Bionic-Model mit Mission

Die Prothese mutet futuristisch an: Mit ihr wird Greta als kompetent und stark angesehen, ohne sie manchmal als bedauernswert. © Sven Gehwald
Willi Weitzels Mutmachgeschichte
Greta Niewiadomski wurde ohne rechte Hand geboren und litt lange unter Mitleid und Vorurteilen anderer. Als Model mit Handprothese möchte sie Vorbild fĂŒr andere Betroffene sein. Willi Weitzel stellt die Mutmacherin vor.
Greta zieht ihre Bionic-Hand an wie einen Handschuh. Indem sie sich vorstellt, dass sie die Hand bewegt, werden ĂŒber Nervenreize Muskeln aktiv und stimulieren die Elektroden in der Prothese. Das fasziniert nicht nur mich, sondern auch die meisten anderen, die Gretas Hand sehen. Dazu spĂ€ter. Ich möchte Greta heute vorstellen, weil sie sich auf so starke Weise dafĂŒr einsetzt, ein Bewusstsein zu schaffen und darĂŒber aufzuklĂ€ren, dass Menschen, denen GliedmaĂen fehlen, nicht unser Mitleid wollen. Sie sind auf ihre Art komplett und stark.
Kein einhÀndiges Vorbild
âIch hatte viele Mutmacher im Leben, aber kein Vorbild, das einhĂ€ndig war. Deswegen macht es mich richtig glĂŒcklich, dass ich heute Vorbild sein kannâ, sagt Greta im Video-Chat zu mir. Die Hamburgerin studiert nach ihrem Bachelor-Abschluss in Psychologie Klinische Neurowissenschaften. Ihr Spezialgebiet ist die Forschung zur Entwicklung von Prothesen. Ihr Studium finanziert Greta als âBionic-Modelâ. Das macht ihr groĂen SpaĂ und sie ist als Frau mit Prothese sichtbar (NĂ€heres auf Instagram @gretamariq). Greta hofft, dass sie so dazu beitragen kann, die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit körperlichen Behinderungen zu verĂ€ndern. âIch habe schon in meiner Bachelor-Arbeit darĂŒber geschrieben, dass die Prothese ganz viel an dem Stereotyp ĂŒber Menschen mit Behinderung Ă€ndertâ, erzĂ€hlt sie. ââBehindertâ als Begriff und als Bild, das wir in der Gesellschaft haben, ist mit krank assoziiert. Es kommt vor, dass mir fremde Menschen im Bus gute Besserung wĂŒnschen, obwohl ich gesund bin.â

Greta (Bildmitte) im Jugendcamp fĂŒr Kinder, denen GliedmaĂen fehlen. Es wird vom Bundesverband fĂŒr Menschen mit Arm- und Beinamputation (BMAB) organisiert. © Annett Windisch
HilfsbedĂŒrftig versus Superkraft
Ihre Hightech-Hand kann Greta nutzen, um die âFremdwahrnehmung komplett umzudrehenâ, wie sie sagt. âVon einem hilfsbedĂŒrftigen Bild und einem abwertenden Blick hin zum Bild einer sehr kompetenten Frau.â WĂ€hrend die Menschen befangen sind, wenn sie Gretas Armstumpf sehen, ist die Prothese ein Eisbrecher. âBoa, wie cool, was kann die denn?â, fragen viele. So wenig man ihr ohne Prothese oftmals zutraut, so sehr geht die Fantasie manchmal beim Anblick der Prothese durch: âIn Hamburg wurde ich nicht in einen Club gelassen, mit der BegrĂŒndung, ich könnte meine Bionic-Hand als Waffe einsetzen und jemanden umhauen.â Terminator lĂ€sst grĂŒĂen.
Eine Woche nicht behindert sein
FĂŒr Kinder und Jugendliche mit Amputationen und Dysmelie â so nennt man angeborene Fehlbildungen der GliedmaĂen â ist Greta ein Vorbild. Jedes Jahr betreut sie eine Woche in einem Jugendcamp Kinder, wie sie eines war: oft unverstanden und ausgegrenzt. Sind sie unter sich, bedeutet das: âEine Woche nicht behindert seinâ, weiĂ Greta. Keine Spiele und Morgenkreise, bei denen man sich die Hand geben muss, niemand muss beweisen, dass er trotzdem etwas kann. âZu mir sagte als Kind mal eine Mutter: âIrgendwann wĂ€chst Deine Hand nach, dann bist Du auch ein schönes MĂ€dchenââ, erzĂ€hlt Greta. Ich kann nur erahnen, was sie in ihrem Leben schon alles erfahren musste. Als sie selbst als Jugendliche an diesem Feriencamp teilnahm, war das fĂŒr Greta deshalb âdas Paradiesâ, wie sie sagt. Heute möchte sie die Kinder als Betreuerin im Jugendcamp bestĂ€rken. Wenn sie hören, dass Greta Taekwondo fĂŒr die Paralympics trainiert, werden sie staunen.
Weitere Informationen des Jugendcamps: bmab.de/jugendcamp