Was braucht guter Umweltschutz?

Wasser, Wind und Sonne: Wie kann es gelingen, Klima- und Umweltschutz mit kostengünstigen, effizienten Maßnahmen umzusetzen? ¹⁾
Über die volkswirtschaftliche, unternehmerische und soziale Perspektive
Die Ziele der grünen Transformation sind äußerst ehrgeizig. Klimaneutral zu werden ist ein technologisches Großprojekt, das auch tiefgreifende Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik mit sich bringt. Wie können wir den Klimaschutz effizient gestalten, ohne gesellschaftliche Ungleichheiten zu verschärfen und die Wirtschaft zu überlasten? In unseren Interviews beleuchten wir die volkswirtschaftliche, unternehmerische und soziale Perspektive.
Lohnt sich jeder Euro für den Klimaschutz, Bernd Hansjürgens?

Bernd Hansjürgens – Volkswirt © Andre Künzelmann/UFZ
In seiner Professur an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg und als Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung befasst er sich intensiv mit Klimapolitik.
alverde: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden, manche Bundesländer wollen das noch früher erreichen. Wie realistisch ist das?
Bernd Hansjürgens: Von der Verantwortung her kann ich die Ziele verstehen, denn Deutschland hat in seinen 200 Jahren Industriegeschichte zum Klimawandel beigetragen. Ökonomisch sind sie sehr fragwürdig, denn sie bedeuten: Selbst wenn die Kosten extrem hoch sind, halten wir an diesem Ziel fest. Nehmen wir als Beispiel den Gebäudesektor: Gebäudedämmung bot an vielen Stellen günstige Gelegenheiten zu sanieren und in alternative Wärmequellen zu investieren. Wenn wir weitere Emissionen reduzieren wollen, werden die Projekte jedoch immer teurer und aufwendiger werden und auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich bezweifle, dass das bis 2045 erreichbar ist.
alverde: Wo sind die tief hängenden Früchte, also Maßnahmen mit hohem Einsparpotenzial zu geringen Kosten?
Bernd Hansjürgens: Davon gibt es noch einige und wir sind auch noch lange nicht bei richtig hohen Kosten. Im Energiebereich hat sich viel getan, aber es ist beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie noch immer Luft nach oben. Kostengünstig ist auch natürlicher Klimaschutz. 95 Prozent der Moore in Deutschland sind trockengelegt. Diese verursachen 40 Prozent der Emissionen in der Landwirtschaft. Wenn man Moore wieder vernässt und die Grundstückseigentümer entschädigt, werden zu moderaten Kosten viele Emissionen eingespart.
alverde: An welchem Punkt ist es besser, auf neue Technologien zu setzen als eine etablierte mit hohen Kosten effizienter zu machen?
Bernd Hansjürgens: Um den Zeitpunkt zu bestimmen, müssten wir wissen, welche Technologien wann zu welchem Preis bereitstehen. Da das leider nicht möglich ist, bleibt uns nur, mehrgleisig zu fahren und die Risiken zu streuen. Wir müssen sowohl neue Technologiepfade, wie beispielsweise Wasserstoff, weiterentwickeln, als auch in bestehenden Technologien, wie der Elektronik, Verbesserungen herbeiführen.
alverde: Welcher wirtschaftliche Mechanismus ist am besten geeignet, Innovationen in Unternehmen zu fördern?
Bernd Hansjürgens: Ich bin in jeder Hinsicht ein Fan des Handels mit CO₂-Zertifikaten. Zum einen, weil von ihnen kontinuierlich weniger auf den Markt kommen, die Emissionen sinken also zwangsläufig. Zum anderen, weil Unternehmen rational abwägen können: Wo die CO₂-Vermeidung noch sehr aufwendig ist, kaufen die Unternehmen Zertifikate. Die Unternehmen, die leichter CO₂-neutrale Technologien realisieren können, machen die Investition und sparen dadurch Zertifikate. Es ist ein sehr kosteneffizienter Mechanismus, um Umweltschutz zu betreiben. Deshalb befürworte ich, dass er noch auf weitere Sektoren übertragen wird, etwa die Landwirtschaft.
