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Was heißt Freiheit für Dich?

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Wir haben mal nachgefragt, was Freiheit bedeutet. Für diese Menschen sieht das ganz unterschiedlich aus.

Menschen erzählen uns ihre persönliche Freiheitsgeschichte

Freiheit – sie bedeutet uns alles und jedem etwas anderes. Wir stellen Menschen vor, die im Großen wie im Kleinen eine ganz persönliche Freiheitsgeschichte zu erzählen haben. Alles Puzzlesteine von etwas sehr Kostbarem: selbst zu entscheiden, wie man leben will und was diesem Leben Sinn und Schönheit gibt.

Die Freiheit der Teilhabe

Dr. Iris Haist im Potrait

Dr. Iris Haist (40), Kunsthistorikerin und Autorin © Dr. Iris Haist/privat

„2011 wurde bei mir Friedreich-Ataxie diagnostiziert. Das ist eine genetisch bedingte neurodegenerative Erkrankung, die zum Glück nur langsam voranschreitet. Irgendwann aber wurde mein Gang immer unsicherer. Ich begann, mich zurückzuziehen, Verabredungen abzusagen. Ich wollte aber keine Gehhilfe. Ich fand die Idee schrecklich. Ich dachte, das ist für alte und sehr kranke Menschen und auch, dass ich damit für meinen Mann unattraktiv werde. Dann legte mir meine Mutter bei einem Besuch einen Prospekt von einem besonders schnittigen Modell aufs Bett (Danke noch mal dafür, Mama!). Ich dachte, ok, ich probiere es mal aus. ‚Hugo‘, so nenne ich meinen Rollator, hat mir mein Leben zurückgegeben. Er ermöglicht es mir, überall dorthin zu gehen, wohin ich gehen möchte: auf Reisen, ins Museum, ins Theater, ins Restaurant. Mit ihm sehe ich wieder nach vorne und auf das, was um mich herum passiert. Vorher habe ich meist ängstlich auf den Boden geschaut, um bloß nicht zu stolpern. Jetzt ist die Rücksichtnahme der anderen viel größer. Mein Mann genießt es übrigens auch, dass ich wieder überall dabei sein kann. So wie im Urlaub in Sizilien, als wir gemeinsam durch das Tal der Tempel gewandert sind.“ 

Die Freiheit, den Lebensweg selbst zu wählen

Hedayatullah (Hedy) Mohammadi im Potrait

Hedayatullah (Hedy) Mohammadi (32), Schuhmachermeister © laif/Tim Wegner

„Meine handgenähten Schuhe aus meiner Werkstatt in Frankfurt sind mein Symbol für Freiheit. Sie stehen dafür, dass ich einen Beruf wählen konnte, den ich liebe. Dass ich hier in Deutschland jeden Tag frei entscheiden kann, was ich heute tun werde, wie ich leben will. 2008 musste ich aus der Stadt Herat im Westen Afghanistans fliehen. Ich war von Unbekannten gekidnappt worden und während von meiner Familie Geld erpresst wurde, hat man mich gefoltert. Als ich freikam, entschied ich mich, mein Land zu verlassen. Ich hatte Angst, dass das wieder passiert. Ein Jahr war ich zu Fuß unterwegs. In Deutschland fand ich Menschen, die mir halfen, mich bei allem unterstützten und meinen Ausbildungsweg begleiteten. Ich lernte schnell Deutsch, weil ich wusste, wie wichtig Sprache ist, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Nach meinem Hauptschulabschluss absolvierte ich eine Schuhmacherlehre und machte schließlich meinen Meister. Manchmal schlief ich nur vier Stunden, um das Pensum zu bewältigen. Aber es hat sich gelohnt. Heute bekomme ich Aufträge aus aller Welt. Und ich konnte meine beiden Brüder nachholen. Der eine studierte. Der andere machte eine Ausbildung bei mir und ist jetzt Mitinhaber. Ich denke, der liebe Gott hat jedem ein Talent gegeben. Den einen hat er eine sehr schöne Stimme geschenkt, andere können sehr gut tanzen, bei mir ist es das Schuhemachen.“ 

Mehr über Hedayatullah (Hedy) Mohammadi: hedy-schuhmacherei.com 
 

Die Freiheit, mit den Beinen zu träumen

Asmaa Alasso im Potrait

Asmaa Alasso (22) ist Studentin der sozialen Arbeit © Asmaa Alasso/privat

„Für mich ist Tanzen Freiheit. Egal, welche Musik ich höre, welche Bewegungen ich dazu mache. Immer ist es doch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und die Gelegenheit, ganz der Mensch zu sein, der ich sein möchte. Ich bin ein großer K-Pop-Fan und nehme mit Freundinnen regelmäßig an K-Pop-Dance-Events teil. Aus diesem Freundeskreis ist unsere Tanzgruppe Uplift entstanden. ‚Uplift‘, weil wir durch unsere Performances die Stimmung heben wollen. Wir sind 13 mehr oder weniger aktive Mitglieder und trainieren in einem Jugendzentrum in Frankfurt. Wir gehen aber auch nach draußen mit den Mini-Lautsprechern, um für Wettbewerbe und Auftritte zu üben. Unsere Performances finden oft im Zusammenhang von Veranstaltungen statt, die vor allem Jugendliche ermutigen wollen. Wie zum Beispiel der International Girl’s Day. Vor Kurzem war ich als Studentin in Seoul – dem Herz des K-Pop. Davon habe ich schon als Kind geträumt. Das war toll und eine große Inspiration, weiterzumachen.“ 

