HauptnavigationKategorienavigationHauptinhalt

Wasser – 3 Comeback-Geschichten

Taucher im grĂŒnen Unterwassergras

Wiese unter Wasser: Ein Taucher erkundet angepflanztes Seegras. © Philipp Hoy

Drei Experteninterviews

Wasser ist lebenswichtig fĂŒr uns Menschen, die Natur und das Klima. Doch viele GewĂ€sser sind belastet, aus dem Gleichgewicht geraten und manche drohen zu kippen. Dabei gibt es Helfer, die fĂŒr Regeneration und mehr StabilitĂ€t sorgen können: Wir schauen auf Karpfen, Seegras und Flussmuschel – Wasserbewohner, die Hoffnung machen.

Die grĂŒne Lunge im Meer

Der Forschungsverbund SeaStore pflanzt Seegras in der sĂŒdlichen Ostsee. Die Wiesen unter Wasser sollen sich erholen und ihre wichtige Funktion fĂŒr CO₂-Bindung und BiodiversitĂ€t erfĂŒllen. 

„Seegras kommt nicht von allein zurĂŒck“, sagt Geoökologin Dr. Maike Paul, Projektleiterin bei SeaStore. „Wenn eine Wiese einmal verschwunden ist, sind die Bedingungen oft nicht mehr optimal.“ So fĂŒhrt der NĂ€hrstoffeintrag aus der Landwirtschaft zu ĂŒbermĂ€ĂŸigem Algenwachstum. Dadurch dringt wenig Licht zum Meeresboden durch. Die Hauptursache fĂŒr den Schwund ist aber eine Krankheit, die in den 1930er-Jahren große FlĂ€chen zerstörte – doch damals kĂŒmmerte sich niemand darum. 

Heute weiß man, wie wertvoll Seegras fĂŒr das Ökosystem ist. Seine FĂ€higkeit, Kohlenstoff im Boden zu binden, macht es ĂŒberdies fĂŒr den Klimaschutz interessant. „Seegras wird nicht die Welt retten“, betont Maike Paul. „Aber wenn wir bestehende Wiesen verlieren, wird der dort gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt. Das mĂŒssen wir verhindern.“ 

Doch Seegras neu anzusiedeln ist aufwendig: ZunĂ€chst muss SeaStore geeignete FlĂ€chen fĂŒr die Unterwasseraufforstung aussuchen. „Es sollte genug Licht an den Boden kommen, die Wellen dĂŒrfen nicht zu stark sein, damit die Halme nicht gleich weggespĂŒlt werden,“ nennt die Expertin nur zwei Kriterien. 

Taucherinnen und Taucher entnehmen einzelne Pflanzen aus gesunden Wiesen, entwirren und sortieren sie an Bord, um sie dann an anderer Stelle einzeln wieder einzupflanzen. Das ist nicht nur körperlich herausfordernd, weiß Maike Paul: „An Land könnte man eine FlĂ€che einzĂ€unen. Unter Wasser geht das nicht. Krabben fressen die jungen Pflanzen, Boote reißen sie mit Ankern wieder aus dem Boden.“ 

Trotzdem: Erste FlĂ€chen entwickeln sich positiv. „Wo vorher nur Sand war, sehen wir jetzt Algen, Seenadeln, WĂŒrmer und Krebse. Das zeigt, dass unsere Methode funktioniert.“ Maike Pauls Forschungsschwerpunkt der nĂ€chsten zwei Jahre: herauszufinden, wann eine neue Wiese stabil genug ist, um sich selbst zu erhalten. Denn ihr Ziel ist klar: „Wir wollen, dass sich Seegras wieder dauerhaft ausbreitet, ganz ohne unsere Hilfe.“ 

Unsere Expertin: Dr. Maike Paul 
Sie forscht an der Leibniz UniversitĂ€t Hannover und am Ludwig-Franzius-Institut fĂŒr Wasserbau, Ästuar- und KĂŒsteningenieurwesen. 

Schon gewusst? SeegrĂ€ser sind keine Algen, sondern echte Pflanzen. Wie Landpflanzen bilden sie BlĂŒten, Samen und Wurzelwerk. Wer angespĂŒlte BĂŒschel am Strand entdeckt, kann den Geruchstest machen: WĂ€hrend die meisten Algen markante bis unangenehme Duftnoten absondern, zersetzt sich Seegras geruchlos. 

Ein Karpfen schwimmt ĂŒber Steine

Karpfen finden einen Teil ihrer Nahrung im Teich. Âč 

Ein Traditionsfisch mit Zukunft

Aquakultur steht oft in der Kritik – wegen Fischmehl im Futter, Medikamenteneinsatz oder ĂŒberfĂŒllten Becken. Die Karpfenteichwirtschaft zeigt, dass es auch anders geht. Karpfen wachsen in Naturteichen auf, die nicht nur den Fischen, sondern auch zahlreichen anderen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. „Wir nutzen drei verschiedene Teiche fĂŒr unterschiedliche Lebensphasen,“ erklĂ€rt Wolfgang Seegerer, der auf seinem Naturland-Hof in der Oberpfalz Karpfen zĂŒchtet. 

In einem flachen Laichteich schlĂŒpfen die Jungfische, dann wachsen sie im Aufzuchtteich heran, bevor sie als Speisekarpfen in den grĂ¶ĂŸeren Teich kommen. „Speisekarpfen leben drei Jahre, sie werden also nicht schnell hochgezĂŒchtet,“ betont der Landwirt. Ein weiterer Vorteil: Karpfen ernĂ€hren sich von Kleinstlebewesen im Wasser und zusĂ€tzlich von Getreide – bei Wolfgang Seegerer bekommen sie es sogar in Bio-QualitĂ€t. Anders als bei vielen anderen Speisefischen, die auf proteinreiches Futter aus Wildfang angewiesen sind, bleibt der ökologische Fußabdruck gering. Auch Antibiotika oder Hormone kommen nicht zum Einsatz. 

