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Diabetes Typ 1 bei Kindern

Baby wird mit einem Stethoskop abgehört

Das Risiko eines Babys, an Diabetes Typ 1 zu erkranken, lässt sich durch ein Neugeborenenscreening feststellen. © Narongrit Sritana, iStock

Diabetes Typ 1 tritt immer häufiger auf, vor allem bei Kindern. Doch was ist Typ-1-Diabetes, und wie erkennen Eltern frühzeitig mögliche Anzeichen einer Erkrankung? Wir haben mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler gesprochen, Direktorin am Institut für Diabetesforschung bei Helmholtz Munich

Was ist Diabetes Typ 1?

„Diabetes Typ 1 ist eine Erkrankung des Immunsystems, die Kinder und Jugendliche bevorzugt trifft“, sagt Anette-Gabriele Ziegler. Im Gegensatz zu Diabetes Typ 2 entsteht Typ-1-Diabetes nicht durch einen ungesunden Lebensstil und falsche Ernährung. „Uns ist es daher wichtig zu sagen, dass die Eltern ihre Kinder ganz normal ausgewogen und gesund ernähren und keine Diät ausprobieren sollen, denn dies würde an der Diabetes-Entwicklung nichts ändern.“ Die Wissenschaftlerin betont: „An einem Typ-1-Diabetes ist niemand schuld, und weder die Kinder noch die Eltern haben etwas falsch gemacht.“  

Prof. Ziegler und ihr Team haben herausgefunden, dass sich Typ-1-Diabetes bereits zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr entwickeln kann. „Wir wissen, dass der eigentlichen Erkrankung eine längere Phase der Autoimmunität vorausgeht – also eine Fehlentwicklung des Immunsystems. Betroffene Kinder merken davon nichts, da in dieser Phase keinerlei Krankheitszeichen auftreten.“ Autoimmunität bedeutet in diesem Fall, dass sich im Körper Immunzellen fälschlicherweise gegen die Bauspeicheldrüse richten und diejenigen Zellen angreifen, die Insulin bilden – so lange, bis sie zerstört sind und die Insulinproduktion ganz stoppt. Wer an Diabetes Typ 1 erkrankt, braucht daher sein Leben lang jeden Tag Insulin, um zu überleben, denn der eigene Körper kann keines mehr produzieren. 

Welche Anzeichen bei Kindern deuten auf Typ-1-Diabetes hin?

Das Fatale an der Erkrankung ist, dass  Diabetes Typ 1 meist erst erkannt wird, wenn der Körper schon deutlich angegriffen ist. Dies zu ändern ist ein großes Anliegen der Münchner Diabetesforscher um Prof. Ziegler. Die Expertin verweist auf mögliche Anzeichen für eine Diabetes-Typ-1-Erkrankung: „Charakteristisch bei betroffenen Kindern ist sehr häufiges Wasserlassen – auch nachts – und großer Durst sowie Gewichtsabnahme. Häufig sind die Symptome eines Diabetes Typ 1 allerdings so unspezifisch, wie zum Beispiel wiederholte Bauchschmerzen, Müdigkeit und Entzündungen im Windelbereich, sodass selbst Ärzte dabei oft nicht an diese Erkrankung denken.“  

Unserer Diabetes-Typ-1-Checkliste zum Downloaden kannst Du alle möglichen Symptome im Einzelnen entnehmen. Wenn Du glaubst, Dein Kind könnte betroffen sein, suche umgehend Deinen Kinderarzt auf, vor allem dann, wenn Du bereits einen Verwandten mit Typ-1-Diabetes hast. In diesem Fall ist das Erkrankungsrisiko höher als ohne eine erbliche Vorbelastung. Dem Diabetesinformationsdienst München zufolge haben Kinder von Vätern mit Diabetes ein fast doppelt so hohes Risiko, die Autoimmunerkrankung zu entwickeln, als Kinder von betroffenen Müttern. Haben beide Eltern Typ-1-Diabetes, liegt das Erkrankungsrisiko bei 25 Prozent.  

