schaffen ein Bewusstsein für die unglaubliche Artenvielfalt auf unserem Planeten und damit auch für das, was wir verlieren könnten.

Tristan Otto – so heißt eines der weltweit am besten erhaltenen Skelette eines Tyrannosaurus Rex. Zu besichtigen ist die Leihgabe – ihre Besitzer haben sie nach ihren Söhnen benannt – derzeit im Museum für Naturkunde in Berlin. Dort werden nicht nur Tristan Otto und einige weitere Saurier-Skelette in sogenannten Jurascopen, eine Art digitales Fernglas, wieder zum Leben erweckt, sondern offensichtlich auch der Wissensdurst.

Digitales Fernglas in eine andere Zeit

Vor den Animationen gibt es immer Gedrängel. Man erlebt dabei hautnah, weshalb Naturkundemuseen alles andere als angestaubte Relikte aus der vordigitalen Zeit sind. Sie erzählen zunehmend auch mit modernster Technik vom Leben an sich und somit auch von unserer Herkunft. Sie bringen uns die Evolution nahe, verschaffen uns Zugang zu Welten, die uns sonst verschlossen blieben, weil sie nicht mehr existieren. Sie führen uns damit auch an ihre eigenen Wurzeln. Denn schon ihre Vorläufer, die ersten zoologischen, botanischen und geologischen Sammlungen der Fürsten in Naturalienkabinetten entspringen dem Entdecker- und Forscherdrang, dem Bedürfnis, zu verstehen, woher wir kommen, wohin wir gehen und wie alles mit allem zusammenhängt. Wir wollen aber auch die überwältigende Artenvielfalt bestaunen, deren Teil wir sind, und uns manchmal auch ein wenig gruseln. Etwa vor den Spirituspräparaten von Reptilien oder Föten oder der fünf Meter langen Anakonda, die gerade zur Hälfte ein Wasserschwein verschlungen hat. (Seit nahezu 100 Jahren ist dieses Exponat ein Publikumsliebling im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt.) Und nebenbei lernen wir, dass die Große Anakonda keine natürlichen Feinde hat und wie sie es schafft, das größte Nagetier der Welt zu verschlucken, ohne daran zu ersticken. „Paläste der Aufklärung“ (Süddeutsche Zeitung, 13. Januar 2016) werden diese Schaukästen der Natur deshalb auch genannt.

Naturkundemuseen als Hoffnungsträger

Vielleicht war es noch nie so wichtig wie heute in Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was schon alles da war, was noch da ist und was wir verlieren, wenn noch mehr verschwindet. 3.000 Tiere aus allen Lebensräumen zeigt die Biodiversitätswand im Berliner Museum für Naturkunde, ein weiteres Highlight des Hauses. Natürlich ist die Artenvielfalt viel größer. Aber man gewinnt einen Eindruck, wie unendlich kostbar jedes einzelne Puzzleteil der Evolution ist. Und vielleicht wird gerade hier bei jungen Besuchern ein für uns alle sehr wichtiger Keim für den ein oder anderen Berufswunsch gelegt. Oder, wie es Thomas Lowe Fleischner, geschäftsführender Direktor des Natural History Institute (naturalhistoryinstitute.org) in Prescott, formuliert: „Tatsächlich wird die Hoffnung auf die Zukunft der Welt in direktem Verhältnis zum Prozentsatz der normalen Menschen zunehmen, die sich mit Naturgeschichte befassen – der ältesten Form menschlicher Aufmerksamkeit, die die Fähigkeit und Demut erfordert, etwas zu untersuchen, das größer ist als wir selbst.“ Wie wäre es also, den nächsten verregneten Sonntag zu nutzen, um ein Naturkundemuseum zu besuchen? Es gibt mittlerweile auch virtuell Zutritt zu den schönsten und wichtigsten Naturkundemuseen der Welt. Aber es ist dennoch beeindruckend, Tristan Otto, „den König der angsteinflößenden Echsen“ im Original zu sehen.

Google Arts & Culture

heißt das Projekt, mit dem Google die immense Bedeutung der Naturhistorie erkannt und begonnen hat, Naturkundemuseen zu digitalisieren. Unter der Devise „Die Schönen, die Gefährlichen, die Bedrohten hautnah“ kann man bislang insgesamt 62 Sammlungen auf dem ganzen Erdball besuchen. Auch das Naturkundemuseum in Berlin mit seinen 30 Millionen Exponaten ist Teil des Projekts. artsandculture.google.com