Die Freiheit, zu heiraten, wen man liebt

Denis Wangrin und Tilo Braun-Wangrin im Potrait

Denis Wangrin (48) und Tilo Braun-Wangrin (47), Bankkaufmann und Buchautor („Tango unterm Regenbogen“) © Vasil Bituni

„Für uns war es die erste große Liebe, als wir uns 1998 kennenlernten. Damals war praktisch gesetzlich für schwule Paare noch gar nichts geregelt. Also haben wir uns 1999 verlobt und hielten das schon für die Krönung unserer Beziehung. Dann kam 2001 das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft und wir dachten: Wer verlobt ist, der sollte auch heiraten. Das haben wir mit einem großen Fest und vielen Gästen auch getan. Als schließlich 2017 die Ehe für alle kam, hätte eine einfache Unterschrift unter ein Dokument genügt. Wir haben uns aber entschieden, noch einmal zu feiern. Es war ein so tolles Fest. Nicht mehr ganz so förmlich wie beim ersten Mal. Und irgendwie auch selbstverständlicher. Jetzt können wir wirklich sagen, wir haben aus Liebe geheiratet. Alles andere war ja schon vorher längst vertraglich geregelt. Für uns war es auch ein Fest der Freiheit. Nicht nur wegen der Möglichkeit, ein Ehepaar zu sein, das schon bald Silberhochzeit feiert. Uns ist auch wichtig, dass wir uns nicht einengen. Dass jeder die Freiheit hat, zu tun, was er möchte. Sich nicht zu verstellen, sich treu zu bleiben – dafür sollte man unbedingt den Mut aufbringen.“ 

Die Freiheit, über Grenzen zu gehen

Annette Hildebrandt im Potrait

Annette Hildebrandt (70), Schriftstellerin und Musikerin © Nanet Schätzel-Baillon

„Ich bin ein Mauerkind. Bis 1961 lebten wir im Pfarrhaus der Versöhnungskirche in der Bernauer Straße in Ost-Berlin. Mein Vater war dort Pfarrer. Dann wurde die Mauer gebaut und wir wurden umgesiedelt. In der DDR bin ich auf dem Bildungsweg gestrandet. Wenn man nicht bei den staatlichen Jugendorganisationen, der FDJ und den Pionieren, war, konnte man weder Abitur machen noch studieren. Ich hatte einen Notendurchschnitt von 1,1 und man bot mir eine Lehre als Brauereifacharbeiterin an. Ich habe dann eine Ausbildung zur audiologisch-phoniatrischen Assistentin absolviert. Ich hatte Mauerträume. Solche, bei denen ich mich durchgraben musste bis nach West-Berlin.  

Als die Mauer fiel, war es für mich unfassbar, einfach über diese Grenze gehen zu können, die ich so gehasst habe.

Abi und ein Studium konnte ich nicht mehr nachholen. Ich war Mitte 30 und hatte zwei kleine Kinder, als die Mauer fiel. Aber ich ging in die Kommunalpolitik, habe die SPD im Osten mit aufgebaut, mich für die Demokratie engagiert. Auch gemeinsam mit meinem Mann in Schulprojekten zum Thema ‚Freiheit‘. Ich habe Bücher geschrieben und Kontrabass spielen gelernt. Trotz allem, was vielleicht an Ernüchterung kam – die Freude über den Mauerfall ist geblieben.“

Die Freiheit, die Tür hinter sich zu schließen

Heiko Garbe im Potrait

Heiko Garbe (43), Bürohilfskraft © Felix Mauersberger

„Ich war jahrelang schwerst alkoholkrank. Durch Krisen, wie den Tod meiner Mutter, wurde es immer mehr. Irgendwann habe ich jeden Kontakt zu meinem alten Leben verloren und bin 2018 wirklich in der Gosse gelandet. Jahrelang habe ich praktisch im Park gegenüber dem Leipziger Bahnhof gelebt. Das war hart. Meine Tagesdosis waren damals 15 Liter Bier und zwei Flaschen Pfefferminz-Schnaps – daher stammt auch mein Spitzname ‚Pfeffi‘. Die Wende kam 2021 mit dem Hilfebus Leipzig und darüber auch mit den Barber Angels, Friseurinnen und Friseure, die obdachlosen und bedürftigen Menschen kostenlos die Haare schneiden. Sie haben mich unter ihre Fittiche genommen. Seit 2021 bin ich nun trocken. Ich lebe in einem Wohnprojekt und habe endlich ein eigenes Zimmer. Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann ermessen, was es bedeutet, die Tür hinter sich zu schließen. Einen eigenen Raum zu haben. Das ist eine ganz neue Freiheit. Bald habe ich eine eigene Einraumwohnung im gleichen Gebäude. Ich engagiere mich bei der Obdachlosenhilfe TiMMi ToHelp e.V. und werde wieder auf die Füße kommen.“