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Homefarming im Garten

Potrait von Judith Rakers

Kein Geheimnis, dass Judith Rakers auch nach der Tagesschau gut beschäftigt ist. Alle Pläne verrät sie aber nicht. © Anne Wilk

Interview mit Judith Rakers

Kreative Idylle: Nachdem die Journalistin Judith Rakers aufs Land gezogen ist, hat sich für sie eine neue Welt erschlossen – auch beruflich.

In ihrem alverde-Titel-Interview von 2010 waren Neugier und die Suche nach neuen Herausforderungen die Themen von Judith Rakers. Dass der Wunsch nach Abwechslung sie zu Gemüseanbau und Hühnerhaltung führen würde, war damals noch nicht absehbar. Als wir sie in diesem Jahr treffen, spendiert Judith Rakers schon in der Maske jede Menge Tipps: „Kartoffeln und Radieschen wachsen sogar in der Wohnung.“ Weil sie als Gärtnerin Autodidaktin ist und ihre Erfahrungen mit einer Prise Selbstironie präsentiert, ist ihre Begeisterung so ansteckend.

Welches Gemüse wäre für Sie ein spannender Interviewpartner?

Die Pastinake. Ich würde sie fragen, ob sie darunter leidet, dass sie von vielen als pigmentlose, hässliche Möhre wahrgenommen wird, wo sie doch so viele innere Werte hat. Ich gehörte auch zu denen, die im Supermarkt immer an ihr vorbeigelaufen sind und sie nicht von der Petersilienwurzel unterscheiden konnten. In meinem Garten habe ich beide eingepflanzt, weil ich alles ausprobiere. Und dann habe ich mich ein bisschen geärgert, weil ich die letzten 40 Jahre auf dieses fantastische Geschmackserlebnis verzichtet habe.

Aus Ihrer privaten Leidenschaft fürs Gärtnern ist inzwischen ein journalistisches Standbein geworden. War das von Anfang an der Plan?

Nein, ich habe aus reiner Neugier mit dem Gemüseanbau begonnen, ohne große Erwartungen, denn bei mir haben vorher nicht einmal Zimmerpflanzen überlebt. Als dann wirklich etwas wuchs, war ich so begeistert, dass ich es auf meinem Instagram-Kanal gepostet habe. In der Community kam das super an. Wir haben uns über Gartenthemen ausgetauscht und dann kam der Gräfe-und-Unzer-Verlag auf mich zu und wollte mit mir ein Buch machen. Ich wollte, aber es sollte kein herkömmliches Gartenbuch sein.

Inwiefern?

Die meisten Bücher sind von Experten geschrieben und stellen viele Regeln auf, was man tun und was man lassen sollte. Es wird schnell sehr theoretisch und kompliziert. Ich habe immer gedacht: „Das ist ja eine Wissenschaft für sich und der Garten ein Vollzeitjob.“ Genau diese Angst möchte ich den Menschen gerne nehmen, weil ich selbst erlebt habe: Gemüseanbau gelingt auch, wenn man berufstätig ist und keinen grünen Daumen hat. Deshalb habe ich das Gemüse in Schwierigkeitsstufen unterteilt, denn wer als Anfänger mit der Diva Tomate beginnt, hat ein hohes Risiko, frustriert zurückzubleiben, weil hier einfach so viel schiefgehen kann.

Sie haben jetzt ein Kinderbuch geschrieben – um wieder etwas Neues auszuprobieren oder um Ihre Botschaft „Gärtnern ist großartig“ zu vermitteln?

Es geht mir beim Thema Homefarming immer darum, Menschen zu begeistern. Und Kinder sind extrem begeisterungsfähig. Für die Kinder meiner Freundinnen ist es das Größte, wenn sie mich besuchen und die Hühner füttern können. Ich habe auch aus der Community Bilder von Kindern bei der Gartenarbeit bekommen. Kinder stellen Fragen, auf die wir Erwachsenen gar nicht mehr kommen oder uns nicht zu stellen trauen: Warum wächst die Möhre unter der Erde? Wie können Maulwürfe unter der Erde atmen? Deshalb wollte ich eine Geschichte erzählen – die über meinen Kater Jack – aber gleichzeitig auch viel Wissen über Garten, Tiere und Natur vermitteln.

Inwiefern hat sich durch Ihren Garten Ihr Blick auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion geändert?

