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Schwangerschaftsdiabetes im Griff

Schwangere Frau bekommt Blutzucker gemessen

Bei Schwangerschaftsdiabetes wird genau wie bei Diabetes Typ 2 regelmäßig der Blutzuckerspiegel gemessen - etwa wie hier mit einem Blutzuckermessgerät. © Halfpoint, iStock

Wer die Diagnose “Schwangerschaftsdiabetes” bzw. “Gestationsdiabetes” während der Schwangerschaft erhält, sieht sich unversehens mit Sorgen, vielleicht auch Ängsten konfrontiert. Dabei ist das nicht nötig: Die Mehrheit der Schwangeren bekommt den Gestationsdiabetes allein mit Hilfe einer bewussten Ernährung, einem Ernährungsplan und ausreichender Bewegung in den Griff. Den anderen ist mit der Gabe von Insulin sehr gut geholfen.

Die Ursachen für Diabetes in der Schwangerschaft

In der zweiten Schwangerschaftshälfte werden vermehrt Hormone wie Cortisol, Östrogen, Progesteron und Prolaktin ausgeschüttet. Die plötzlich freigesetzten Hormone erhöhen den Bedarf an Insulin, das ebenfalls ein Hormon ist. Insulin ist dafür zuständig, Traubenzucker (Glukose) von der Blut­bahn in die Zellen zu transportieren. Die Körper­zellen bekommen dadurch Energie, und der Blutzuckerspiegel sinkt. Damit dieser Mechanismus funktioniert, muss der Körper in der Schwangerschaft mehr Insulin ausschütten. Bei den meisten Schwangeren gelingt diese Mehrproduktion. Bei einigen Frauen jedoch produziert der Körper zum einen nicht genug Insulin. Zum anderen entwickeln Zellen eine Insulinresistenz, das heißt, der „Zucker­transporteur“ Insulin kann bei ihnen nicht genug Glukose in den Zellen abladen. Das führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel nicht mehr ausreichend absinkt, ein Schwangerschaftsdiabetes entsteht.

Schwangerschaftsdiabetes: Folgen für Kind und Mutter

Unbehandelt oder nicht richtig eingestellt kann Schwangerschaftsdiabetes ernste Folgen für die Gesund­heit von Mutter und Kind haben:

  • Der Fötus kann übermäßig an Gewicht zulegen, was die Geburt erschwert. Gleichzeitig bleiben die Lungen bei zu schnellem Wachstum der Kinder oft unausgereift.
  • Nach der Geburt kann das Baby an Neugeborenen-Gelbsucht leiden.
  • Da bei Diabetes vermehrt Fruchtwasser gebildet wird, steigt das Risiko für eine Frühgeburt, wenn die Gebärmutter das Gewicht des Wassers nicht mehr halten kann.
  • Ein erhöhter Blut­zucker geht oft mit Blut­hoch­druck der Schwangeren einher.
  • Erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung)
  • Sowohl Mütter als auch ihre Kinder haben durch den Schwangerschaftsdiabetes prinzipiell ein erhöhtes Risiko, langfristig Übergewicht und Typ 2 Diabetes zu entwickeln. Stillen kann hier vorbeugen.

Ökotrophologin, Leiterin der Arbeitsgruppe Gestationsdiabetes am Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München

PD Dr. Sandra Hummel: "Stillen schützt sowohl Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes vor einer späteren Entwicklung von Typ 2 Diabetes, als auch ihre Kinder vor Übergewicht."

Welche Risikofaktoren gibt es für Gestationsdiabetes?

Die Risikofaktoren für einen Schwangerschaftsdiabetes sind dieselben wie für Diabetes Typ 2. Diese Form der Stoffwechselerkrankung entwickelt sich im Laufe des Lebens aufgrund einer Insulinresistenz.

  • Übergewicht – Starkes Übergewicht begünstigt eine Insulinresistenz.
  • Veranlagung – Die Neigung zu Diabetes ist auch genetisch bedingt.
  • Alter – Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zellen nicht mehr so gut auf das Hormon Insulin ansprechen.

Was bei einem Schwangerschafts­diabetes ebenfalls eine Rolle spielt, ist das Geburts­gewicht der Geschwister­kinder: Hat eine Frau schon einmal ein Kind mit einem Geburts­gewicht von über 4.500 Gramm geboren, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie in weiteren Schwangerschaften Gestations­diabetes entwickelt. Wer bereits schon einmal an einem Schwangerschaftsdiabetes erkrankt ist, zeigt bei darauffolgenden Schwangerschaften eine 50-zu-50-Chance wiederum einen Diabetes zu entwickeln.