Stichwort Abnehmende Grenzerträge
Dieses Prinzip besagt, dass eine Verbesserung am Anfang sehr kostengünstig ist, aber später nur noch minimale Verbesserungen zu steigenden Kosten erzielt werden.
Können Unternehmen Umweltschutz anstoßen, Kerstin Erbe?
Kerstin Erbe, dm-Geschäftsführerin © Sebastian Heck
Die Betriebswirtin ist für das Ressort Produktmanagement, das die dm-Marken entwickelt, sowie für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich.
alverde: Händler und Hersteller sind gut darin, Bedürfnisse zu befriedigen, aber auch zu wecken. Können sie diese Kompetenz auch nutzen, um nachhaltigen Konsum zu fördern?
Kerstin Erbe: Unser Anspruch ist, Kundenwünsche zu veredeln. Das heißt, wenn der Kunde den Wunsch empfindet, wollen wir mit einem Angebot im Markt sein, das darüber hinausgeht: bei der Qualität, Funktionalität, Design und eben auch bei Nachhaltigkeit.
alverde: Aber nachhaltige Produkte sind oft teurer. Wie vermittelt dm, dass sie ihren Preis wert sind?
Kerstin Erbe: Das Absurde ist: Eigentlich müssten sie billiger sein. Konventionelle Produkte verursachen höhere Kosten. Diese werden aber etwa über Steuern und Abgaben auf uns alle umgelegt, daher merken wir es weniger. Deshalb sind Produkte aus konventioneller Landwirtschaft günstiger als aus Öko-Landbau, neu hergestellter Kunststoff kostet weniger als Rezyklat. Von heute auf morgen lässt sich das System nicht ändern, deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen in der Transformationsphase zumindest teilweise für nachhaltiges Handeln belohnt werden. Eine Idee der EU-Kommission ist, dass nachhaltige Unternehmen Naturgutschriften bekommen. Das würde dann die entsprechenden Produkte langfristig günstiger machen. Gleichzeitig müssen wir Verbraucher darüber aufklären, welche Investitionen in neue Technologien und Kompensationsmaßnahmen wir tätigen. Dafür sind Siegel und Claims enorm wichtig.
alverde: Diese Kommunikation ist jedoch umstritten. dm wurde für das Konzept „umweltneutrales Produkt“ von der Deutschen Umwelthilfe vor Gericht gebracht …
Kerstin Erbe: Ja, das bedaure ich sehr, weil ich von dem Konzept überzeugt bin. Es geht dabei darum, die Umweltauswirkungen eines Produktes in mehreren Dimensionen zu verstehen, diese zu minimieren und über Investitionen in Renaturierungsmaßnahmen die Natur zu stärken. Wir sind nicht in allem perfekt. Aber das Schlimmste wäre, wenn Unternehmen aufhören würden, nachhaltige Themen voranzutreiben, und so lange warten, bis alle rechtlichen Unsicherheiten beseitigt sind. Denn diese Zeit haben wir nicht.
alverde: Manche Debatten über Nachhaltigkeit, etwa zu Mikroplastik, werden sehr emotional geführt. Können Unternehmen dann noch faktenbasiert handeln?
Kerstin Erbe: Das war in der Vergangenheit herausfordernd, aber ich bin zuversichtlich, dass sich die Debatte ändert. Im Moment sammeln Unternehmen sehr viele Daten, durch das Lieferkettengesetz oder die Pflicht zu Nachhaltigkeitsberichten, die CSRD*. Dadurch, dass alle Unternehmen nach derselben Systematik Daten sammeln, entstehen Transparenz und Wissen. Das ermöglicht es, die wesentlichen Themen zu identifizieren und konstruktiv an ihnen zu arbeiten. Am besten im Miteinander: mit anderen Unternehmen, der Politik, NGOs** und den Kundinnen und Kunden.
