Was ist Gerechtigkeit? Muss die Pizza immer in gleich große Stücke geteilt werden?

„Gerechtigkeit ist der ständige und ewige Wille, jedem das Seine zuzuteilen.“ John Rawls Bild: © shutterstock/bbernard
Freitagabend, vier Freundinnen treffen sich und holen sich eine Riesenpizza von ihrem Lieblingsitaliener. Der Pizzabäcker schneidet sie in vier gleich große Stücke. Klar, so ist es ja auch gerecht, oder?
Auf den ersten Blick auf jeden Fall. An diesem Freitagabend ist es nun aber so, dass Tina noch einen Snack hatte, bevor sie sich auf den Weg zu dem Treffen gemacht hat, während Sonja abgehetzt und mit hörbar knurrendem Magen direkt aus dem Büro in die Pizzeria gefahren ist. Wäre es dann nicht gerecht zu sagen: Sonja bekommt ein größeres Stück und Tina ein kleineres?
Grundsteine der demokratischen Gesellschaft
Gleichheit und Gerechtigkeit werden häufig synonym verwendet. Beides sind hohe Werte, die gleichermaßen wichtig für das Zusammenleben in einer Gesellschaft sind. Trotzdem gibt es einen Unterschied in ihrer Definition: Gleichheit zielt darauf ab, alle gleich zu behandeln. So steht es auch in Artikel 3 des Grundgesetzes, der besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, Männer und Frauen gleichberechtigt sind und niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Dieser Gleichheitsgrundsatz ist eine wichtige Basis unserer Demokratie.
Gerechtigkeit kann auch individuell sein
Bei Gerechtigkeit hingegen spielen die jeweiligen Bedürfnisse des Einzelnen eine Rolle. In einer Gesellschaft, die auf absoluter Gleichheit basiert, hätten demnach alle Menschen das gleiche Einkommen, den gleichen Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsversorgung und anderen Ressourcen. In einer Gesellschaft nach dem Grundsatz der absoluten Gerechtigkeit bekämen alle Menschen das Einkommen, die Bildung und die Ressourcen, die sie benötigen, um ihr volles Potenzial zu entfalten.
Es gibt also Situationen, in denen es gerechter sein kann, wenn nicht alle dasselbe bekommen. Die hungrige Sonja bekommt mehr Pizza als die weniger hungrige Tina, der zwölfjährige Sohn mehr Taschengeld als der fünfjährige, weil er andere Bedürfnisse hat. Ungerecht wäre aber zum Beispiel, wenn die beiden Kinder bei derselben Tätigkeit im Haushalt gleichermaßen helfen und das ältere als Dank dafür ein größeres Eis bekommt als das jüngere.