Wertvolle Ressourcen in der Stadt

In der Baubranche wird rund die Hälfte aller Rohstoffe weltweit verwendet. © Westend61/A.Tamboly
Recycling-Expertin Dr. Britta Bookhagen im Interview
Städte als Lager wertvoller Ressourcen? Ja, das ist eine ganz neue Perspektive. Sie nennt sich „Urban Mining“, sieht die Stadt als riesiges „Bergwerk“ und die in Häusern oder Elektrogeräten verbauten Rohstoffe als eine Art vermögenswirksame Anlage.
Längst gehört es zum Alltag, vermeintliche „Abfälle“ als potenzielle Rohstoffquellen für eine weitere Verarbeitung zu betrachten und für die Wiederaufbereitung zu entsorgen. Was aber ist mit Dingen, in denen viele Materialien verbaut sind? Wie etwa Handys? Häuser? Autos? Waschmaschinen? Straßen? Für diese „anthropogenen“, also menschengemachten Materialien soll es ein Leben nach dem Gebrauch geben, um Sand, seltene Erden, Beton, Gips, Metalle wieder zu verwenden.
Die Geologin Dr. Britta Bookhagen hat vorgerechnet, wie viel Großes sich mit Urban Mining erreichen ließe: Demnach stecken allein in den rund 200 Millionen „Schubladen-Handys“ 3,4 Tonnen Gold, 1.300 Tonnen Kupfer und 520 Tonnen Nickel. Geschätzter Wert: 240 Millionen Euro. Das könnte theoretisch den Smartphone-Bedarf der nächsten zehn Jahre decken.
Hunger nach Rohstoffen in Deutschland ist groß
Gerade für Deutschland stellt Urban Mining eine große Chance dar, so Dr. Britta Bookhagen. Schließlich zählen wir zu einem der größten Verbraucher von Rohstoffen weltweit und decken unseren Bedarf vorwiegend durch Importe. Wenn man dann bedenkt, wie viele Vermögenswerte im eigenen Haushalt und allein im Bausektor – in Gebäuden, in Brücken, in Straßen – auf eine Wiederverwertung warten, könnte man schon von einem echten Schatz sprechen. Aber, so Britta Bookhagen: „Es ist sehr schwer, einzuschätzen, welche Baustoffe in einem Gebäude verbaut wurden. Oder was genau eigentlich in einer alten Waschmaschine verarbeitet wurde oder wie viel Stahl oder Aluminium in einem Auto steckt, das vor 30 Jahren vom Band lief.“ Man braucht Daten, um zu entscheiden, lohnt sich die Trennung oder nicht.
Wiederverwendung von Material
Deshalb wird an Lösungen gearbeitet, die dem Urban Mining den Weg ebnen. Zum Beispiel mit einem „digitalen Materialausweis“ für Gebäude. In dem wird der Anteil von Material aus erneuerbaren oder recycelten Quellen, Schadstoffgehalt, Recyclingfähigkeit, Trennbarkeit der Materialien erfasst. Schon bei Produktion und Neubau soll nun die Idee mitgedacht werden, was später aus all den genutzten Rohstoffen noch alles werden könnte. Ganz im Sinne auch der EU, die mit dem Critical Raw Materials Act verstärkt auf Maßnahmen setzt, diese Rohstoffe zurückzugewinnen, und entsprechende Zertifizierungssysteme einführen will.
Vielleicht ist die größte Goldader beim urbanen Mining mehr Bewusstsein und Wertschätzung für das Material: Dass es unseren Blick auf den Aufwand, den es braucht, damit wir so leben können, wie wir leben, nachhaltig verändert und damit die Haltung zu den Dingen, die uns das ermöglichen.
Über Dr. Britta Bookhagen
Sie ist Arbeitsbereichsleiterin für „Recyclingstoffe“ bei der Bundesanstalt F.R Geowissenschaften und Rohstoffe. Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Mitarbeiterin bei der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) liegt auf Metallen in Elektrogeräten und deren Recycling. Durch ihre Arbeit als Referentin will sie aufklären: „Rohstoffe sind mehr als nur Erde und Steine. Das, was um uns herum ist, verdient unsere Wertschätzung.“