Symptome und Anzeichen für Schwangerschaftsdiabetes

Viele Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes zeigen keinerlei Anzeichen dafür. Selbst wenn Symptome auftreten, interpretieren die Frauen sie oft falsch, da sie den normalen Schwangerschaftsanzeichen ähneln können. Im Prinzip kann der Gestationsdiabetes dieselben Symptome hervorrufen wie Diabetes mellitus, nur wesentlich milder ausgeprägt.
Die typischen Symptome eines Diabetes mellitus sind starker Durst (Polydipsie), häufiges Wasserlassen (Polyurie), Müdigkeit und Schwäche. Auf einen Schwangerschaftsdiabetes können darüber hinaus noch folgende Anzeichen hinweisen:

  • Häufige Scheidenentzündungen, Harnwegsinfekte oder Infektionen mit Vaginalpilzen: Der Urin enthält mehr Zucker und bietet Bakterien und Pilzen bessere Bedingungen zur Vermehrung.
  • Gesteigerte Fruchtwassermenge: Durch eine Ultraschalluntersuchung erkennt der Frauenarzt ein solches “Polyhydramnion”.
  • Übermäßige Gewichts- und Größenzunahme des Ungeborenen: Auch die sogenannte “Makrosomie” erkennt der Frauenarzt mit Hilfe der Untersuchung via Ultraschall.
  • Bluthochdruck (arterielle Hypertonie): Tritt sehr häufig im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsdiabetes auf.

Der Test: Diagnose für Gestationsdiabetes

Schwangerschafts­diabetes verursacht meist keine spürbaren Beschwerden. Der Frauenarzt testet routinemäßig im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche alle werdenden Mütter auf Schwangerschafts­diabetes. Frauen, die zur Risikogruppe gehören, können bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel den Diabetes-Suchtest machen lassen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Varianten des Tests:

  • Der Zucker-Belastungstest beim Frauenarzt
    Die wichtigste Maßnahme, einen Schwangerschaftsdiabetes zu diagnostizieren, ist der Such-Test, der zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche in der gynäkologischen Praxis durchgeführt wird. Dabei trinkt die Schwangere eine Lösung mit 50 g Glukose – und eine Stunde später wird der Blutzuckerwert ermittelt. Ist ein bestimmter Grenzwert erreicht (135 mg/dl), wird die Frau an eine diabetologische Schwerpunktpraxis überwiesen, wo zur Diagnosestellung ein Glukosetoleranztest durchgeführt wird. Darüber hinaus wird der Frauenarzt seiner Patientin jetzt schon Tipps und Hinweise geben, wie sie durch bewusste Ernährung ihre erhöhten Blutzuckerwerte beeinflussen kann.
  • Der Glukosetoleranztest beim Facharzt
    Bei dem Glukosetoleranztest erhält die Schwangere morgens auf nüchternen Magen eine Lösung mit 75 g Glukose. Vor der Einnahme und jeweils eine und zwei Stunden später wird der Blutzucker gemessen. Diese drei Werte sind eine gute Grundlage für die Diagnose.

Gute Chancen für die Behandlung

Die gute Nachricht ist: Die große Mehrheit der betroffenen Frau schafft es allein durch Veränderungen ihres Lebensstils, den Blutzucker­spiegel stabil zu halten, da die Blutzuckerwerte absolut gesehen meist nicht so stark erhöht sind wie bei anderen Typen von Diabetes. Deshalb kann ausgewogenen Ernährung und Bewegung sie in ausreichendem Maße senken.

Schwangere Frau isst einen Salat

Eine bewusste Ernährung kann dabei helfen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. © dolgachov, iStock

Darauf kommt es bei der Ernährung an


Bei einem diagnostizierten Schwanger­schafts­diabetes muss keine Frau Diät halten oder auf Spezial­produkte zurück­greifen. Erlaubt sind die ganz normalen gesunden Lebens­mittel, mit denen sich Schwangere satt essen können. Allerdings sollten Schwangere darauf achten, nicht übermäßig an Gewicht zuzunehmen. Die empfohlene Gewichtszunahme während der Schwangerschaft hängt dabei vom Body-Mass-Index (BMI) vor der Schwangerschaft ab: so sollten normalgewichtigen Frauen zwischen 11,5 und 16 kg, übergewichtige (BMI von 25 - 29,9) Frauen zwischen 7 und 11,5 kg und stark übergewichtige (BMI >30) Frauen zwischen 5 und 9 kg zunehmen. 