Mögliche Auslöser von Typ-1-Diabetes

In Deutschland erkranken rund 3700 Kinder und Jugendliche neu an Typ-1-Diabetes. Weltweit nimmt die Zahl der Typ-1-Diabetes-Fälle stark zu. Was die Fehlsteuerung in der Körperabwehr auslöst, ist noch nicht abschließend geklärt. Tatsächlich hat die Diabetesforschung ein ganzes Bündel an Forschungsansätzen an der Hand.

Genetische Veranlagung

Fest steht, dass die genetische Veranlagung bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes eine Rolle spielt. Tatsache ist aber auch, dass fast 90 Prozent der erkrankten Kinder keinen Verwandten mit Typ-1-Diabetes in der Familie haben. Das heißt, die Erkrankung kann jeden treffen.  

Die Darmflora

Unbestritten ist, dass das Immunsystem eng mit dem Darm zusammenhängt. Bei Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kamen, wurden erheblich weniger schützende Bifidobakterien im Darm festgestellt – Typ-1-Diabetes betrifft sie häufiger als vaginal geborene Kinder. „Bei Kaiserschnittkindern kann sich daher die Zeit bis zum klinischen Ausbruch der Diabetes-Erkrankung verkürzen. In einer bereits vollständig rekrutierten Studie erforschen wir, ob wir dies in Zukunft durch die Gaben von guten Darmbakterien verhindern können“, sagt Prof. Ziegler. 

Umwelteinflüsse

„Unsere Umweltbedingungen haben sich in jeglicher Hinsicht verändert, und das Immunsystem ist heute ganz anderen Bedingungen ausgesetzt“, erklärt Prof. Ziegler. Das könnte erklären, warum die körpereigene Abwehr bei Diabetes Typ 1 aus dem Ruder läuft. 

Frühkindliche Infektionen

Ein weiterer möglicher Grund, weshalb die Bauchspeicheldrüse zur Zielscheibe der körpereigenen Immunzellen werden kann: „Unsere Forschung zeigt, dass frühkindliche virale Infektionen, zum Beispiel Atemwegserkrankungen, zu einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes führen können. In den Insulin-produzierenden Zellen von Menschen mit Diabetes wurden entsprechende Viren gefunden. Das legt den Schluss nahe, dass Viren, die länger im Körper verbleiben, die Bauchspeicheldrüse angreifen können“, so Prof. Ziegler. „In unserer neusten Studie zur Vorbeugung der Entwicklung eines Typ‑1-Diabetes untersuchen wir den Zusammenhang zwischen Viren und Typ-1-Diabetes genauer."

Nahrungsmittelbestandteile

Ebenfalls diskutiert werden Nahrungsmittelbestandteile als Auslöser – ähnlich wie bei der Autoimmunerkrankung Zöliakie. Sie wird von Gluten, dem Klebereiweiß in Getreiden, ausgelöst.  

Es gibt auch gar nicht selten Fälle, in denen Erwachsene an Diabetes Typ 1 erkranken. „Wir wissen im Moment aber noch nicht, welche Faktoren es sind, die beeinflussen, ob Diabetes im Kindes- oder im Erwachsenenalter auftritt und ob es sich eher um eine schnell und heftig verlaufende oder eine milder verlaufende Form der Erkrankung handelt“, sagt Prof. Ziegler.

Verlauf einer Typ-1-Diabetes-Erkrankung

Typ-1-Diabetes entwickelt sich in der Regel lange unbemerkt. „Tatort“ ist quasi die Bauchspeicheldrüse, wo Insulin produziert wird. Jeder Organismus benötigt Insulin, um Zucker vom Blut in die Körperzellen zu transportieren. Die Zellen gewinnen daraus ihre Energie. Bei Typ-1-Diabetes passiert eine für Autoimmunerkrankungen typische Reaktion: Die körpereigene Abwehr greift fehlgeleitet im eigenen Organismus gesunde Zellen an, als wären sie gefährliche Fremdkörper. Die Erkrankung bricht jedoch erst dann aus, wenn so viele Zellen in der Bauchspeicheldrüse ausgefallen sind, dass sie dem Körper nicht mehr genug Insulin liefern, um weiterhin Zucker vom Blut in die Körperzellen zu schleusen. Die Folge: Der Blutzucker steigt gefährlich an, der Stoffwechsel kann von einem Moment auf den anderen entgleisen.  

