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Tatkräftiges Frauen-Netzwerk

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Dr. Monika Hauser macht sich stark für Frauen. © Bettina Flitner

Im Interview mit Gynäkologin Dr. Monika Hauser

Die Gynäkologin Dr. Monika Hauser kĂĽmmerte sich in den 1990er-Jahren im bosnischen Kriegsgebiet spontan um vergewaltigte Frauen. Aus ihrem Einsatz erwuchs die Frauenrechtsorganisation medica mondiale, die weltweit Frauen mit Gewalterfahrung ganzheitlich ins Leben zurĂĽckhilft. 

Monika Hauser spricht eindringlich und mit groĂźer Leidenschaft ĂĽber das Thema, das sie irgendwie schon immer umtreibt: sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Dagegen anzukämpfen, hat sie sich zur Lebensaufgabe gemacht. Mit nun 66 Jahren hat die GrĂĽnderin und Vorsitzende von medica mondiale viel erreicht – sieht aber auch, dass angesichts neuer Kriege und Krisenherde auf der Welt „die Arbeit immer mehr wird statt weniger“. Denn wo Rechtlosigkeit und keine Angst vor Strafverfolgung herrschen, ist sexualisierte Gewalt vor allem an Frauen und Mädchen weit verbreitet. 

Ärztin und Aktivistin

Schlagartig bekannt wurde Monika Hauser, als sie mitten im Balkankrieg Ăśberlebenden von Massenvergewaltigungen zu Hilfe eilt und gemeinsam mit lokalen Fachfrauen praktisch aus dem Nichts Gesundheitsangebote aufbaut. Sie ist in den Medien präsent, klagt an, appelliert an das MitgefĂĽhl, trommelt Spenden zusammen. 

Erfahrung im Umgang mit Frauen, die Gewalt erfahren haben, hatte sie da bereits gesammelt: In ihrer fachärztlichen Ausbildung an der Uniklinik Essen hatte Monika Hauser gemeinsam mit einer Psychologin Frauen nach Vergewaltigungen betreut. „Ich habe auch erfahren, wie männliche Kollegen die Gewalt teilweise bagatellisiert und die Frauen nicht ernst genommen haben. Ich wurde auch ausgegrenzt. Das war eine harte Schule.“ 

In Bosnien kämpft die Gynäkologin gegen patriarchale Strukturen, die Stigmatisierung vergewaltigter Frauen und bürokratische Widerstände. Mit Erfolg: 1993 wird dort das Frauentherapiezentrum Zenica eröffnet. Gemeinsam mit Mitstreiterinnen vor Ort gelingt es ihr, weitere Hilfsstrukturen aufzubauen, die den Frauen die Rückkehr ins Leben ermöglichen. Überlebende sexualisierter Gewalt haben in Bosnien und Herzegowina, Kroatien und im Kosovo inzwischen Anspruch auf Wiedergutmachung in Form einer monatlichen Rente. Sie sind sozial anerkannt, weniger stigmatisiert.

„Mir wurde früh klar, dass Frauenleben, Frauengesundheit und sexualisierte Gewalt zusammengehören und dass ich gegen die Gewalt angehen möchte.“

1999 mit der ersten mobilen gynäkologischen Ambulanz für den Kosovo (Bild links), 1993 mit ersten Klientinnen im Frauenzentrum Zenica (Bild rechts)

1999 mit der ersten mobilen gynäkologischen Ambulanz für den Kosovo (links), 1993 mit ersten Klientinnen im Frauenzentrum Zenica (rechts) © Christel Becker-Rau, medica mondiale

Frauenleben in SĂĽdtirol

Ihr Fronteinsatz ging an Monika Hauser nicht spurlos vorbei. Nach einem Zusammenbruch 1994 ist klar: Sie muss mehr auf sich selbst achten. Was treibt sie an, sich sexualisierter Gewalt an Frauen zu widmen – eine Tätigkeit, bei der sie selbst immer wieder in menschliche AbgrĂĽnde blickt? 

Heute kennt sie den Fachbegriff dafĂĽr: transgenerationale Traumatisierung. „Da gab es Kriegserfahrungen meiner Mutter als junges Mädchen, die ich nonverbal schon als Kind mitbekommen habe“, erzählt sie. Unverarbeitetes gab die Mutter quasi als Auftrag an die Tochter weiter. Die GroĂźmutter, Tanten, andere Frauen berichteten Monika Hauser von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung in SĂĽdtirol, etwa durch Dienstherren, Onkel und Geistliche. 

Von dort, aus dem bergigen, rauen Vinschgau, stammt ihre Familie ursprĂĽnglich. „Mir wurde frĂĽh klar, dass Frauenleben, Frauengesundheit und sexualisierte Gewalt zusammengehören und dass ich gegen die Gewalt angehen möchte.“ Monika Hauser sieht sich fĂĽr diese Aufgabe mit einer guten Mischung aus Betroffenheit, Empathie, Energie und SĂĽdtiroler Resilienz(fähigkeit) gewappnet. 

Solidarität von Männern

medica mondiale arbeitet mit dem stress- und traumasensiblen Ansatz®. Er vermittelt den respektvollen, stärkenden Umgang mit Menschen, die Gewalt erfahren haben. Gleichzeitig lehrt er, wie man mit den Gewalterfahrungen anderer zurechtkommen kann. Die Partnerorganisation Medica Liberia etwa trainiert die Polizei in dem westafrikanischen Land darin. 

Was Monika Hauser fĂĽr undenkbar hält in Deutschland, ist dort möglich. „Wird bei uns ein Auto zerkratzt, hat das einen höheren Stellenwert, als wenn eine Frau schwer traumatisiert wird. Es braucht gesellschaftliche Debatten und mehr Strafverfolgung“, fordert sie, „und auch mehr Männer, die sich solidarisch zeigen.“ Denn auch in Deutschland hat jede zweite bis dritte Frau sexualisierte Gewalt erlebt – und ist oft allein damit. 

Nähere Infos unter: medicamondiale.org