Folgende Ernährungs-Tipps können dabei helfen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten:

  • Um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, ist vor allem bei den Kohlenhydraten Vorsicht geboten. Einfache Kohlenhydrate, die schnell ins Blut gehen, sollten vom Ernährungsplan möglichst verschwinden: dazu gehören Weißmehlprodukte, Fruchtsäfte, gesüßte Getränke und die meisten Süßigkeiten.
  • Die Alternative sind komplexe Kohlenhydrate, wie sie in Vollkornbrot und -nudeln sowie Naturreis stecken. Sie lassen den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen.
  • Geschickte Kombination: Zusammen mit Eiweiß werden Kohlenhydrate ebenfalls langsamer verstoffwechselt. Deshalb: Wenn es Marmelade sein soll, dann das Brötchen mit Quark als Grundlage bestreichen.
  • Häufigere Mahlzeiten: Die Kalorienzufuhr gleichmäßig über den Tag zu verteilen, hilft ebenfalls, den Blutzucker stabil zu halten. Der Ernährungsplan könnte etwa so aussehen: erstes Frühstück, zweites Frühstück, Mittagessen, Nachmittagssnack, Abendessen, Snack vor dem Schlafengehen.
  • Besonders wichtig ist es, das Frühstück zu splitten, denn eine Mahlzeit auf nüchternen Magen lässt den Blutzucker oft besonders hochschnellen. Die erste Mahlzeit könnte beispielsweise ein halbes Brötchen sein – gefolgt von einem etwas gehaltvolleren zweiten Frühstück etwa zweieinhalb Stunden später. Dann können sich Schwangere ein Müsli mit fettarmer Milch und frischem Obst schmecken lassen.
  • Gesundes Betthupferl: Eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen einen eiweißhaltigen Snack zu essen (Naturquark oder Joghurt), stabilisiert den Blutzuckerspiegel in der Nacht.
  • Als Hauptmahlzeiten kommen prinzipiell alle Lebensmittel in Frage, die auch sonst zu einer gesunden Ernährung gehören: Gemüse als Basis, dazu komplexe Kohlenhydrate, mageres Fleisch oder Fisch. Obst ergibt einen leckeren Nachtisch oder einen Snack am Nachmittag.
  • Fast Food und viele Fertigmahlzeiten liefern oft zu viele Kalorien auf einmal – diese lieber durch unverarbeitete Lebensmittel ersetzen. Beim Naschen gilt: Nur sehr kleine Portionen bewusst genießen und diese zwischen zwei Mahlzeiten einplanen.
  • Wichtig: Gesund oder ungesund? Erlaubt oder lieber lassen? Wenn Du zu Deiner Ernährung und zum Diabetes Fragen hast, sprich diese offen an. Denn eine Ernährungsberatung gehört zur diabetologischen Behandlung.
Schwangere Frau beim Walking

Bewegung wirkt sich positiv auf den Blutzuckerspiegel aus. Tipp vom Arzt: Walken ist auch mit Kugelbauch oft ein geeigneter Sport. © Leszek Glasner, shutterstock

Vorbeugen und behandeln: Warum Bewegung und Ernährung so wichtig sind

Eine Reihe von Studien liefert interessante Hinweise darauf, dass die Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes durch einen gesunden Lebensstil beeinflusst werden kann. Beispielsweise können Frauen mit Übergewicht mit Hilfe einer Ernährungsumstellung Schwangerschaftsdiabetes vorbeugen. Diese Form der Prävention hat auf normalgewichtige Frauen hingegen keinen Einfluss. Die Studien zeigten, dass bei Frauen mit Übergewicht (BMI >25) oder Adipositas (BMI >30) 16 von 100 Frauen ohne Ernährungsumstellung und nur 6 von 100 Frauen mit Ernährungsumstellung die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes bekamen.
Für alle Frauen hingegen gilt, dass sich mit Hilfe von viel Bewegung Gestationsdiabetes wirkungsvoll vorbeugen lässt. Frauen, die sich von Beginn ihrer Schwangerschaft an mehr bewegen, erhalten seltener die Diagnose. In Zahlen ausgedrückt, zeigte sich folgendes Ergebnis: 5 von 100 Frauen, die sich wenig bewegten, erhielten die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes. Nur 3 von 100 Frauen, die sich mehr bewegten, erhielten dieselbe Diagnose.