Wie kann der Stoffwechsel bei Typ-1-Diabetes entgleisen? 

Eine für Typ-1-Diabetes typische schwere Komplikation oder Entgleisung ist die Ketoazidose. Diese kommt dadurch zustande, dass die Körperzellen anstelle von Zucker zur Energiegewinnung Fett abbauen. Denn es ist ja kein Insulin mehr vorhanden, und damit steht den Körperzellen auch kein Zucker mehr zur Verfügung. Als Stoffwechselprodukt fallen beim Abbau von Fett sogenannte Ketonkörper an, die sich im Blut anreichern und es stark übersäuern. „Das ist absolut lebensbedrohlich und kommt bei kleinen Kindern deutlich häufiger vor als bei Jugendlichen und Erwachsenen“, sagt Prof. Ziegler.  

Erfahrungsbericht: Kinder mit Typ-1-Diabetes

Wie gehen eigentlich neunjährige Zwillinge damit um, dass sie beide Typ-1-Diabetes haben? Lars und Nils sprechen über ihr Leben mit der Krankheit.

K1DS ARE HEROES

Für die Kinder mit Typ-1-Diabetes und ihre Eltern bedeutet die Diagnose eine Neuausrichtung des gewohnten Alltags: Die Kinder müssen permanent ihren Blutzucker überwachen, regelmäßig Insulin zuführen und ihre Aktivitäten an ihren Stoffwechsel anpassen. Darum finden GPPAD (Global Platform for the Prevention of Autoimmune Diabetes) und Helmholtz Munich: Kinder mit Typ-1-Diabetes und ihre Familien sind Helden und Heldinnen.

Außerdem haben bereits über 500.000 Kinder europaweit an den Studien von GPPAD teilgenommen und über 195.000 Kinder haben sich im Rahmen der Fr1da-Studie auf ein Frühstadium testen lassen. Auch alle Studienkinder und ihre Familien leisten Heldenhaftes, denn durch ihre Teilnahme bringen sie die Forschung für eine Welt ohne Typ-1-Diabetes weiter voran.

Die K1DS ARE HEROES Kampagne ruft jeden dazu auf sich für Menschen mit Typ-1-Diabetes und die Diabetesforschung stark zu machen. Eltern haben außerdem die Möglichkeit, mit ihren Kindern an den Früherkennungs- und Präventionsstudien teilzunehmen. Mehr zu Typ-1-Diabetes und Früherkennung erfährst Du auch auf der Webseite der Kampagne K1DS ARE HEROES.

  1. © Institut für Diabetesforschung – Helmholtz Munich 2023

Teilnahme am Risikoscreening für Typ-1-Diabetes „Freder1k“ und an der Folgestudie „AVAnT1A“

Damit es gar nicht erst zum Ausbruch eines Diabetes Typ 1 kommt, ist es wichtig, der Erkrankung so früh wie möglich auf die Spur zu kommen. Schon bei Neugeborenen finden sich hierfür Anzeichen. Im Rahmen der Studie „Freder1k“, die Prof. Ziegler leitet, können Eltern ein Risikoscreening bei ihrem Säugling bis zum Alter von sechs Wochen kostenlos durchführen lassen – und zwar in Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. Babys mit einem bereits an Typ-1-Diabetes erkrankten nahen Verwandten, wie Vater, Mutter oder Geschwister, können bundesweit kostenlos teilnehmen. Das Screening identifiziert Kinder, die ein mindestens 25-fach höheres Risiko haben, die Erkrankung Typ-1-Diabetes in den ersten sechs Lebensjahren zu entwickeln. Das Testergebnis erhalten die Eltern dann nach etwa drei Wochen. Falls ein erhöhtes Risiko vorliegen sollte, werden die Eltern von uns benachrichtigt.

Direktorin am Institut für Diabetesforschung ei Helmholtz Munich © Helmholtz Munich / Jörg Simanowski (Markenfotografie)

Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler

Interview mit Prof. Dr. Ziegler

glückskind: Frau Prof. Ziegler, was ist das Ziel dieser Früherkennungsuntersuchung?

