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Schlagfertig durch Selbstverteidigungskurse

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Mehr Sicherheit im Alltag © Nathalie Zimmermann

Autorin Constanze Kleis hat gelernt, worauf es bei der Selbstverteidigung ankommt

Selbstverteidigungskurse sollen Frauen helfen, sich sicher zu fühlen und sich im Zweifel verteidigen zu können. Was aber lernt man eigentlich in so einem Kurs? Worauf kommt es im Fall der Fälle an? Antworten gibt ein Selbstversuch von alverde-Autorin Constanze Kleis.

Ich soll draufschlagen. Das ist nicht einfach. Das letzte Mal habe ich mich vor über 50 Jahren mit meinem Bruder gerauft und ansonsten habe ich die typische Mädchen-Sozialisation zu Defensive und zu Harmoniestreben genossen. Jetzt soll ich auf einen Mann einschlagen. Es ist nur eine von vielen Hürden, die ich und sieben andere Frauen im Alter zwischen 50 und Mitte 60 an einem Samstag in einer Hinterhof-Turnhalle nehmen wollen. Wir haben einen Selbstverteidigungskurs bei Dennis Samson, dem Leiter der Frankfurt Kali School, gebucht. „Kali“ ist eine philippinische Kampfkunst und Selbstverteidigung, der 45-jährige Dennis Samson ein Kali-Mandala – also ein Meister seines Fachs. Unser Wunsch: Uns selbstbewusster in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Uns sicherer zu fühlen. Wir hoffen auf effektive Techniken, mit denen wir in einem Kampf triumphieren könnten. Aber wir erfahren gleich: Darum geht es gar nicht.

FrĂĽh Grenzen setzen

„Körperliche Gewalt ist immer nur das aller letzte Mittel, das im besten Fall nicht angewendet werden muss“, stellt Dennis Samson gleich zu Beginn des Kurses klar. Selbstverteidigung bedeute vor allem, eine körperliche Konfrontation zu vermeiden. „Dazu brauche ich Achtsamkeit für meine Umgebung, um Probleme so früh wie möglich zu erfassen.“ Nachts mit Kopfhörern unterwegs zu sein, wäre deshalb keine gute Idee. Ebenso wenig, wie das ungute Gefühl zu ignorieren, wenn sich einer im Bus viel zu nah herandrängt oder wenn jemand einem auf dem Heimweg hinterherläuft. „Traut Euch unbedingt, auf Euren Bauch zu hören. Der Moment, in dem man sich unwohl fühlt, ist auch der, in dem man aktiv wird.“ Grenzen ziehen, das sei der nächste Punkt auf der Selbstverteidigungs-Prioritätenliste. Dazu brauche es entschiedenes Auftreten. Den direkten, festen Blick, die laute Stimme, die „Stop“ ruft und „Gehen Sie weg!“, eine aufrechte Körperhaltung. „Täter suchen Opfer. Keine Gegner.“ Das überzeugt. In der Theorie. In der Praxis, die ihr folgt, merken wir, wie schwer es uns allein fällt, laut zu sein. Und wie viel schwerer es ist, zuzuschlagen, denn nicht jede Konfrontation lässt sich vermeiden.

Gegenwehr wirkt

Deshalb hauen wir jetzt auf sogenannte Pratzen ein: Schlagkissen. Die eine hält es, damit die andere mit der flachen Hand darauf eindreschen kann. „Handflächenschläge haben eine sehr viel höhere Effizienz und ein viel niedrigeres Verletzungsrisiko als ein Faustschlag,“ sagt Dennis Samson. Der Trainer zeigt uns auch, wie man sich aus einem festen Griff befreit. Wie man sich nach unten fallen lässt, wenn man von hinten gepackt wird. Wie wir Knie und Ellenbogen einsetzen – die härtesten Körperteile, die am meisten ausrichten können. Auch zwischen den Beinen. Das alles hat nur ein Ziel: „Sich Gelegenheit zur Flucht zu verschaffen. Sich in Sicherheit bringen.“ Mit sehr guten Chancen. Eine Studie der Polizei Hannover zum Gegenwehrverhalten bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung zeigt, dass bereits bei leichter, konsequenter Gegenwehr der Frauen 68,4 Prozent der Täter die Tat abgebrochen haben. Bei massiver Gegenwehr konnten sogar 84,3 Prozent der Frauen den Täter zur Aufgabe bewegen. Auch deshalb empfiehlt die Polizei Frauen Kurse wie diesen, an dem wir gerade teilnehmen. Der endet mit einem kleinen Eindruck, wie es wäre, wenn es doch mal ernst wird: Wir stellen uns im Kreis auf. Ein Trainer der Frankfurt Kali School kommt in die Mitte. Gut gepolstert – in einer Art Schaumstoff-Rüstung. Jede von uns wird nun mal von ihm angegangen. Jede hat Gelegenheit, das Gelernte anzuwenden. Und ich tue es tatsächlich. Ich haue. Fest. Und bringe dabei nicht nur den Angreifer ins Taumeln, sondern auch meine Verzagtheit. Ein gutes Gefühl – nicht nur nachts im Dunkeln.

Tipps

Sicher unterwegs

  • Taschenalarme geben einen bis zu 100 Dezibel lauten schrillen Ton von sich. Auch eine Schiedsrichterpfeife alarmiert und schreckt ab. Pfefferspray ist dagegen kompliziert anzuwenden, und geht im schlimmsten Fall ins (eigene) Auge.
  • Mit einem SchlĂĽsselbund an einem längeren Band kann man sich einen Angreifer auch vom Leib halten, indem man das Band nutzt, um mit dem SchlĂĽsselbund weit auszuholen.
  • Heimwegtelefon.net bietet abends und nachts deutschlandweit eine persönliche telefonische Begleitung bis zum gewĂĽnschten Zielort an. Die Anrufer geben Standort und Ziel an die ehrenamtlichen Helfer durch – die verfolgen die Route ĂĽber Google Maps und können in Notsituationen Polizei oder Rettungsdienst alarmieren.