Körperliche Aktivität senkt den Blut­zucker­spiegel, denn die Muskeln brauchen Glukose als Treib­stoff. Schon moderate Ausdauer­sportarten wie Schwimmen, Walken und Rad­fahren haben positive Effekte. Auch für Schwangere, die sich nur wenig bewegen dürfen, gibt es geeignete Übungen. Mit dem Thera­band kann man beispiels­weise gezielt nur die Muskeln im Ober­körper be­an­spruchen. Wichtig ist bei jedem Sport in der Schwanger­schaft, vorher Rück­sprache mit dem Gynäkologen zu halten.

Immer im Blick: Der Wert des Blutzuckerspiegels

Ob die Ernährungs­umstellung den gewünschten Erfolg hat, zeigt die Blutzuckermessung, die die Schwangere selbst­ständig durchführt. Den Umgang mit dem Blut­zucker­mess­gerät zeigen die Experten in der Arzt­praxis. Sie entscheiden auch, wie oft eine Blut­zucker­messung notwendig ist. Der Standard ist vier­mal am Tag, bei einigen Frauen sind aber auch sechs Messungen nötig, und andere brauchen sich nur ein­mal am Tag in den Finger zu piksen.

Die Diagnose für Schwangerschaftsdiabetes wird gestellt, wenn während des in der Facharztpraxis durchgeführten Glukosetoleranztests (nüchtern, mit 75g Glukose) einer der drei folgenden Blutzuckerwerte  über dem Normwert liegt:

  1. ein Nüchternwert von mehr oder gleich 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
  2. Nachbelastung: Wert nach 1 Stunde von mehr oder gleich 180 mg/dl (10 mmol/l)
  3. Nachbelastung: Wert nach 2 Stunden von mehr oder gleich 153 mg/dl (8,5 mmol/l)

Ist der Wert des Blutzuckerspiegels nüchtern bereits über 126 mg/dl (7 mmol/l), liegt nicht ein Gestationsdiabetes, sondern ein in der Schwangerschaft neu aufgetretener Diabetes vor.

Wann sind Insulinspritzen nötig?

Sehr oft, aber nicht immer, bekommen Schwangere mit Lebens­stil­veränderungen ihren Diabetes in den Griff. Wenn die Blutzucker­werte trotz Ernährungsumstellung und Bewegung zu hoch bleiben, sind Insulin­spritzen not­wendig. Diese schaden weder Mutter noch Kind. Die Insulin­gabe ist leicht zu erlernen und wird in einer Praxis für Diabetes geschult.

Wie geht es nach der Geburt weiter?

Bei den meisten Frauen ver­schwindet der Diabetes nach der Geburt. Die Blut­zucker­werte der Mutter werden ein bis zwei Tage nach der Geburt im Kranken­haus und einige Wochen später noch einmal in der dia­be­to­lo­gischen Praxis über­prüft.
Auch das Baby wird nach der Geburt noch einige Male kontrolliert, um festzustellen, ob seine Werte normal sind. Dazu wird das Blut des Kindes auf seine Zuckerwerte untersucht.

Selbst wenn die Werte der Mutter nach der Geburt wieder im Normal­bereich liegen, bleibt ein Risiko: Über die Hälfte der Frauen mit einem Schwanger­schafts­diabetes entwickeln im Laufe des Lebens einen Typ-2-Diabetes. Doch diese Stoff­wechsel­störung lässt sich hinaus­zögern und manchmal sogar ver­hindern: durch gesunde Ernährung und viel Bewegung. Und noch etwas können frisch­gebackene Mütter gezielt für sich und ihr Baby nach der Geburt tun: es stillen. Laut einer Studie senken Frauen, die länger als drei Monate stillen, ihr Diabetes-Risiko um etwa 40 Prozent. Der Grund ist, dass das Stillen den Stoffwechsel­prozess der Mutter langfristig positiv beeinflusst.

Fazit:
Du hast bereits die Diagnose “Schwangerschaftsdiabetes” erhalten und machst Dir Gedanken über mögliche Komplikationen und den Einfluss auf die Entwicklung Deines Kindes? Mache Dir bewusst: Wer den Gestationsdiabetes effektiv behandelt, verhindert  Komplikationen und mögliche negative Folgen. So gesehen kannst Du die Diagnose auch als Chance begreifen: Wenn Du Dich bewusst und gesund ernährst und viel bewegst, tust Du viel Gutes für Dich und Dein Baby. Und vielleicht behältst Du die neuen Gewohnheiten ja nach der Geburt gleich bei, weil Du Gefallen daran gefunden hast.

Dein glückskind-Team