Die naturnahe Haltung bedeutet jedoch auch: Ihren Feinden sind die Karpfen ziemlich schutzlos ausgeliefert. „Kormorane und Fischotter holen sich immer mehr Fische aus den Teichen, da hilft ein Elektrozaun nur bedingt.“ 

WĂ€hrend der Karpfen bei invasiven Arten oben auf dem Speisezettel steht und Feinschmecker ihn schĂ€tzen, hat er bei Verbrauchern ein Imageproblem: „Viele haben ihn aus der Kindheit als fettig oder modrig in Erinnerung,“ sagt Wolfgang Seegerer. „Dabei hĂ€ngt sein Geschmack davon ab, wie er gehalten wurde.“ Schwimmt der Fisch vor der Schlachtung eine Woche lang in frischem Wasser, schmeckt er mild und fein. „Karpfen ist eine der nachhaltigsten Fischarten, die man essen kann,“ sagt Wolfgang Seegerer. „Es wĂ€re schade, wenn diese Form der Teichwirtschaft verloren ginge.“ 

Unser Experte: Wolfgang Seegerer 
Er hat einen Bauernhof mit Karpfenzucht in KumpfmĂŒhle in der Oberpfalz. Dieser ist vom Anbauverband Naturland zertifiziert. 

Schon gewusst? Der Karpfen ist eigentlich eine gebietsfremde Art in Europa. Der ostasiatische Fisch wurde allerdings schon von den alten Römern und im Mittelalter in Klöstern gezĂŒchtet. Er gilt dadurch als etabliert – im Unterschied zu Tieren und Pflanzen, die nach Kolumbus eingebracht wurden. 

Muscheln und Steine im Wasser

Die kleine Flussmuschel grÀbt sich im Sediment ein. © Stefan Tannenberg

Wasserfilter mit Bodenhaftung

FrĂŒher konnte man an der Nister noch MuschelbĂ€nke mit bloßem Auge sehen. Heute ist die Bachmuschel selten geworden. Ein Artenschutzprojekt hilft ihr, im rheinland-pfĂ€lzischen Fluss wieder Fuß zu fassen. Die Bachmuschel filtert organisches Material und trĂ€gt so zur Selbstreinigung der FlĂŒsse bei. Sie grĂ€bt sich in den Boden ein und lockert das Sediment auf, was beispielsweise die Sauerstoffversorgung verbessert. „Viele denken bei GewĂ€ssern nur ans Wasser, aber ein grĂ¶ĂŸerer Hotspot des Lebens liegt im Boden darunter,“ sagt Umweltwissenschaftlerin Meike Koester.  

Die Bachmuschel gilt als eine Ingenieurin des Ökosystems, doch menschliche Eingriffe haben ihren Job fast unmöglich gemacht: „FlĂŒsse wurden begradigt und Wasserkraftwerke haben Wanderwege fĂŒr Fische abgeschnitten, die die Muschel fĂŒr ihre Entwicklung braucht,“ erklĂ€rt die Expertin. 

Die Nister gilt als vielversprechender Ort fĂŒr die Wiederansiedlung. „Hier gibt es noch einen kleinen Bestand, und parallel laufen andere Renaturierungsprojekte,“ sagt Meike Koester, die das Wiederansiedlungsprojekt leitet. 
 
Und so lĂ€uft es im Einzelnen: Die Wissenschaftler entnehmen hochtrĂ€chtige Muscheln fĂŒr wenige Tage, um ihre Larven zu gewinnen. Diese bringen sie gezielt mit ihren Wirtsfischen zusammen – damit steigt die Chance, dass sich die Larven an den Kiemen eines Fisches festsetzen können. Nach etwa einem Monat als Parasiten lösen sie sich von den Fischen und wachsen ihr erstes Lebensjahr geschĂŒtzt in der Muschelzuchtstation auf. „Nach rund anderthalb Jahren werden sie wieder in die Nister entlassen.“ 

„Wir halten die Phase in Gefangenschaft möglichst kurz, weil sich Tiere sonst genetisch anpassen und nicht mehr fit fĂŒr die Wildnis sind,“ erlĂ€utert Meike Koester. Ob die Wiederansiedlung erfolgreich ist, zeigt sich erst in einigen Jahren. „Wenn sich die Muscheln im Sediment verstecken, wissen wir nicht, ob sie ĂŒberlebt haben. Spannend wird es, wenn sie mit drei bis fĂŒnf Jahren geschlechtsreif sind und an die OberflĂ€che kommen – dann sehen wir, ob sich der Bestand wirklich erholt,“ sagt Meike Koester. Sie bleibt zuversichtlich: „Wir arbeiten fĂŒr das ganze GewĂ€sser. Ein gesunder Fluss ist immer mehr als die Summe seiner Bewohner.“ 

Unsere Expertin: Dr. Meike Koester 
Sie forscht an den UniversitĂ€ten Kassel und Koblenz zu GewĂ€sserökologie und Naturschutz. 

Schon gewusst? Die Muschellarven haben einen winzigen Zahn, mit dem sie sich an den Kiemen eines Fisches festbeißen. DafĂŒr muss allerdings in ihren ersten eineinhalb Lebenstagen der geeignete Fisch vorbeischwimmen. Wirtsfische sind beispielsweise Elritze, Döbel und Nase.