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Stephanie Geißler hat ein Friedhofscafé gegründet

Foto von XY

Kaffee und selbst gebackener Kuchen laden in Stephanie Geißlers Friedhofscafé zum Verweilen ein. ¹⁾

Willi Weitzels Mutmachgeschichte

Willi Weitzel stellt diesmal die Initiative von Stephanie Geißler vor. Nach Trennung und Ortswechsel schlich sich Einsamkeit in ihr Leben – und sie wurde sensibel für die Menschen, die unfreiwillig allein sind. Sie gründete einen Ort der Begegnung: das Freiburger Friedhofscafé.

Es kann schwierig und einsam sein, wenn man sich aus einer Partnerschaft gelöst hat – und dann auch noch in einer neuen Stadt Fuß fassen soll. Doch auch bei Stephanie Geißler, deren Geschichte ich heute erzählen möchte, zeigt sich: Wenn etwas zu Ende geht, kann wieder etwas tolles Neues daraus erwachsen. Das ist das Spannende und Positive, wenn man sein Leben umkrempelt. Stephanie wollte zunächst einmal wissen, was das Alleinsein mit ihr macht, und es aushalten lernen: „Mit meinen Gedanken und einem Buch allein zu sein hat mir geholfen, zu mir zurückzufinden.“ Sie konnte in der Zeit bei einer Dame in einer anderen Stadt wohnen, deren Partner plötzlich verstorben war. Die beiden Frauen teilten sich ein Haus und waren füreinander da. Das ist an sich auch schon eine schöne Geschichte.

Nach zwei Jahren fühlte sich Stephanie wieder „bereit fürs Leben“ und zog für einen Neuanfang nach Freiburg, wo ihre jüngeren Schwestern leben.

Einsame treffen sich beim Kaffeekränzchen

„Studierende lernen leicht jemanden kennen, aber als Berufstätige ist das nicht so einfach. Das Leben hatte sich zwar allmählich eingespielt, aber mir fehlten Wurzeln“, erzählt mir Stephanie im Video-Chat. Wann immer sie Lebendigkeit um sich herum brauchte, setzte sie sich in ein Café: „Ich war in Gesellschaft und Teil von etwas, bekam einen Cappuccino serviert und habe mir selbst genügt“, sagt die heute 41-Jährige. „Ich habe aber auch ältere Menschen beobachtet, die allein waren und verloren wirkten“, erinnert sie sich und fragte sich: „Wie geht es denen, die das Gefühl haben, nicht mehr dazuzugehören, die jemanden verloren haben und ganz alleine und einsam sind?“

Das Thema lässt sie nicht mehr los. Sie überlegt, wo und wie sich Einsame in lockerer Runde begegnen und unterhalten könnten. Eines abends im Bett googelt sie „Einsamkeit“ und „Café“ und stößt in Bayern auf ein Friedhofscafé. Eine junge Frau hat es in Augsburg aus ganz ähnlichen Gründen ins Leben gerufen. Im Telefonat mit ihr stellt Stephanie fest: „Jeder kann mal einsam sein, auch in jungen Jahren!“ Tröstlich für sie, dass es auch anderen so geht. „Es hat bei mir sofort klick gemacht. Die Idee eines ehrenamtlichen Friedhofscafés, in dem Menschen zusammenkommen und sich unterhalten, hat mich elektrisiert.“ Für sie steht fest: „Ich gründe ein Friedhofscafé.“

Es darf auch lustig und leicht sein

Für die Freiburger Friedhofsverwaltung ist die Voraussetzung, dass die Ehrenamtlichen mit ihrem Café an Stehtischen die Pietät des Ortes wahren, um Trauernde nicht zu stören. „Wir haben keine einzige negative Rückmeldung bekommen“, sagt Stephanie. Mit ins Boot geholt hat sie unter anderem die Hospizgruppe Freiburg e. V., die bei jedem Cafétreff, der einmal im Monat an einem Sonntag stattfindet, dabei ist. „Es braucht aber viel weniger, als man denkt: Gefragt sind empathische Menschen, die mitfühlend zuhören und Stichwortgeber sind für eine nette Unterhaltung.“

Stephanie Geißler liebt es, für den Anlass Kuchen zu backen, zum Café-Team zu gehören und Menschen auch mal behutsam „abzuholen“, wenn sie allein an einem Grab stehen. Ihr Kuchen ist ein Türöffner und signalisiert: Es geht erst mal um Genuss. Kaffeetrinken ist mit keiner Erwartung verbunden. „Wir sind kein Trauercafé. Es darf lustig und leicht sein.“ Wer über seine Trauer sprechen möchte, ist aber herzlich willkommen. „Wie ein 84-Jähriger, der nach 56 Jahren seinen Partner verloren hat und aus dem es nur so heraussprudelte, traurig, heiter und beglückend zugleich.“ Ich sehe, wie sehr es Stephanie begeistert, und würde am liebsten auch ein Friedhofscafé gründen.