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Kino-Kultur on Tour

Foto von Willi Weitzel und Matthias Ditscherlein

Für gemeinsames Erleben und ein gutes Miteinander ist Matthias (re.) mit dem Kino-Bus im ländlichen Sachsen unterwegs. © Gabriele Julius Henze

Willi Weitzels Mutmachgeschichte

Matthias Ditscherlein bringt mit einem umfunktionierten Kino-Bus, Marke Robur aus DDR-Fabrikat, popcornsĂĽĂźe, schöne Gemeinschaftserlebnisse in abgelegene Orte Sachsens. Willi hat mit dem freischaffenden Filmemacher gesprochen. 

Matthias Ditscherlein hat mich als Filmemacher schon oft bei Filmproduktionen unterstĂĽtzt. Seit ich ihn privat besser kenne, weiĂź ich von seinem tollen Nebenjob: Er bringt Menschen im sächsischen Vogtland mit einem alten umgebauten Bus aus DDR-Zeiten das Kino vor die TĂĽr – und damit die herrliche Möglichkeit, zusammen Filme anzuschauen und eine gute Zeit zu haben. FĂĽr mich eine perfekte Mutmachgeschichte. Deshalb mache ich den Video-Chat diesmal mit Matthias und höre seiner Geschichte gespannt zu. 

Wenn das Kino zu den Menschen kommt

„Vor 130, 140 Jahren zogen die ersten Kinos ĂĽber die Jahrmärkte und zeigten in Zelten Stummfilme. Das Kino kam zu den Menschen. Das wollte ich aufgreifen,“ erklärt er mir. Rund um seinen Heimatort Rodewisch gebe es noch zu wenig Gelegenheiten fĂĽr die Menschen, sich zu treffen, gemeinsam Kultur zu erleben und sich auszutauschen – wichtig fĂĽr eine lebendige Demokratie. 

Als er beschlieĂźt, etwas zu ändern, zieht die ganze Familie mit: 2018 grĂĽnden die Ditscherleins mit Freunden Insel Kino e. V. Zu ihrer ersten Open-Air-Kino-VorfĂĽhrung kommen sage und schreibe 500 Menschen. 

„Du erweiterst mit Deinem Kino-Angebot den Horizont der Menschen. Und sie bereichern mit ihren Reaktionen und ihrer Begeisterung auch Dich.“ Willi Weitzel

Kind hält Popcorn vor Kino-Bus

Ganz wie im echten Kino gibt es im Kino-Bus auch Popcorn. © MADI

Der Zauber, gemeinsam Filme zu schauen

Als sein Sohn in den Kindergarten kommt, hat Matthias noch eine andere Idee vor Augen. „Ich habe festgestellt, dass viele Kinder zu Hause allein am Tablet Filme schauen. Das finde ich schade.“ Mit Projektor und dem Film „Der kleine Maulwurf“ improvisiert er im Speiseraum der Kita gemeinsames Filmgucken – aber es fehlt etwas: Es ist der Zauber von damals, als der heute 36-Jährige selbst Kind war. 

„Mein Vater hat Super-8-Filme gedreht und vorgefĂĽhrt. Ich erinnere mich genau, wie es gerochen hat, als er sie am Projektor abspielte. Er machte etwas ganz Besonderes, sehr Schönes daraus, das hat sich mir eingebrannt.“ Matthias glaubt, dass er deswegen sogar Filmemacher geworden ist. 

Das Kino-Szenario ist perfekt, als seine Frau Anne den Bus auftut und sie ihn mithilfe von Kultur-Fördergeldern einladend umrĂĽsten lassen. Und auch heute sorgt Matthias’ Vater fĂĽr den Zauber, indem er duftendes Popcorn herstellt. Die Förderung ermöglicht zudem, das Kino fĂĽr ein, zwei Euro anzubieten. Das ist ein gutes Beispiel dafĂĽr, was Kulturförderung erreichen kann. Matthias konnte seinen Traum vom fahrenden Kino verwirklichen und Gutes bewirken. 

Da Senioren und Menschen mit Behinderung kaum Kulturangebote haben, beginnt er mit seinem Vater und Vereinsfreunden neben Kitas und Grundschulen auch Heime und Einrichtungen zu besuchen. 45 VorfĂĽhrungen waren es dieses Jahr. Allen bietet er im Kino-Bus ein unterhaltsames Kurzfilmprogramm, das zur Diskussion einlädt. 

Der Spaltung etwas entgegensetzen

Der Bus, der hinten raus manchmal dunkle Wölkchen qualmt, lässt Kinder jubeln und weckt in Älteren Nostalgie: „Ein ehemaliger Werksbusfahrer, der zu DDR-Zeiten einen Robur gefahren hat, stieg ein und brach in Tränen aus,“ erzählt Matthias. Was früher an staatlich verordneten Veranstaltungen stattfand, sei nach der Wende nicht durch andere gemeinsame Aktivitäten ersetzt worden. Den Menschen fehle es an Verbindendem. „Wir sind deshalb auch mit der Mission unterwegs, der Spaltung der Menschen, die einige hier betreiben, etwas entgegenzusetzen.“