Ich habe viel mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft. Klar, die Pflanze macht auch viel von allein, aber Du musst Dich trotzdem um einiges kümmern: Du musst düngen, die Pflanzen so auswählen, dass der Boden nicht ausgelaugt wird, Du hast das Problem mit Schädlingen, und Du bist sehr abhängig vom Klima und Wetter. Als ich in der Stadt wohnte, habe ich mich über vier Wochen Sonnenschein gefreut. Jetzt, wo ich auf dem Land lebe und Gemüse anbaue, denke ich wie jeder Bauer: „Ach Du Schande, einen Monat kein Regen!“ Ich kann den Gartenschlauch anstellen und habe einen eigenen Brunnen – aber was machen die Menschen mit ihren Feldern? Gleichzeitig ist da die Massentierhaltung: Wenn man einmal erlebt hat, welchen Freiheits- und Bewegungsdrang ein Huhn hat, fällt es noch schwerer zu wissen, auf wie wenig Platz sie vor sich hinvegetieren, damit Fleisch möglichst günstig produziert wird. Ich sehe also beide Seiten der Medaille.

Portraits von Judith Rakers

Auch wenn es exotische Zimmerpflanzen und keine Gemüsesorten sind – Grün macht Judith Rakers gute Laune. © Anne Wilk

Im Garten kann man anpacken, sieht konkrete Ergebnisse und man kann sich sogar einbilden, dass man alles im Griff hat. War das ein gutes Gegenmittel zur Nachrichtenwelt, wo Sie meist negative Ereignisse nur präsentieren können?

Tatsächlich gibt es bei mir zu Hause vor allem gute Nachrichten. Auf der kleinen Farm herrscht viel Liebe und Vertrauen. Kein Gegenmittel, aber ein Ausgleich. Und ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur jemandem aus der Nachrichtenbranche gut tut. Es gibt so viele Berufe, bei denen man am Computer sitzt, aber am Ende des Tages kein fassbares Ergebnis hat. Es verschafft uns Menschen Befriedigung, wenn wir mit den Händen in der Erde graben und die Früchte unserer Arbeit sehen, riechen und schmecken können.

Könnte es passieren, dass Sie ohne Ihren Job als Tagesschausprecherin nachrichtenmüde werden?

Nein. Ich kann zwar jeden verstehen, der sagt, dass es ihm ein bisschen zu viel ist. Jetzt, da eine Schreckensnachricht die nächste jagt und wir seit Corona aus dem Ausnahmezustand gar nicht mehr herauskommen. Aber die Augen zu verschließen und keine Nachrichten mehr zu konsumieren ist auch keine Lösung. Ich möchte informiert sein, um eine mündige Bürgerin zu bleiben. Denn wir alle formen durch Wahlentscheidung, durch ehrenamtliches Engagement oder auch nur dadurch, wie man sich im Privaten positioniert, die Gesellschaft mit.

Also sind das Gärtnern und die weitgehende Selbstversorgung kein Rückzug?

Ich hatte mir extra den Begriff „Homefarming“ überlegt, weil Selbstversorgung für mich zu sehr nach Prepper und Aluhut klang. Ich wollte einen positiven Begriff. Es geht mir nicht darum, mich aus allem rauszuziehen. Trotzdem: In der Natur zu sein und körperlich zu arbeiten stärkt einen. Und ein gesunder Geist und Körper kann möglicherweise auch besser mit schlechten Nachrichten umgehen.

Sie haben sich Ende Januar von der Tagesschau verabschiedet. Wo werden wir Sie dafür in Zukunft häufiger sehen?

In meinem Büro (lacht). Ich habe in den letzten anderthalb Jahren eine kleine Redaktion und ein wunderbares Team aufgebaut, mit dem ich die Homefarming-Projekte umsetze. Oft habe ich nach Schichtende bei der Tagesschau noch am Schreibtisch gesessen und zum Beispiel nachts gearbeitet. Jetzt werde ich parallel zu meinen Mitarbeitern arbeiten können – das macht die Absprachen um ein Vielfaches leichter.

  1. Ihr Snack-Tipp: Möhren, Pastinaken, Petersilienwurzeln in kleine Stücke schneiden, mit Öl beträufeln und 20 bis 30 Minuten im Ofen backen.

  2. Ihre süße Schwäche ist Nuss-Nougat-Creme.

  3. Mit dem Anthropologen und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl würde sie gern einmal gemeinsam gärtnern.

Ende der Auflistung

Judith Rakers

Durch 19 Jahre „Tagesschau“ kennt sie jeder, aber die Nachrichtensendung war stets nur ein kleiner Teil ihrer Arbeit. Für die ARD drehte sie zahlreiche, auch sozialkritische Reportagen. Die gelernte Journalistin ist seit 2010 mit Giovanni di Lorenzo Gastgeberin der Talkshow „3 nach 9“. 2018 zog sie nach ihrer Scheidung allein aufs Land und widmet sich mit einem Blog, Tutorials, Podcasts und Büchern dem Thema Homefarming (homefarming.de). Anfang des Jahres ist im Kosmos Verlag ihr Kinderbuch „Judiths kleine Farm“ erschienen.