Annika Schäfer lernt Gebärdensprache um zu kommunizieren

Annika Schäfer (re.) gebärdet mit ihrer Dozentin Martha Julich-Backes. © Marlitt Schulz
Willi Weitzels Mutmachgeschichte
Sie lernt als Hörende Gebärdensprache, um mit Gehörlosen kommunizieren zu können: Annika Schäfer erschließt sich damit eine bereichernde neue Welt und möchte andere dazu ermutigen, auch Neues zu wagen.
Aus purer Neugier hat Annika Schäfer vor ein paar Jahren angefangen, Gebärdensprache zu lernen. Im Video-Chat erzählt sie mir, wie fasziniert sie von einer Gruppe Frauen auf dem Weihnachtsmarkt gewesen war, die sich sehr angeregt mit Gebärden unterhielten. Als die Volkshochschule in Montabaur einen Grundkurs in Gebärdensprache anbot, meldete sie sich sofort an. Das ist ja voll meine Schiene: Die Neugier ist der Beginn und der Motor, um Neues zu lernen!
Gebärdensprache folgt einer eigenen Grammatik
Als Annika erzählt, dass sie inzwischen schon fünf Kurse gemacht hat, gebärdet sie die Zahlen automatisch mit. „Es wäre schön, wenn Hörende auch ein paar Gebärden könnten, um Kontakt zu Gehörlosen herstellen zu können“, sagt Annika. So, wie wir „Hello, my name is …“ sagen und uns auf Englisch vorstellen können.
Ich erinnere mich an eine Folge von „Willi wills wissen“, die wir über gehörlose Kinder gedreht haben. Damals haben sie mir einen Namen auf Gebärdensprache gegeben. Ein Zeichen wie Kopfkratzen für Neugier und alle wussten, dass ich damit gemeint war. Annikas Name in Gebärdensprache ist ein Streichen mit zwei Fingern über den Pulli. Der steht für Wolle und ihren Nachnamen Schäfer, die Gebärde Stempeln (mit der Faust auf die Handfläche) steht für ihren Beruf als Beamtin in der Verwaltung. Viele Gebärden erschließen sich wie diese gleich, meint sie, andere muss sie lernen wie Vokabeln, nur meist ohne die gewohnten Kärtchen.
Wenn die 34-Jährige nach der Arbeit und Familienaufgaben abends den Volkshochschulkurs besucht, raucht ihr der Schädel, aber es ist eine Zeit nur für sie, die die Mutter von zwei Kleinkindern genießt: Gebärdet wird „vom Großen ins Kleine“, erklärt sie. Möchte ich sagen: Der Hund liegt vor dem Tisch, wird erst der Tisch, dann der Hund, anschließend die Position des Hundes gebärdet.
Annika versetzt sich in die Lage Gehörloser
„Ich würde nie behaupten, dass ich Gebärdensprache beherrsche“, sagt sie. „Ich lerne und bemühe mich.“ Und das, obwohl Annika auch noch beim DLRG ehrenamtliche Rettungsschwimmerin, Sanitäterin, Bootsführerin und Ausbilderin ist. „Gebärdensprache zu lernen bereichert mich einfach total. Ich mache es deshalb auch nicht halbherzig. Martha, unsere Dozentin, ist ganz toll, sie ist ein Vorbild für mich.“
Sieht Annika Menschen beim Gebärden, nimmt sie Kontakt auf, wenn sie das Gefühl hat, es passt. Ansonsten hat sie als Hörende eine Sensibilität für nicht Hörende entwickelt: Sie nicht beim Gebärden anstarren oder einfach berühren, sondern sich ihnen direkt zuwenden und durch Winken auf sich aufmerksam machen. Annika hat selbst die Erfahrung gemacht, beim Gebärden in der Stadt unangenehm angestarrt zu werden. „Das hat mich richtig Mut gekostet“, gesteht sie.
Bild ganz oben: Marlitt Schulz