* Corporate Sustainability Reporting Directive **NGO = non-governmental organisations, auf Deutsch „Nichtregierungsorganisationen“
Stichwort Green Hushing
So bezeichnet man es, wenn Unternehmen aufhören über Nachhaltigkeit zu sprechen, aus Sorge, des Greenwashings bezichtigt zu werden.
Welche soziale Gerechtigkeit braucht die grüne Transformation, Brigitte Knopf?
Brigitte Knopf – Gründerin und Direktorin der Denkfabrik „Zukunft Klimasozial“ © Manuel Gutjahr
Die Physikerin und Klimawissenschaftlerin forscht zu klimaökonomischen und energiepolitischen Fragestellungen. Um die soziale Komponente in der Klimapolitik zu stärken, gründete sie 2024 eine neue Denkfabrik.
alverde: Wo zeigt sich die soziale Schieflage in der Klimapolitik?
Brigitte Knopf: In drei Bereichen: Reiche Haushalte haben einen höheren CO₂-Fußabdruck, weil sie beispielsweise auf größerer Fläche wohnen und mehr reisen. Ärmere Haushalte sind überproportional von den Folgen des Klimawandels, wie etwa Hitzewellen, betroffen, da sie oft in schlecht isolierten Wohnungen leben. Der dritte Bereich sind die Förderprogramme. Auch wenn sie nicht direkt auf Wohlhabende zugeschnitten sind, kommen sie vor allem ihnen zugute. Um sich beispielsweise ein Elektroauto kaufen zu können, braucht man ein gewisses Eigenkapital – erst dann kann man die Subvention nutzen. Beim Gebäudeenergiegesetz, dem sogenannten Heizungsgesetz, wurde zum ersten Mal die Förderung mit einer Einkommensgrenze belegt. Inspirierend finde ich auch ein Konzept für Social-Leasing aus Frankreich: Dort konnten Menschen mit niedrigerem Einkommen E-Autos leasen.
alverde: Mit dem steigenden CO₂-Preis soll klimaschädliches Verhalten teurer werden. Soll der Staat alles ausgleichen, sodass auch Menschen mit niedrigerem Einkommen sich weiterhin Urlaubsflüge leisten können?
Brigitte Knopf: Es muss vor allem darum gehen, einen fossilen Lock-In für Haushalte mit geringem Einkommen zu verhindern. Der CO₂-Preis ist für mich das Fundament. Es entspricht zum einen dem Verursacherprinzip und es ist auch ein Signal an die Wirtschaft, neue Technologien zu entwickeln. Der Emissionshandel hat in der Energiewirtschaft dazu geführt, dass die Emissionen stark gesunken sind. Unternehmen kalkulieren aber deutlich langfristiger als Verbraucher. Wer ein Auto kauft, rechnet nicht durch, was ihn das Benzin in 15 Jahren kostet. Diesen Effekt muss man irgendwie ausschalten – neben dem CO₂-Preis sind deshalb gezielte Förderprogramme für den Umstieg wichtig. So können auch die unteren und mittleren Einkommensschichten positiv an der Transformation teilhaben. Zusätzlich brauchen wir auch mehr Investitionen in öffentliche Infrastrukturen, etwa im Verkehr und in der Wärmeversorgung, um mehr Haushalte an Fernwärme anzuschließen.
alverde: Werden Klimaschutzmaßnahmen durch die soziale Komponente bürokratischer und teurer?
Brigitte Knopf: Den administrativen Aufwand halte ich für machbar, wenn man so klare Parameter wie Einkommensgrenzen einführt. Das wäre für mich ein guter Kompromiss aus Einfachheit und Gerechtigkeit. Über die Finanzierungsfrage muss man tatsächlich reden. Die Einnahmen durch die CO₂-Bepreisung werden nicht reichen. Wir brauchen zusätzliche Investitionen, um die Transformation stemmen zu können.
Stichwort Fossiler Lock-In
Gemeint ist, dass Menschen in fossile Techniken investieren und dann auf lange Zeit in diesem CO₂-intensiven Lebensstil „eingeschlossen“ sind, auch wenn die Preise für Öl und Gas steigen.