Prof. Ziegler: Es ist sehr wichtig, bei Kindern früh festzustellen, ob sie ein erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 1 haben. Wenn wir das Risiko kennen, können wir lebensgefährliche Komplikationen wie die Ketoazidose verhindern und im Rahmen klinischer Studien versuchen, einer Diabetes-Erkrankung vorzubeugen.  

Wie stellen Sie ein erhöhtes Risiko fest?

Prof. Ziegler: Zusätzlich zum üblichen Neugeborenenscreening wird Babys meist noch in der Geburtsklinik – oder später beim Kinderarzt – auch für unsere Zwecke ein Tropfen Blut aus der Ferse entnommen und auf eine Filterkarte getropft. Daraus kann das genetische Risiko bestimmt werden. Liegt ein stark erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes vor, informieren wir die Eltern in einem ausführlichen persönlichen Gespräch und besprechen mit ihnen alles, was im Zusammenhang mit der Erkrankung Typ-1-Diabetes wichtig ist: mögliche Symptome, die Erkrankungswahrscheinlichkeit und die Möglichkeit an einer Präventionsstudie teilzunehmen.  

Wie hoch ist das Erkrankungsrisiko?

Prof. Ziegler: Von zehn Kindern, die ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes haben, erkrankt bis zum Alter von sechs Jahren mindestens ein Kind an einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes. Im Blut von Kindern mit einem Frühstadium Blut finden sich die zerstörerischen Immunzellen (so genannte Inselautoantikörper), die sich gegen die insulinbildenden Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse richten.  

Treten bis zum Alter von sechs Jahren keine Inselautoantikörper auf, ist das verbleibende Erkrankungsrisiko für die nächsten sechs Jahre deutlich geringer und liegt nur noch bei etwa einem Prozent (eines von 100 Kindern erkrankt), sodass diese Kinder sozusagen erst einmal über den Berg sind. Insgesamt ist Typ-1-Diabetes die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland ist etwa eines von 250 Kindern und Jugendlichen davon betroffen.

Wie verfahren Sie weiter, wenn bei einem Kind ein erhöhtes Risiko festgestellt wurde?

Prof. Ziegler: Wir beraten die Familie intensiv und bieten Folgeuntersuchungen im Alter von zwei bis zehn Jahren an. Die Eltern schulen und informieren wir insbesondere auch darüber, wie Komplikationen vermieden und das Auftreten von Typ-1-Diabetes möglicherweise verhindert werden kann. Wir bieten Kindern mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko bis zum Alter von sechs Wochen an, ab Mai 2024 an einer – freiwilligen und kostenlosen – Folgestudie zur Prävention von Diabetes Typ 1 teilzunehmen.

Was beinhaltet diese Folgestudie?

Prof. Ziegler: In der Studie „AVAnT1A“  konzentrieren wir uns auf den Zusammenhang zwischen Viren und Typ-1-Diabetes. Unsere Forschung hat gezeigt, dass frühkindliche Virusinfektionen ein entscheidender Umweltfaktor für die Entstehung von Typ-1-Diabetes sind. AVAnT1A (kurz für Anti-Viral Action against Type 1 Diabetes Autoimmunity) untersucht, ob bei Kindern mit erhöhtem Typ-1-Diabetes-Risiko eine Impfung gegen COVID-19 im Alter von 6 Monaten die Entstehung von Inselautoantikörpern verhindert. Während der COVID-19 Pandemie haben wir beobachtet, dass Kinder mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes nach einer durchgemachten Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger Inselautoantikörper entwickelten. 

Nähere Informationen zu Diabetes Typ 1 bei Kindern und zu den Studien des Instituts für Diabetesforschung um Prof. Anette-Gabriele Ziegler sind hier erhältlich:

Institut für Diabetesforschung  
Helmholtz Munich
Ingolstädter Landstraße 1  
D-85764 Neuherberg
Tel.: 0800 - 000 00 18 (kostenfrei)  
E-Mail: contact@gppad.org

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