Bühne frei für alle Menschen

Jörg Schur und Willi nach einem seiner Schauspieltrainings © Junges Theater Augsburg/Jörg Schur
Willi Weitzels Mutmachgeschichte
Jörg Schur inszeniert am Jungen Theater Augsburg Theaterstücke für junge Talente ohne und mit Beeinträchtigung, vor allem Trisomie 21. Indem er ihre „Stärken stärkt“, entfalten die Schauspielerinnen und Schauspieler ihr künstlerisches Potenzial. Willi stellt das Projekt vor.
Für meine Filme habe ich bei Jörg Schauspielunterricht genommen. Ich musste dabei oft über meinen Schatten springen, wusste aber, ich komme da hin, wo Jörg mich haben will. Sein Ansatz, „die Stärken der Menschen zu stärken“, hat bewirkt, dass ich am Ende dachte: „Krass, was alles in mir steckt!“
Menschen mit Down-Syndrom möchten ihre Talente leben
Für mich war das eine tolle Erfahrung. Für Menschen mit dem Down-Syndrom ist so eine Selbsterkenntnis noch mal viel wichtiger. Denn sie haben selten die Gelegenheit, herauszufinden, wo ihre Stärken liegen. Sie können sich mangels Angeboten nicht ausprobieren, so wie ich das in allen Bereichen der Gesellschaft ganz selbstverständlich tun kann. Doch auch Menschen mit Trisomie 21 haben unterschiedliche Talente und den Wunsch, sie einzubringen.
Jörg und das Team des Jungen Theaters Augsburg geben jungen Erwachsenen ohne und mit Behinderung, die Schauspielen interessant finden, eine Bühne. Das ist toll, und weil das Mut macht und dazu beiträgt, den Blick auf Menschen mit dem Down-Syndrom zu verändern, möchte ich darüber heute berichten. Und das Projekt bewirkt noch mehr: „Der größte Mehrwert überhaupt ist das soziale Miteinander, das dabei gewachsen ist“, sagt Jörg. „Das ist gelebte Inklusion, weil ein gemeinsamer Nenner da ist: nämlich die Ernsthaftigkeit, an einem Projekt zu arbeiten.“
Das erste Stück weckte große Emotionen bei den Zuschauern
Die Vorstellungen ihres ersten Theaterstücks „Ich bin. Auf der Suche.“ waren ausverkauft und weckten beim Publikum große Emotionen, wie Jörg mir erzählt: „Da waren Tränen in den Augen vieler Zuschauenden.“ Die Fortsetzung des ersten Stücks, „Ich bin. Mein Weg.“, wird diesen Monat nach einem Dreivierteljahr Proben aufgeführt.
Es geht viel darum, wie ich Emotionen für die Rolle nutzbar mache. Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung können Privates und die Rolle weniger gut trennen, weiß Jörg: „Ich muss immer wieder Brücken bauen“, erklärt er. „Ich nehme alle in ihren privaten Befindlichkeiten ernst, lasse mich davon inspirieren und gucke, wie ich es positiv für die Geschichte nutzen kann.“
Jörg Schur ermutigt Menschen mit Down-Syndrom, sich mit ihren Ideen einzubringen. © Junges Theater Augsburg/Jörg Schur
Die besondere Kunstform der Collage steht im Vordergrund
Am Anfang der Zusammenarbeit für das Theaterstück hat die Gruppe Ideen und Wünsche gesammelt. „Mein Job als Regisseur war es, das textlich in eine Collage einzubetten“, erklärt Jörg. „Es ist eine kreative Reise, an der alle ganz stark teilhaben.“ Ihr Ziel: ein Stück auf die Bühne zu bringen, das die Zuschauenden bewegt und in ihren Bann zieht.
Jörgs Sohn Timo ist Teil der Theatergruppe. Offensichtlich hat er das Schauspieltalent seines Vaters geerbt. Jörg ist seit 30 Jahren auch Theaterschauspieler. „Wenn ich Timo auf der Bühne anschaue, wie er den Erzähler gibt und so in eine Körperspannung geht, dann sehe ich nicht den Menschen mit der genetischen Besonderheit Down-Syndrom, sondern den Künstler.“ Ich bin ganz gespannt auf die Aufführung Anfang Juli. Wie ich Jörg kenne, wird es ein sehr schönes Erlebnis.
FreiSpiel21: Stück „Ich bin. Mein Weg.“
Das Junge Theater Augsburg macht sich für Inklusion stark. Sein inklusiver Theaterclub „FreiSpiel21“ wird von der Aktion Mensch gefördert. Schauspieltalente ohne und mit Behinderung zwischen 13 und 25 Jahren bringen im Juli ihr zweites Theaterstück auf die Bühne.
Näheres zu den fünf Aufführungen unter: jt-augsburg.de/freispiel21