Claus Niedermaier frisiert Obdachlose kostenlos
Friseur Claus Niedermaier in der Vereinsmontur der „Barber Angels“ mit einem glücklichen Kunden. © Reimund Felker
Willi Weitzels Mutmachgeschichte
Claus Niedermaier hat sich als Friseurmeister einen Namen gemacht, frisiert auch viele Prominente – und kostenlos Obdachlose. Dafür erhielt er jetzt das Verdienstkreuz am Bande. Willi hat mit dem Gründer der „Barber Angels“ gesprochen.
Es ist schon einige Jahre her, da musste ich selbst eine traumatische Erfahrung machen. Für meine Sendung „Willi wills wissen“ habe ich eine Gruppe obdachloser Männer in München interviewt und spontan mit ihnen auf der Straße übernachtet – und erfahren, wie gefährlich das ist. Mitten in der Nacht wurden wir überfallen. Ich bekam einen Prügel über den Schädel gezogen und musste genäht werden. Den anderen ist zum Glück nichts passiert – diesmal. Natürlich hat mich interessiert, was die Männer auf die Straße gebracht hat. Scheidung, Alkoholprobleme, Jobverlust, Wohnung weg ... Solche tragischen Lebensgeschichten hört auch Claus Niedermaier sehr oft, wenn er obdachlosen Menschen mit einem Haarschnitt Würde zurückgibt. „Du und ich könnten genauso auf der Straße landen“, meint er.
Jeder könnte etwas tun
Sein ehrenamtliches Engagement begann Claus just hier in München, wo ich meinen Selbstversuch damals abbrechen musste. Claus, der einen Friseursalon in Biberach führt, hatte in einem TV-Bericht vom Kältetod eines Obdachlosen erfahren und bekam eine Idee: Menschen, die auf der Straße leben, mit den Möglichkeiten seines Friseurhandwerks zu helfen. „Ich würde gern auch andere Handwerksbranchen inspirieren. Dass Bäcker einmal im Monat Brezeln unter Obdachlosen verteilen oder der Metzger Frikadellen. Jeder könnte nach seinem Maß etwas tun“, findet Claus. Besonders erschüttert ihn, dass immer mehr Menschen über 80 in die Bedürftigkeit abrutschen. Er begegnet ihnen in karitativen Einrichtungen, in die er zum Haareschneiden kommt.
„Barber Angels“ vor Claus’ Salon © U. Klob
Viele folgen der Idee
Über 800 Friseurinnen und Friseure konnte er für seine Idee, Obdachlosen kostenlos die Haare zu schneiden, inzwischen schon gewinnen, bundesweit, in Österreich, Spanien und weiteren Ländern. Die Keimzelle dieser Bewegung waren seine engsten Friseursfreunde – deshalb der Name „Barber Angels“ Brotherhood für den Verein. Inzwischen sind die meisten Ehrenamtlichen Frauen. Claus als „President“ hat feste Organisationsstrukturen ersonnen, damit seine Idee – weltweit – in seinem Sinn weiterwächst. Barber Angels treten in Schwarz auf und tragen Lederwesten mit Logo. So fallen sie auf, sind wiedererkennbar, bilden eine Gemeinschaft. Die lederne Arbeitsuniform wappnet die Friseurinnen und Friseure vielleicht auch ein wenig vor dem, was ihnen an Not entgegenschwappt.
Dankbarkeit entlohnt
„Es ist wunderbar zu beobachten: Erst sitzen die Menschen gebückt im Stuhl, wollen sich am liebsten verstecken.“ Doch dann entspinnt sich diese Art von Friseurgespräch. „Sie lassen los und wollen darüber sprechen, warum sie in dieser Lage sind. Wir nehmen ihnen etwas ab, indem wir zuhören“, sagt Claus. „Sie beginnen sich im Stuhl aufzurichten, erkennen sich im Spiegel wieder, fühlen sich wieder selbstbewusster. Mit der neuen Frisur fallen Obdachlose nicht mehr direkt auf.“
Wenn 35 „Barber Angels“ an einem Tag zur Münchner Aktion Brücke kommen, um 150 Menschen die Haare zu schneiden, ist die Gruppe hinterher emotional sehr berührt. Claus hat beruflich alles erreicht, sich bei Stars einen Namen gemacht. Doch die Dankbarkeit der Menschen, die er kostenlos bedient, ist ihm der liebste Lohn.